Thema: Philatelie in der Presse - Auktionen (Sammelbeitrag)
Richard Am: 18.06.2009 08:36:25 Gelesen: 131978# 48@  
Von der äußeren zur inneren Sammlung

Von Aline Moosmann, Maria-von-Linden-Gymnasium, Calw-Stammheim

Frankfurter Allgemeine Zeitung, FAZ (03.06.09) - Die Briefmarke ist ein Luxusgut - schön, aber nicht lebensnotwendig. "Durch die Finanzkrise werden Luxusgüter eher vernachlässigt", sagt Wilfried Fuchs, Inhaber der Rauss & Fuchs GmbH in Stuttgart, des seit 1953 bestehenden, ältesten Briefmarkenauktionshauses in Württemberg. Er verzeichnet einen Umsatzrückgang von 10 Prozent. Carsten Kliege, Geschäftsführer des Briefmarkengeschäfts DBA Stuttgart GmbH, geht es nicht anders, er hatte zuletzt ebenfalls unter der Kaufzurückhaltung seiner Kunden zu leiden.

Für beide ist neben der Wirtschaftskrise das wohl größere Problem die Überalterung vieler Sammler. Heutzutage besuchen zwar vorwiegend junge Leute das Auktionshaus von Fuchs, die aber zeigen kaum Interesse am Sammeln, vielmehr wollen sie ihre von den Großeltern geerbten Sammlungen zu Geld machen. "Immer weniger interessieren sich fürs Briefmarkensammeln. Der jungen Generation fehlt es an Zeit und Interesse", sagt Fuchs. Auch lasse die Vielzahl der modernen Freizeitbeschäftigungen das Briefmarkensammeln als ein "angestaubtes Hobby" erscheinen. Dieter Ott, Erster Vorsitzender des Briefmarkenvereins Tübingen, bringt es auf den Punkt: "Wer früher keine Briefmarken sammelte, war verrückt. Jedoch ist heutzutage derjenige verrückt, der welche sammelt."

Der Name "Philatelie" wird unterschiedlich gedeutet: Entweder als "Freund dessen, was nie endet" (die stets neu erscheinenden Marken), oder als "Freund dessen, was frei von Abgaben (an den Staat) ist", denn der Poststempel befreit den Absender von weiteren Abgaben. "Der Trend geht im Augenblick in Richtung thematisches Sammeln", meint Ott. "Die Anzahl der Ecken, worauf man früher achtete, ist heute eher unwichtig. Die Individualität des Sammlers bestimmt das Motiv." Otts Leidenschaft sind Briefmarken mit Abbildungen von Kunstturnern. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in Deutschland die ersten Briefmarkenvereine gegründet. Derzeit zählt der Bund Deutscher Philatelisten 1400 eingetragene Vereine mit 50 000 Mitgliedern. Er spricht von mehr als 3 Millionen Briefmarkensammlern in Deutschland. Die Mitglieder treffen sich regelmäßig, um sich "briefmarklich auszutauschen" und in einzelnen Arbeitsgruppen über laufende Ausstellungen oder interessante Auktionen zu informieren.

"Das Auktionshaus spielt in einer anderen Liga als die Briefmarkengeschäfte", meint Ott. Als Vergleich könne der Unterschied zwischen der Kreis- und der Bundesliga angeführt werden. "In beiden Ligen wird Fußball gespielt, jedoch sind die Spieler der Bundesliga weitaus teurer als die der Kreisliga." Während in den Geschäften hauptsächlich Briefmarken im Wert von 10 Cent bis 500 Euro verkauft werden, kann der Preis einer Briefmarke bei einer Auktion bis in den Tausend- oder auch Millionen-Euro-Bereich steigen. "Die teuerste von uns versteigerte Briefmarke lag bei 26 000 Euro", erklärt Fuchs. Der jährliche Umsatz des Auktionshauses liege zwischen 600 000 und 1 Million Euro. Briefmarkengeschäfte werden hauptsächlich von Sammlern besucht, die ihre Sammlungen preisgünstig vervollständigen wollen. So bietet Kliege für rund 20 Euro Kiloware mit bis zu 10 000 Briefmarken an. Wer dagegen an Auktionen teilnimmt, ist in der Regel auf der Suche nach besonderen Raritäten oder bestimmten Exemplaren und daher bereit, hohe Preise zu zahlen.

Während die Verkaufsmöglichkeiten von Briefmarken im Internet sowohl vom Briefmarkenhändler Kliege als auch vom Auktionator Fuchs skeptisch gesehen werden, versichert Sammler Ott, dass nicht nur er regelmäßig bei Ebay nach Angeboten sucht. "Das Internet ist ein recht bequemer Anbieter. Auch ältere Leute, die nur ab und zu Briefmarkengeschäfte oder Auktionen besuchen können, profitieren davon", sagt er. Zudem kaufen rund 1,2 Millionen Kunden Briefmarken über die Niederlassung Philatelie der Deutschen Post AG. Davon sind laut Marketingkoordinator Markus Schobert etwa 200 000 Geschäftskunden, und 750 000 Kunden beziehen in regelmäßigen Abständen Briefmarken und Sammlerabonnements.

Im Auktionshaus Rauss & Fuchs finden unter der Leitung von Wilfried Fuchs, der sein Hobby zum Beruf machte und die Firma seit 1991 alleinverantwortlich führt, jährlich zwei Auktionen statt. Der Katalog enthält zwischen 3000 und 4000 Angeboten, auch Lose genannt. Der Ausruf vieler Briefmarken und Münzen, das heißt das vorgegebene Gebot, liegt bei durchschnittlich 100 Euro. Der Sammler kann am Auktionstag dabei sein, er kann aber auch telefonisch oder online bieten, etwa mit Hilfe der Website Philasearch. "So haben auch Sammler aus Neuseeland oder Brasilien die Chance, an der Auktion teilzunehmen", erklärt Fuchs seinen großen Kundenkreis. Seiner Ansicht zufolge liegt der Vorteil im Auktionsverkauf für den Verkäufer darin, dass fast immer der aktuelle Marktpreis erzielt wird, durch das Bieten der Interessenten wird bisweilen sogar ein weit höherer Betrag erreicht. Je nach Wert der Briefmarke und Zuschlagssumme erhält das Auktionshaus einen bestimmten Prozentsatz als Provision. Diese kann bis zu 25 Prozent betragen; im Durchschnitt sind es 15 Prozent. "Je höher der Wert einer Briefmarke, desto mehr verdienen wir", sagt Fuchs. Um auf sich aufmerksam zu machen, wirbt das Auktionshaus in Fachzeitschriften wie der Deutschen Briefmarken-Zeitung und auch in Tageszeitungen. Die Stammkunden werden online oder mit einem Katalog über Auktionen informiert. Auch hat man einen Stand auf der internationalen Briefmarken-Börse in Sindelfingen, die in diesem Jahr vom 23. bis zum 25. Oktober stattfinden wird und zu den bedeutendsten Briefmarkenbörsen in Europa zählt.

Fuchs sieht für die Zukunft eher schlechte Zeiten anbrechen. Das Sterben älterer Sammler und das Desinteresse ihrer Nachkommen führen zu einem Preisverfall. Vor 20 Jahren seien Briefmarken teilweise doppelt so viel wert gewesen. Ott meint: "Vor allem Massenware erleidet Preisverfall. Bei guten, seltenen Stücken wie zum Beispiel bei einer kompletten deutschen Reichssammlung bleiben die Preise relativ stabil." Gefragte Einzelstücke können laut Wolfgang Peschel, Pressesprecher des Bundes Deutscher Philatelisten, durchaus noch Rekordwerte erzielen. Auf der Briefmarken-Messe Anfang Mai in Essen habe zum Beispiel eine Briefmarke bei einer Auktion 60 000 Euro erzielt. Es handelte sich um eine Briefmarke mit dem Porträt der Schauspielerin Audrey Hepburn. Davon seien bisher nur fünf im Umlauf, entsprechend hitzig habe sich der Bieterwettbewerb gestaltet. Den Zuschlag erhielt ein Telefonbieter zum doppelten Wert des Mindestgebots. Seither habe die Marke den Spitznamen "die deutsche Blaue Mauritius", sagt Peschel.

Der Kundenkreis des Auktionshauses Rauss & Fuchs hat sich im Laufe der Jahre verändert. Früher kamen 80 Prozent Sammler zu Fuchs' Auktionen. Heute sind es vorwiegend Händler größerer Unternehmen, die Briefmarken ersteigern. "Früher war die Briefmarke die Aktie des kleinen Mannes, doch sind diese Zeiten vorbei. Die meisten Briefmarken sind aufgrund der hohen Auflagen keine Wertanlagen mehr", sagt Fuchs. Ott ergänzt: "Viele Sammler gehen auf Auktionen und hoffen, mit ihren Ansichtskarten, die sie als Kapitalanlage gekauft haben, auf hohe Erträge. Das ist aber mittlerweile ein unsicheres Geschäft."

Carsten Kliege blickt optimistischer in die Zukunft. Er hat das Briefmarkengeschäft im Frühjahr 2008 übernommen und ist der Ansicht, dass Briefmarken auch in Zukunft gesammelt werden. "Das Geschäft überlebt kleinere Krisen." In seinem Laden steckt eine hohe Vorfinanzierung. "Um ein Briefmarkengeschäft führen zu können, muss man sich erst einmal einen umfangreichen Bestand an Briefmarken zulegen." Sein Optimismus ist auch darin begründet, dass für ihn die Konkurrenz längst nicht mehr so groß ist wie früher: Statt einst sechs Briefmarkengeschäften in Stuttgart gibt es heute nur noch zwei. Auch die Post sieht ihr Briefmarkengeschäft optimistisch. "Rund 3 Milliarden ausgelieferte Briefmarken im Jahr 2008 sprechen für sich. Dementsprechend groß ist das Potential aktueller und künftiger Sammler", meint Schober und ergänzt: "Seit über 100 Jahren hat die Briefmarke ihren Stellenwert in der Gesellschaft. Briefmarken spiegeln eine Auswahl von Themen aus Kultur, Geschichte, Politik und Sport wider, so etwa die Sportmarken des Jahres 2009, die der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Berlin gewidmet sind." Auch der Bund Deutscher Philatelisten ist der Ansicht, dass das Briefmarkensammeln noch lange nicht aus der Mode gekommen ist. Laut Peschel gibt es jährlich nur einen Rückgang von etwa 1000 Mitgliedern.

(Quelle: http://www.fazfinance.net/Aktuell/Immobilien-und-Finanzierung/Von-der-aeusseren-zur-inneren-Sammlung-6722.faz)
 
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