Thema: Briefmarken: Steht uns der wahre Preisverfall noch bevor?
nightdriver Am: 29.01.2017 13:45:42 Gelesen: 22007# 4@  
Ein paar Gedanken dazu:

Ich sammle seit 1997, gehörte damals zu den allerjüngsten und heute noch zu den jüngsten Sammlern. Schon seit ich angefangen habe, hörte ich immerzu, die Briefmarkensammler stürben aus. Bis heute ist das aber nicht der Fall.

Was sich denke ich verändert hat ist, dass die Sammlungen individueller geworden sind. "Bund postfrisch komplett" oder andere Dinge, die man sich schlicht und einfach für Geld zusammenkaufen kann (was auch Spaß machen kann!), sind weniger gefragt. Nicht reproduzierbare und nicht philatelistisch beeinflusste Sammlerstücke (echt gelaufene Belege etc.) sind seit Jahren im Aufwind.

Die gezeigte Grafik dürfte auf einer doppelten Verschiebung der gesellschaftlichen Alterspyramide resultieren. Zum einen haben ältere Menschen tendenziell mehr Zeit, sobald sie im Ruhestand sind. Zum anderen haben sie in der Tendenz (im gesellschaftlichen Mittelstand) auch mehr Geld, da auf der Karriereleiter (wenn's gut gelaufen ist) höher (plus evtl. dienstzeitabhängige Erhöhung). Vielleicht ist auch das Haus abbezahlt.

Hinzu kommt, dass Sammeln keine gesundheitlichen Voraussetzungen hat, sodass bei gesundheitlich beeinträchtigten Menschen ein "Ersatzhobby" z.B. zu sportlicher Betätigung entsteht. Ausnahme vielleicht, dass man nicht blind sein sollte. Aber selbst da gibt es bei ebay einen Händler, der seine Umsätze aus diesem Grund als umsatzsteuerfrei ausweist.

Erst dann, nämlich mit genug Zeit, Mitteln und Muße, wird das Sammeln an sich interessanter. Junge Menschen haben meist nichts davon, da Zeit in Familie und Karriere investiert wird (was richtig ist!) und Geld in Reisen und Immobilien (was überwiegend auch richtig ist!). Dies ist die erste Verschiebung.

Die zweite besteht darin, dass gerade jüngere Sammler sich seltener einem Verein anschließen dürften. Dies auch, weil die Vereine überaltert sind, sodass die jeweilige Lebenswirklichkeit auseinanderdriftet und außer dem Briefmarkensammeln wenige Gemeinsamkeiten bestehen. Zudem, weil die organisierte Philatelie umso interessanter wird, je weiter fortgeschritten ein Sammler ist.

Die Altersstruktur wird also so bleiben und ist dem Hobby inhärent. Die Zahl der Sammler wird aber nicht so stark zurückgehen, wie die Grafik es suggeriert, da aus den jüngeren Jahrgängen Sammler nachkommen.

Da die Rahmenbedingungen weltweit besser werden (steigender Wohlstand in vielen Staaten, längeres und gesünderes Leben, bessere Arbeitsbedingungen) besteht die Wahrscheinlichkeit, dass global eher Sammler hinzukommen. Man darf sich aber nicht der Illusion hingeben, dass die Sammlerquote in China oder Indien deutsche Verhältnisse erreicht oder dass diese Sammler gar den Marktwert des Posthornsatzes "retten".
 
Quelle: www.philaseiten.de
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