Thema: (?) (668) Postverhältnisse Bayern - Österreich
bayern klassisch Am: 12.12.2015 11:51:49 Gelesen: 251337# 65@  
@ bayern klassisch [#64]

Liebe Freunde,

dann sind die Taxen doch etwas verwirrender, als ich gedacht habe. Nun zur Auflösung:

Während Bayern und Österreich ab dem 1.10.1842 ein einheitliches Postgebilde darstellten, auch mit einer gemeinsamen Taxe bzw. einem gemeinsamem Franko, verlangte Bayern relativ frech für gewisse Briefe Bayerns in gewissen Gebiete Österreichs einen Zuschlag von 4 Kreuzer, der nur Bayern allein zustand.

So verhielt es sich auch hier:

Ursprünglich hatte die Aufgabepost 16 Kreuzer Gemeinschaftsporto und 8 Kreuzer bayerisches Zuschlagsporto = 24 Kreuzer notiert, was aber falsch war. Richtig war für einfache Briefe 12 Kr. Gemeinschaftsporto und 4 Kreuzer bayerisches Zuschlagsporto.

Da der Brief über 1/2 bis 1 Münchener (und auch Wiener) Loth wog, waren diese Gebühren mit dem Faktor 1,5 zu multiplizieren, so dass aus 12 Kr. 18 Kr. und aus 4 Kr. 6 Kr. wurden, die zusammen gefasst aber auch nur 24 Kreuzer Conventionsmünze ergaben.

Aber man durfte sie auf den Briefen eigentlich nicht zusammen fassen, weil sonst hälftig zu teilen gewesen wäre, was hier falsch war, weil nur die 18 Kr. das Gemeinschaftsporto darstellten und die 6 Kr. CM allein in die bayer. Postkasse flossen.

Gar nicht so einfach, aber auch gar nicht so schwer.

Nun aber zu meinem jüngsten Baby, das ich nach vielen Jahren der Suche endlich hier begrüßen durfte:



Geschrieben im wunderschönen Wien am 8.3.1862 und an Doktor Anton Ruland in Würzburg gerichtet, ging ein einfaches Kuvert auf die Reise, das prompt am Folgetag (!) in Würzburg einschlug.

Wäre man reiner Bayernsammler, ohne Ahnung internationaler Postverhältnisse und deren Vorschriften, würde man diesen Brief allein anhand der Bewertung von Marke(n), Stempel(n) usw. preislich adjustieren. Jedoch wäre das hier ein grober Fehler.

In Österreich bestand mit Ausgabe der Marken die Pflicht, im Falle der gewünschen Einschreibung eines Poststücks die dafür treffende Sondergebühr von 6 Kr. CM (bis 31.10.1858 ) bzw. dem Äquivalent von 10 Neukreuzer ab 1.11.1858 siegelseitig zu kleben. Demzufolge waren Ö - Recobriefe mit einer Marke für das tarifmäßige Franko vorne, mit der Recogebühr aber hinten zu bekleben. In 99,99% aller Fälle wurde das auch so gemacht, weil bei Recobriefen ja immer die Aufgabe im Postlokal zu erfolgen hatte und die Post dort natürlich ihre ureigensten Vorschriften kannte.

Aber was machte man, wenn der Absender in Unkenntnis dieser speziell österreichischen Usance das Franko UND die Recogebühr schon vorderseitig verklebt hatte? Eine Marke abziehen und hinten wieder zu befestigen war weder der Marke selbst, noch der Unbeschadetheit des Briefkuverts, noch dem zügigen Dienstesablauf zuzumuten und so kam es hin und wieder, wie es kommen musste - man nahm dergleichen Kuverts und Briefe zähneknirschend an und entwertete die frontseitig geklebten Marken.

Hier waren das für einfache, über 20 Meilen laufenden Briefe im Postverein 15 Nkr. und 10 Nkr. für die Recommandation. Zur Sicherheit schlug man hinten aber nochmals seinen roten (in Österreich DIE Farbe für Franko bzw. Chargé) Stempel "RECOMMANDIRT WIEN" ab und hoffte, dass Bayern jetzt nichts falsch machen würde.

Eine Reco - Nummer für den Schein, der ja in allen Fällen gezogen werden musste, ist nirgendwo vermerkt. Auch auf der Vorderseite war "recommandirt" als Teil der Adresse vorgeschrieben, finden wir diesen Pflichtvermerk nicht.

Ob Bayern ihn anhand der Briefkarte als recommandirt behandelt und ausgegeben hat, wissen wir nicht, hoffen es aber.

Nach Jahren der Suche bin ich daher sehr, sehr froh, einen solchen Brief mit vorderseitigem Gesamtfranko nach Bayern zeigen zu können und schlecht, finde ich, sieht er ja auch nicht gerade aus.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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