Thema: Fehlprüfungen von BPP und VP Prüfern
Markus Pichl Am: 16.11.2016 00:19:08 Gelesen: 184120# 48@  
Hallo KJ,

der Kurzbefund wird doch gar nicht angeprangert, lediglich wird hinterfragt, wie man die Qualitätseinstufung "einwandfrei" zu verstehen habe.

In den "Sonderregeln für das Prüfgebiet SBZ" des BPP steht unter Punkt 4 "Qualität" geschrieben:

Viele Ausgaben dieses Prüfgebietes sind unter schwierigen Herstellungsbedingungen und mit minderwertigen Materialen der damaligen Zeit entstanden.

Im Bewertungs-Hinweis, zu Marken der Sowjetischen Zone, schreibt der Michel, im Band 2 Deutschland-Spezial 2016 auf Seite 163:

"Bedingt durch die schwierigen materiellen und technischen Umstände in der Herstellung lassen sich für Marken der Sowjetischen Zone keine einheitlichen Qualitätsstufen in Bezug Durchstich, Zähnung und Zentrierung festlegen. Entscheidend für die Qualitätseinstufung ist letztendlich die Platzierung des Prüfzeichens."

Aus beidem ergeht aber nicht, dass im Insbesonderen bei gebrauchten Exemplaren der MiNr. 90/91 Büge, leichte Knitter und/oder Zahnverkürzungen häufig vorkommen, wenn nicht sogar der Regelfall sind. Im Michel ist bei dieser Ausgabe lediglich vermerkt, dass es sich um sehr dünnes, glasiges, durchscheinendes, sogen. Zigarettenpapier handelt, welches ursprünglich für griechische Steuermarken bestimmt war.

Ein gesonderter Qualitätshinweis, wäre bei MiNr. 90/91 durchaus angebracht. Dennoch stellt sich dann die Frage, mit welchem Wortlaut dies ein Prüfer dann in einer Expertise umsetzen kann? Grundsätzlich auch bei leichten Mängeln "einwandfrei" oder "einwandfrei mit üblichen kleinen Mängeln" und gänzlich einwandfreie Stücke dann als "einwandfreier als einwandfrei"?? Vielleicht doch ganz einfach "leichte Mängel, wie üblich"?? Ist alles sehr schwierig, aber derart berechtigte Fragen, wie von Harald Wimmer gestellt, werden in Zukunft wahrscheinlich immer öfters auftauchen.

Daher bedarf es m.M. einer Nachvollziehbarkeit, wann welche Marken, auch mit sichtbar kleinen Mängeln, noch als "einwandfrei" gelten, um diesbezügliche Nachfragen zu vermeiden. Das von Lars Böttger vorgebrachte Argument: "Nur der Prüfer kann Dir seinen Maßstab für 'einwandfrei' darlegen", sollte der Steinzeit angehören. Der eine Prüfer sagt "einwandfrei" und ein anderer "leichte Mängel", dass kann es dann auch nicht sein. Legt der Prüfer den Maßstab selbst fest, dann ist dies eine subjektive Sichtweise. Gutachten müssen aber objektiv erstellt sein. Letztendlich stellt sich bei manchen Ausgaben die Frage, welcher "Muckenschiss" als Mangel gilt und welcher nicht? Vielleicht muß man auch ganz einfach Sammlern klar machen, dass es manche Ausgaben überwiegend nur "bedingt einwandfrei" gibt?

Nachstehend möchte ich erst einmal einen tarifgerecht frankierten Brief mit waager. Paar MiNr. 90 und Einzelstück MiNr. 91, geprüft Dr. Jasch BPP, zeigen.





Die Platzierung des Prüfzeichens ist ein wenig erhöht angesetzt, aufgrund leichter Papier- und Zähnungsunzulänglichkeiten der Marken (der waager. Faltbug des Kuverts fließt hier nicht in die Beurteilung ein). Ferner ist ein handschriftlicher Vermerk gesetzt: "Wz. W/X nicht bestimmbar". Dies ist schade, aber nachvollziehbar, weil man sieht ganz einfach nichts, vom dennoch bestimmt vorhandenem Wasserzeichen. Herr Dr. Jasch konnte, ich vermute einfach einmal aufgrund der Papierstruktur, die Wz.-Varianten Y oder Z ausschließen. Insgesamt sind die Marken und der Brief selbst recht gut erhalten. Nach meiner Meinung, korrekt geprüft.

Als nächstes möchte ich ein postfrisches Exemplar der MiNr. 91 mit rechtem Bogenrand zeigen.



Bei Marken mit Kammzähnung kann man einen sogen. virtuellen Viererblock erstellen, um nachzuprüfen, ob es sich um eine nachgezähnte Marke handelt.

Hierzu schneide ich den Bogenrand virtuell ab und füge die Marke im Photoshop viermal in ein leeres Bild ein und reduziere die Deckkraft von jedem Bild auf 50%. Dann schiebe ich die vier Bilder so zusammen, dass zwischen den Marken ganze Zahnlöcher entstehen. Dies gelingt bei diesem Exemplar. Die Zahnlöcher sind typisch, etwas versetzt, die Marke ist nicht nachgezähnt.





Wenn ich dies mit der hinterfragten Marke versuche, dann kommt es leider nicht überall zu vollständigen Zahnlöchern. Glücklicherweise habe ich aber noch zwei Bogen, besser gesagt als "Würfelzucker" zusammengefaltete 50er-Bogenteile gefunden (es fehlen also die Bogenränder) und mit 1200 dpi eingescannt. Bei Betrachtung von diesem Scan ist zu erkennen, dass die Zähnungsmaschine wirklich sehr unsauber gearbeitet hat und ich meine, die hinterfragte Marke könnte gemäß der Zähnung zu Bogenfeld 30 passen (werde dies noch versuchen, an Bildmerkmalen zu verifizieren).



Der Stempel ist wohl der Landpoststellenstempel I, "JERICHOW über GENTHIN a"

Lange Rede, kurzer Sinn. Prüfen ist kein Hexenwerk und beide Seiten, Sammler und Prüfer, sollten nicht den gegenseitigen Austausch scheuen, ggf. auch öffentlich in einem Forum nicht.

MfG
Markus
 
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