Thema: Die Magdeburger Packkammer bis 1875
Magdeburger Am: 21.06.2015 14:24:18 Gelesen: 17276# 12@  
Liebe Sammelfreunde,

in die Zeit des Postdirektors Pauli, fiel die fast kampflose französische Besetzung der Stadt am 08.November 1806. Per Dekret vom 18.August 1807 wurde das Königreich Westphalen von Napoléon Bonaparte für seinen jüngeren Bruder Jérôme (Hieronymus) mit der Hauptstadt Kassel geschaffen. Am 1. Oktober 1813 wurde Kassel unter Alexander Tschernyschow eingenommen und das Königreich für aufgelöst erklärt. Magdeburg selbst blieb bis zum 14. Mai 1814 besetzt.

Am Anfang der Besetzung blieben die preussischen Bestimmungen erhalten. Jedoch erfolgte ein Umstrukturierung, was auch zur Einführung von Poststempel führte.
Magdeburg wurde Hauptort des Departements Elbe und das Postamt wurde dem Generaldirektor des Postwesen in Kassel unterstellt.

Das Posthaus war immer noch an der Ecke Kreuzgangstrasse - Poststrasse, am Rande der Stadt. Insbesondere die Kaufleute sahen jetzt ihre Chance das Posthaus in die Mitte der Stadt zu legen, da in Frankreich die Vorschrift bestand, dass das Posthaus in der Mitte der Stadt liegen sollte. Um es vorweg zu nehmen, daraus wurde nichts.

Allerdings kam es doch noch zur Verlegung des Postamtes, jedoch nicht weit weg - noch heute befindet sich es nach einigen Grundzukäufen incl. Umbauten in der Zukunft an gleicher Stelle.

Nach einigen Hin und Her wurde die sogenannte Buschesche Kurie (Breiter Weg 205) als neues Posthaus auserkoren. Der damalige Postdirektor Faure wartet auch garnicht auf die Zuweisung von hoher Stelle ab, sonderm nahm ohne Genehmigung in Abwesenheit der Madame Moisez (die derzeitige Bewohnerin) am 16. Juni 1812 um 9.00 Uhr mit einem Mitarbeiter der Domänenkammer das Inventar der Kurie auf. Nach ihrer Rückkehr ließ Madame Moisez am 17. Juni 1812 vom Notar Nitze folgendes Protokoll anfertigen:

„....
Ihr bis jetzt abwesender Ehemann habe die v. Buschsche Curie besage Contracts mit dem Herrn Dom-Capitular von dem Busche vom Funfzehnten März des Jahres Achtzehnhundert Eilf an, auf drey nach einander folgenden Jahren gemiethet. Nachdem das Domstift aufgehoben, die Domcapitularen ihrer Rechte auf die Curien verlustig gegangen und auch die von Buschsche Curie dem Königl. Westphälischen Gouvernement anheimgefallen, so habe sich ihr Herr Ehegemahl von selbst beschieden, die Curie zu räumen, sobald das Gouvernement darüber disponirt und ihnen davon Anzeige gemacht haben würde. Am verwichenen Freytag mithin am Zwölften Juny dieses Jahres sey sie von dem Herrn Domainen Director Voigtel benachrichtigt worden, daß die von Buschsche Curie dem Post=Director Herrn Faure zum Post Bureau überlassen worden, und sie ersucht, die Einrichtung zu treffen, daß am nächstfolgenden Montag, als den Funfzehnten Juny die Zimmer des Hauses geöffnet würden, um das Inventarium des Hauses aufnehmen zu können. In dieser Absicht sey sie am Montag Morgen um Neun Uhr hierher nach Magdeburg gekommen, habe den Herrn Domainen Director Voigtel von ihrer Ankunft, und daß sie die Aufnahme des Inventarii erwarte, sofort benachrichtigt. Herr DomainenDirector Voigtel habe ihr sagen lassen, daß er sogleich zu dem Herrn Ingenier Stegemann, welcher mit der Aufnahme des Inventarii beauftragt sey, senden und ihn die Ankunft der Madame Moisez wißen lassen werde. Nachdem sie zwey Stunden vergebens gewartet, sey der Herr Post Director Faure zu ihr gekommen, habe ihr angezeigt, daß der Herr Ingenieur Stegemann sich nicht in der Stadt befinde und mithin mit der Aufnahme des Inventarii nicht werde verfahren werden können. Bey der Gelegenheit habe er sie im Laufe des Gesprächs gefragt, wenn eher sie das Haus räumen werde, und sie habe darauf nichts weiter erwidern können, als daß sie dies thun werde, sobald das Inventarium aufgenommen und sie wegen Räumung des Hauses von der Domainen Direction aufgefordert worden, indem sie hoffe, daß man ihr die nöthige Zeit gestatten werde, die im Hause habenden Meublen nach einem anderen Local zu bringen. Um ein Uhr Mittags sey sie wieder zurück nach Rothensee gefahren, habe jedoch die Schlüßeln des Hauses in den Händen des Herrn Bachelet, Employè im Bureau des Herrn Maillard mit dem Auftrag zurückgelassen, sobald sich Herr Stegemann oder jemandanders an seine Stelle zur Aufnahme des Inventarii finden würde, die Zimmer zu öffnen.

Nach der Anzeige des Herrn Bachelet, welcher ebenfalls mit gegenwärtig war, hat sich gestern Vormittag um Neun Uhr der Herr Post=Director Faure mit einem Mann, der sich für einen Abgeordneten des Herrn Stegemann ausgab, eingefunden. Beyde hätten die Öffnung der Zimmer verlangt, und nachdem er sofort diesem Verlangen genügt, hätten sie das Inventarium in seiner Gegenwart aufgenommen. Nach Beendigung desselben hätten sie die Schlüßel des Hauses verlangt, auch von ihm gefordert, daß er sofort die Zimmer räumen solle. Er habe in Rücksicht der Abwesenheit der Madame Moisez, und da sie zur Räumung des Hauses von Seiten der Domainen Direction bis jetzt nicht aufgefordert worden, solches verweigert, dabey aber wiederholt, daß Madame Moisez sich den Verfügungen des Gouvernements auf keinen Fall entgegensetzen würde, auch den Abend, als gestern zur Stadt komme, und mit dem Herrn DomainenDirector Voigtel die erforderliche Vereinigung darunter gewiß treffen werde. Bey dieser seiner Erklärung, welche in den Protocoll über das Inventarium mit aufgenommen worden hat der Herr PostDirector Faure sofort erklärt, daß er Besitz vom Hause nähme, und hat ohne allen Umständen durch sämtliche im Haus gegenwärtigen Postillions alle der Madame Moisez zugehörige in den Zimmern befindlich gewesene Meublen fort, und in den oberen Saal bringen lassen, wo sich solche bey der Ankunft des unterzeichneten Notar sämtlich durcheinandergeworfen befanden."



Hier mal auf einem Stadtplan von 1910 habe ich die Umrisse der Altstadt, oder besser gesagt der Festungsamlagen eingezeichnet. Dort wo der kleine grüne Punkt ist, lag das "alte" Posthaus. Etwas weiter oben in blau das "neue" Posthaus gegenüber dem neuen Markt.

Mit freundlichem Sammlergruss

Ulf
 
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