Thema: Die Fouré Fälschungen: Altdeutschland Norddeutscher Postbezirk Ganzsachen
sentawau Am: 27.06.2018 13:23:26 Gelesen: 7337# 9@  
Kapitel 6

Zu Fourés Zeit wurden Ganzsachen bevorzugt ungebraucht gesammelt. Das Gebraucht-Sammeln kam erst allmählich in Mode. Das spiegelt sich auch in Fourés Fälschungen wieder. Seine „gebrauchten“ Fälschungen sind selten. Zu ihrer Herstellung besaß der Meister echte, aber ausrangierte Stempel. Sie sind alle bekannt, aber m. W. nirgends zusammengefasst veröffentlicht. Gute Zusammenstellungen finden sich in Meier zu Eissens Altdeutschland-Ganzsachen-Spezialkatalog (Borek). Überhaupt sind diese Ausführungen zu Fouré noch heute lesenswert. Die Adressen entnahm Fouré echten Korrespondenzen, z. B. kommt oft „Herr Benno Latz“ vor, der als Empfänger vieler echter Briefe bekannt ist. Die Schreiberhände der gefälschten Briefaufschriften wechseln. Angeblich beschäftigt Fouré junge Damen. Aber das ist wahrscheinlich üble Nachrede.

Einen falschen „gebrauchten“ Oktogonumschlag habe ich schon gezeigt (#2). Nachfolgend bilde ich einen falschen NDP-Umschlag ab sowie einen echten von Preußen mit einer von Fouré gern benutzten Korrespondenz.



Falscher U 10 (auf Meckl.-Strelitz U 2): Umschlag echt, Marke echt, Überdruck falsch, Stempel falsch. – Echter Preußenschlag U 19 A aus einer Kaufmannskorrespondenz mit einer Anschrift, die Fouré gern für seine Fälschungen benutzte. Der Umschlag zeigt, was für minderwertiges Papier die Staatsdruckerei oft verwendete. Fouré benutzte bessere Qualitäten; auch das verrät den Fälscher im UV-Licht. Das Löchlein in der Briefmitte ist typisch für die Herkunft aus einem Kontor. Dort spießte man die unerledigte Korrespondenz auf einen Nagel.

Fourés Aktivitäten beschränkten sich nicht auf Preußen und NDP. Durch seine Freundschaft mit der Graveursfamilie Schilling, die für die Reichsdruckerei arbeitete, hatte er wahrscheinlich Zugang zu vielen Druckmaterialien. Er soll auch Ausländisches gefälscht haben. Über diese Seiten seiner Tätigkeit ist kaum etwas bekannt. Schon Lindenberg wusste, dass er württembergische Ganzsachen gefälscht hat. Aus dieser Produktion kann ich eine literaturbekannte Fälschung zeigen: Württemberg U 16 mit falschem Klappenstempel.



Ein echter U 16 mit verunechteten Klappenstempel. Fouré glättete den vorhandenen Klappenstempel K 3 „Ziffer im Posthorn“ und überstempelte ihn mit dem – an sich echten – K 1, der auf diesem Umschlag aber nicht vorkommen kann.

Noch ein paar Bemerkungen zu NDP U 20 – 23 und U 24 – 27. Diese früher sehr hoch angesetzten Umschläge erscheinen neuerdings im Michel GK ohne Bewertung – zu Recht, denn sie scheinen allesamt falsch zu sein. Soweit es sich um die Verunechtung der Klappengummierung handelt, muss das nicht unbedingt Fouré gewesen zu sein. Die Michelredaktion bittet um Vorlage geprüfter Stücke. Ich besitze einen im Jahre 2001 BPPgeprüften U 21 A, der sich unter dem UV-Mikroskop als falsch offenbarte, des weiteren U 22 B, 23 A, 23 B, 31 A – allesamt falsch. Markus Pichl hat oben (#1) einen gefälschten U 22 A abgebildet. Dubios ist ein U 22 B in meinem Besitz, der zwar von Julius Schlesinger und Friedrich Blecher BPP altgeprüft ist und der Prof. Kleins Untersuchung überstand, dem ich aber trotzdem misstraue.

Das Satyrspiel zum Schluss. 2002 fand ich im Archiv für Philatelie in Bonn die lange Zeit verschollen geglaubte Parallelsammlung des Reichspostmuseums wieder. Eine eigene Mappe ist den Fälschungen Fourés gewidmet. Sie enthält aber auch 5 Ganzsachen-Umschläge, die mich zunächst ratlos machten. Sie tragen alle die Handschrift des bekannten Sammlers Alexander Treichel, der damals in Berlin studierte. Sie sind von der Berliner Post-Expeditioon 13 abgestempelt und wurden zweifellos von der Post befördert. Verwirrend ist, dass es sich um überklebte Zweigroschenumschläge handelt, wie sie Lindenberg überzeugend als Fälschungen Fourés nachgewiesen hat. Hier aber liegen sie echt gebraucht vor!

Eine starke Lupe löst das Rätsel: die Umschläge wurden vor der postalischen Verwendung manipuliert. Und zwar löste der witzige Treichel von gültigen überklebten Eingroschenumschlägen die Marken ab und ersetzte sie durch Zweigroschenmarken, die er ebenfalls von überklebten (wahrscheinlich preußischen) Umschlägen abgelöst hatte. Dann übergab er sie der Post zur Beförderung. Die Briefe datieren von 1870 und 1871 und waren damals geeignet, Treichels Sammlerfreunde zu verblüffen. Vielleicht hat er sie auch dem ihm wohlbekannten Lindenberg gezeigt. Vielleicht sind sie über Lindenberg in die Sammlungen des Reichspostmuseums gekommen. Vielleicht hat sie auch Fouré gesehen, und sie haben ihn vielleicht auf die Idee gebracht, die er zwanzig Jahre später kommerziell verwertete – bis er aufflog. Alexander Treichel trägt an Fourés Betrügereien sicherlich keine Schuld, ungewollt gab er aber vielleicht dazu die Idee. Treichel spielte, Fouré betrog.

Damit bin ich am Ende meiner Kriminalgeschichte angelangt. Ich hoffe, sie hat Interesse gefunden. Vielleicht gilt das auch für das derzeit wenig beliebte Sammelgebiet der NDP-Ganzsachen! Ich würde mich besonders freuen, wenn weitere „gebrauchte“ Umschläge aus Fourés Werkstatt zur Abschreckung und Warnung vorgelegt würden.

Es grüßt
Sentawau
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/11696
https://www.philaseiten.de/beitrag/181471