Thema: Desinfektions-Stationen
Heinz 7 Am: 21.02.2015 12:31:47 Gelesen: 27226# 24@  
@ 10Parale [#22]

Lieber 10 Parale,

Du hast im Februar ein paar Dinge in den Chat gestellt, zu denen ich noch etwas sagen möchte; aber das kann aus zeitlichen Gründen nur "scheibchenweise" erfolgen.

Dein Brief von 1827 ist ein tolles Dokument Zeitgeschichte! Zum Glück ist er sehr schön geschrieben und Du hast weite/wichtige Teile des Briefes verstehen/übersetzen können. Bravo! Grossartig!

Zum Stempel "Turquie" einmal soviel vorneweg: ich habe einen ähnlichen Stempel, allerdings mit GROSSSBUCHSTABEN "TURQUIE" gefunden bei James Van der Linden: Postvertragsstempel (1993). Dort ist er katalogisiert als Stempel Nummer 2870 auf Seite 246 mit folgender Kurzbeschreibung:

"2870; TURQUIE; Ln 1; n; 1842; 6; TR-A-F, Lemberg"

Das heisst aufgeschlüsselt:

Nummer 2870 im Stempelwerk "Postvertragsstempel" von Van der Linden 1993
Ln 1 = griffe sur 1 ligne = Langstempel, 1 reihig
n = noir = schwarz
1842 = (m.W. nicht besonders aufgeschlüsselt, wohl aber:) Verwendungsjahr/Vorkommen (ab?)
6 = Wertschätzung Kategorie 6 (von 12) = FF 1200 - 1800 oder FB 8000 - 120000 oder DM 400 - 600 (Französische Francs, Belgische Francs oder Deutsche Mark)
TR-A-F = Turquies, Autriche, France = Türkei - Österreich - Frankreich
Lemberg = (m.W. nicht besonders aufgeschlüsselt, eventuell:) Poststation gemäss Postvertrag

Ich nehme also an, dass die türkische Post diesen ersten Stempel angebracht hat und der Brief danach vertraglich weitergegeben wurde an Österreich oder Frankreich. Der Vermerk bei Van der Linden "Lemberg" könnte heissen, dass der Brief über Lemberg lief, ein Ort, der postalisch im 19. Jahrhundert sehr wichtig war.

Zur Adresse: Das heisst "Francomont près de Verviers". Verviers war ein Zentrum des Wollhandels in Wallonien (Provinz Lüttich); und Francomont gleich daneben (heute vermutlich eingemeindet; ich habe in Google eine "Rue Francomont" gefunden, die heute Teil der Stadt von Verviers zu sein scheint.

Zu den Taxvermerken kann ich leider noch nicht viel kommentieren.

Zum schwarzen runden Stempel möchte ich auch noch genaue Details nennen, aber ich kann das nicht auswendig.

Zur Seltenheit des Stempels eine Bemerkung: Vielleicht war "Turquie" eine erste Version des späteren Stempels "TURQUIE", für welchen vdL 1842 nennt? Dass die Variante mit Kleinbuchstaben bei vdL nicht erwähnt ist, könnte bedeuten, dass er (sehr) selten ist. Immerhin ist er GROSSGESCHRIEBEN auch nicht häufig.

Herzliche Gratulation zu dem schönen Brief. Welchen (genauen) Weg der Brief 1827 von Konstantinopel nach Francomont nahm, weiss ich nicht; es wäre schön, wenn uns die Postgeschichtler hier Hinweise geben könnten.

Herzliche Grüsse
Heinz
 
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