Thema: (?) (2894) Altdeutschland Bayern: Schöne Belege
bayern klassisch Am: 04.11.2016 16:08:15 Gelesen: 937622# 886@  
Liebe Freunde,

die Einführung der Nummernstempel (heute: Mühlradstempel) zum 1.8.1850 fußte auf 2 Anforderungen:

1. Die Entwertung der jungen Bayernmarken war mit den althergebrachten Ortsstempeln oft nicht so gut gelungen, wie man sich das, um eine Wiederverwendung auszuschließen, vorstellte. Daher entwickelte man im Frühjahr 1850 eine Stempeltyp (heute: Geschlossener Mühlradstempel), der im Innenraum genug Platz für eine Kontrollziffer ließ. Schon dieser Terminus deutete an, dass es hier nicht nur um die reine Form der Entwertung ging (Killerstempel heute genannt), sondern auch um eine Art der Kontrolle damit verbunden sein sollte. Wäre das nicht so gewesen, hätte es Hunderttausende Sammler in der Geschichte der bayer. Philatelie weniger gegeben, denn die Mühlradstempelsammler haben Bayern zu dem gemacht, was es später philatelistisch wurde.

Bei all den Betrachtungen kommt natürlich der 2. Punkt zu kurz bzw. ist völlig unbekannt: Mit dem Nummernstempel sollte auch im internen Verkehr (als dem, was der Postkunde nie zu Gesicht bekam) eine Kontrolle stattfinden und zwar durch den vorgeschriebenen Abschlag auf den Brief - Karten. Was war eine Brief - Karte nun wieder? Eine Brief - Karte (abgekürzt BK) lief mit den Poststücken jedweger Art von der Poststelle der Aufgabe an die Poststelle, die von ihr nominiert wurde und zwar auf der Beutelfahne des Briefbeutels, in dem eben diese Poststücke sicher verwahrt waren.



Heute zeige ich eine BK von Weissenhorn, die am 16.4.1858 an die Bahnpost Ulm - Augsburg abgefertigt wurde. Wie man unschwer erkennen kann, befanden sich an diesem Tag zum Zeitpunkt des Postabgangs weder Portobriefe ("Unfrankirte Briefe"), noch Auslandsbriefe ("Baar frankirte Briefe") im Postbeutel - portofreie Dienstsachen auch nicht, wiewohl das noch am ehesten zu erwarten gewesen wäre.

Jedoch gab es an besagtem Tag 3 Einschreiben (und bei dem im Schnitt wohl eher geringen Postaufkommen von Weissenhorn war das wohl gar nicht so wenig), die einzeln in der BK zu notieren waren:

1) Mit der Reco - Nummer 283 ein Einschreibebrief an Jac. Wirth in Monheim,
2) mit der Reco - Nummer 284 an Dr. Heinrich in Weiler und
3) mit der Reco - Nummer 285 an A. Geiger in Buchloe.

Der geneigte Leser wundert sich vlt., warum unter "Ort" steht "der Aufgabe", statt nur "der Bestimmung". Nun, in diesen BK waren auch Recobriefe aufzulisten, die von weiter her über die eigene Poststelle zu einer anderen liefen, so dass man in diesen Fällen den Ort der Aufgabe (Achtung: Nicht den Ort der Zukartierung!) vermerken musste.

Beispiel: Recobrief aus Aalen (Württemberg) nach München. Aalen fertigte eine BK nach Nördlingen in Bayern, welches das Paketschlußamt zu Württemberg war. Nördlingen erhielt den Brief, quittierte die württembergische Briefkarte gut und fertigte mit eigenen, anderen Recobriefen seine BK nach Augsburg. In der BK stand demzufolge unter der Rubrik "Ort der Aufgabe" des Briefes "Aalen". In Augsburg wurde die Briefkarte mit dem avisierten Inhalt (Briefe) verglichen und im Falle der Übereinstimmung eine neue BK Richtung München aufgemacht. In der Augsburger Briefkarte stand das Einschreiben aber immer noch in der Rubrik "Ort der Aufgabe" mit "Aalen".

Im Falle, dass München dieses Einschreiben nicht erhalten hätte, wäre die BK von Augsburg negativ quittiert worden und man hätte Augsburg gebeten, den Brief zu suchen.

Einige Tage später wäre wohl parallel dazu vom Absender aus Aalen ein Laufzettel auf die Reise geschickt worden, mit Hilfe dessen die Posten in Nördlingen, Augsburg und München hätten den Brief lokalisieren müssen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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