Thema: Altdeutschland Bayern: Echt oder falsch ?
bayern klassisch Am: 08.02.2018 11:35:32 Gelesen: 19599# 34@  
@ SachsenDreier [#33]

Hallo SachsenDreier,

1. Briefe an die Majestät (M.) waren zu frankieren. Das war hier der Fall (3 Kr. für einfache Briefe bis 12 Meilen).

2. Die Versendung als Expressbrief war vorderseitig in geeigneter Weise vom Absender zu vermerken. Das ist hier nicht der Fall.

3. Briefe an die M. wurden ausnahmslos, wo immer seine M. zu residieren geruhte, per Express zugestellt. Ein Brief, der für den Absender kostenpflichtig per Express an den König gelaufen wäre, ist bis heute noch nicht entdeckt worden, weil diese sehr teure Aktion völlig sinnfrei war.

4. In Augsburg dienten Beamte, keine manchmal etwas schludrigen Postexpeditoren. Ein Beamter hätte den Brief zur Ergänzung der Adresse (= "sogleich zu bestellen", "per Expressen", "um schleunigste Zustellung wird gebeten" o. ä. Termini) dem Aufgeber retourniert.

Eine Einlage in die "Boîte", also den Briefkasten, hätte keine Expressversendung zugelassen, weil die Kosten hierfür am Schalter bar zu zahlen waren. Einen "Kastenbrief" dürfen wir hier also ausschließen.

5. Ab 1.7.1858 änderte sich die Manipulation bei Expressbriefen in Bayern in mehrfacher Hinsicht - u. a. wurde darauf hingewiesen, dass das Weiterfranko von 9 Kr. bei der Bestellung in einem Ort mit Poststelle (hier: München) notiert werden musste, während es zuvor (dein Brief) niemals auf Briefen von der Aufgabepost notiert wurde, weil der Betrag für die expresse Zustellung in bar den Briefen beizufügen war (umständlich).

Daraus folgt, dass man entweder das Geld dem Brief beigefügt hätte, oder - wider die Vorschrift - die Expressgebühr als
Weiterfranko bar kassiert und in roter Kreide notiert hätte. Eine doppelte "Beycassirung" hätte sich jeder damals verbeten, vor allem der Absender.

Aber selbst dann, wenn es so gewesen wäre, war damals immer eine Retour - Recepisse bei Expressbriefen mitzugeben, die 6 Kr. kostete. Die Retour - Recepisse selbst war nicht mit Marken zu frankieren, sondern musste vom Absender bar bezahlt werden. Auf dem Brief lese ich aber nichts von einem Retour - Recepisse (Rückschein).

Die Verwendung von roter Kreide im Inland aus den 1850er Jahren wäre eine Sensation - erst in den 1860er Jahren kommt sie vor, davor, wenn rot, nur in Tinte (rot, blau oder schwarz). Soweit mit bekannt ist, führte die Hauptbriefpostexpedition Augsburg im Bahnhof überhaupt keine rote Kreidestifte, nicht mal im Innendienst.

6. Entgegen weit verbreiteter Meinung unterlagen Expressbriefe vor dem 1.7.1858 keiner Recopflicht.

7. Die Entwertung einer Marke vorschriftwidrig mit einem Federkreuz durch einen Postbeamten auf einem Brief an den König (auch wenn der das Kuvert i. d. R. nie selbst zu Gesicht bekam, sondern höchstens sein Sekretär) würde ich als äußert unwahrscheinlich einstufen.

8. Aus epistolographischer Sicht: Das kleine "x" bei "Express" ist nicht zeitgerecht geschrieben; allein das schon, ohne die vielen anderen Punkte, die gegen seine Authentizität sprechen, würde mich sehr stutzig machen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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