Thema: (?) (59-60) Ganzsachen bestimmen: USA
mljpk Am: 24.01.2016 01:47:34 Gelesen: 39401# 24@  
Liebe Sammlerkollegen,

die Durchsicht der Belegtütchen hat drei weitere, von mir nicht bestimmte Karten zu Tage gefördert. Vielleicht könnte ihr mir etwas zu Katalognummern etc. sagen.

Folgende interessante, auch in unsere Zeit passende Geschichten taten sich bei der genaueren Betrachtung auf:

Die erste Karte wurde 1892 an das königlich preußisches Amtsgericht II in Berlin adressiert. Vermutlich ist eine ursprünglich zusätzlich verklebte Marke abgefallen, da das Auslandsporto wohl 2 Cents betrug (richtig?) und oben neben dem Wertstempel die Schattierung einer Umrandung erkennbar ist. Auch der Datumsstempel ist links an der vermuteten Position der abgefallenen oder entfernten Marke offen. Auf der Rückseite bestätigt eine Dame in deutscher Sprache den Empfang eines Testaments nach einer offenbar zuletzt in Berlin wohnhaften Verstorbenen. Da die beiden Damen den gleichen Nachnamen führen, kann es sich um das Testament der Mutter oder Schwester handeln. Die Karte ist also ein kleiner Beleg für die fortbestehenden Verbindungen, auch administrativer Art, von Auswanderern in die alte Heimat. Leider war der Anlass ein trauriger. Auf dem Wertstempel ist nach meiner Einschätzung Ulysses S. Grant, General im Sezessionskrieg und 18. Präsident der Vereinigten Staaten, abgebildet (richtig?).

Postkarte Nr.2 hat ein vergleichbares Design wie die vorhergehend gezeigte. Die Schrifttype differiert jedoch und es fehlt der Bindestrich zwischen “Postal Card” und “One Cent” in der ersten Zeile oben. Auf dem Wertstempel ist hier nach meiner Einschätzung Thomas Jefferson, 3. Präsident der Vereinigten Staaten, abgebildet (richtig?). Die 1895 in Pittston, Pennsylvania, aufgegebene Karte war an einen “Henry” (Heinrich wie sich aus der Rückseite ergibt) Seelemeyer auf dem in Hoboken (New Jersey, wie ein Postmitarbeiter durch das “NJ” mit Bleistift klarstellte) liegenden Dampfschiff “Havel” des Norddeutschen Lloyd adressiert. Hoboken liegt am Hudson River direkt gegenüber von Manhatten. Wahrscheinlich hatte der Dampfer gerade Herrn Seelemeyer mit vielen anderen Einwanderern aus Europa in das Land der Hoffnung gebracht. Auch dies, unter anderem Blickwinkel als die obige Bestätigung an das Berliner Amtsgericht, ein schönes Dokument zur Migrationsgeschichte. Mehr Informationen zu dem auf der Route Bremen – New York eingesetzten Dampfer Havel findet Ihr unter: http://www.schiffe-maxim.de/Havel.html .

Wie es mit Herrn Heinrich Seelemeyer nach seiner Ankunft in Hoboken weiterging, lässt sich mit der Postkarte Nr.3 dokumentieren. Offenbar zog es ihn zum Schreiber der Karte Nr.2 nach Pittston, da er von dort 1896 an seinen Bruder Wilhelm Seelemeyer in Lemgo schrieb. Er verwendte nunmehr eine Karte die wieder die Allegorie der Freiheit zeigt.

Möglicherweise hatte er eine Arbeit in den Anthrazitkohleminen gefunden, für die Pittston Ende des 19. Jahrhunderts bekannt war. Eine Ansicht der Stadt in die es Herrn Seelemeyer verschlagen hatte, just aus der Zeit, findet sich unter: https://en.wikipedia.org/wiki/Pittston,_Pennsylvania#Coal_mining .

Schon spannend, welche kleinen, aber für den Betroffenen sicherlich sehr einschneidende Geschichten aus bewegter Zeit sich hier auftun.

Ich freue mich über Eure Kommentare aus philatelistischer Sicht zu den gezeigten Karten, da ich wie bereits gesagt eigentlich kein Belegsammler bin.

Beste nächtliche Grüße in die Runde
Jens




 
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