Thema: Alliierte Besetzung Gemeinschaftsausgaben: Michel streicht 919 F aus Katalog
stampOmaniac Am: 10.10.2018 15:01:42 Gelesen: 37936# 10@  
Hallo zusammen,

ein schönes oder auch weniger schönes Thema, was mir schon immer am Herzen lag.
Die 919F.

Die Verhaltensweise aller an der Katalogisierung beteiligten Parteien regt mich nun wirklich schon seit Jahren auf! Zum einen die Betreiber aus Prüferkreisen, die sich mit ihrem Halbwissen zur eigenen Profilierung an fremden Sachgebieten reiben und Tatsachen schaffen, die nicht auf Tatsachen beruhen. Zum anderen ist es mir genauso völlig unverständlich weshalb die ArGe-Kontrollrat nicht schon längst einmal ein eindeutiges Statement ihrer Sicht der Dinge und den Stand der Forschung zur 919F veröffentlicht hat.

Nun zur Sache selbst.

Die vorkommende Veränderung von roten Farben auf klassischen und semiklassischen Marken ist seit langem beobachtet und bekannt. Den Verursacher, hatte man dann in den seit Jahrzehnten benutzten Weichmacher enthaltenen Folien schnell und sicher gefunden. Es tauchte nun die Frage auf, welcher Farbbestandteil in roten Farben denn durch diese Chemikalien herausgelöst und verändert werde, so dass sich das Erscheinungsbild der roten Farbe deutlich verändert. Es stellte sich heraus, dass es der in diesen alten roten Farben (fast) immer enthaltene Blei- oder Bleisulfid-Anteil ist, der dabei "ausblüht".

Zur 919F.

Die chemische und metrische Analyse der Farbe(n) der Nr. 919 hat ergeben, dass in Ihnen gar kein Blei oder Bleisulfid enthalten ist! Es kann also schon aus diesem Grunde nicht sein, dass die 919F durch chemische Veränderung entstanden ist. Des weiteren sind diverse Händlerangebotslisten aus den Jahren 1946-1948 bekannt, in denen solche Nr. 919 beschrieben und auch als seltene Abarten angeboten wurden.

Ebenso besitze ich selbst einen Oberrand 919F auf einem Gedenkblatt, welches seit den frühen 50er Jahren, in einem alten Steckalbum mit Zellophanstreifen, mit Falzen befestigt war. Also auch niemals mit einer Kunststofffolie in Berührung gekommen.

Was macht nun die 919F aus und weshalb a, b und F-Farbe in einem Bogen bzw. im Übergang?

Die 919F wurde als solche festgestellt und danach differenziert, da sich in ihr eindeutig - mitunter beträchtliche - schwarze Farbpigmente feststellen lassen, die eigentlich nicht in diesen Druckfarben vorhanden waren/sind. Die wenigen anfänglich gefundenen Einzelmarken, vornehmlich in gestempelter Erhaltung oder auf Brief, zeigten alle den festgelegt hohen schwarzen Pigmentanteil. Einige wenige Marken hatten auch - mehr oder minder deutliche - Markenbildteile in b-Farbe, ohne, oder mit nur sehr wenigen schwarzen Farbpigmenten. Herr Bernhöft und ich hatten des Öfteren über den vermuteten Zustand eines Druckbogens mit 919F phantasiert, wobei wir annahmen, dass der Verlauf innerhalb eines Bogens vermutlich mehr oder minder diagonal sein könnte.

Auf dem ArGe-Regionaltreffen West, wenn ich es recht erinnere im Jahr 2006, wurde mir ein kompletter Bogen 919 vorgelegt, der alle Merkmale einer diagonal verlaufenden F-Farbe aufwies, die sich über etwas mehr als den halben Bogen (ca. 60 Marken) zog. Der Rest, also die Druckgrundlage war übrigens auch hier die b-Farbe. Nach Vorlage durch den Besitzer, sah das auch Herr Bernhöft so.

Dies ist der bisher einzige Bogen der Nr. 919 mit der F-Farbe. Anhand dieses Bogens konnte man nun klar feststellen, dass während der Druckauflage der b-Farbe - vermutlich in der Andruckphase - schwarze Farbe in den Farbzylinder gelangt ist oder wesentlich wahrscheinlicher, durch ungenügende Reinigung noch schwarze Farbreste aus einem vorherigen Druckvorgang im Farbzylinder verblieben sind. Erst durch die sich immer in Bewegung befindliche Farbwalze der roten Farbe, haben sich partiell die nun nicht gänzlich gelösten schwarzen Farbreste mit der roten Farbe vermengt, was auch das typisch fleckige auftreten der F-Farbe und ihre noch deutlich erkennbaren schwarzen Farbpigmente erklären würde.

Eine 919F in Verbindung mit einer 919a, wie es von Herrn Geigle beschrieben wird, gibt es meines Wissens nicht. Die Aussage „Ein Bedarfsbrief, bei dem aus drei verschiedenen Bogen rote 12-Pfennigmarken verklebt wurden - wie absurd ist denn diese Vorstellung!“ bringt mich eher zum Schmunzeln, da dies in der Zeit sehr häufig unter allen Wertstufen zu finden ist.

Übrigens werden Marken die mit Fremdklebern und durch diese oder anderen Umstände farblich verändert sind/wurden, von den ArGe-Farbbestimmern als a-Farben bestätigt, auch wenn die Grundfarbe unter Umständen b-Farbe war. Auch dafür gibt es massenhafte Briefvorlagen ähnlicher oder gleicher Natur, wie von Herrn Geigle beschrieben.

Weiteren Wiederlegungen, der von Herrn Geigle selbst als solche benannten „Thesen“, enthalte ich mich, da ich mich lieber an wissenschaftliche Fakten halte.

Für die, die im Sammelgebiet „Gemeinschaftsausgaben des Kontrollrat 1946-1948“ nicht so firm sind sei erwähnt, das in dieser Zeit aus der Not heraus und wegen chronischem Materialmangel, eine häufig wechselnde Farbzusammensetzung der Druckfarben an der Tagesordnung war. Sehr häufig, wenn nicht sogar üblicherweise, noch während der laufenden Produktion der einzelnen Druckauflagen durch nachschütten der nächsten Farbtranche.

Auch unter den Katalogbezeichnungen a, befindet sich in der Regel immer eine große Vielzahl unterschiedlicher Farben, die auch messbar klar zu trennen wären aber mengenmäßig so sehr häufig sind, dass sie alle unter dem Begriff “a-Farbe“ eingemeindet wurden.

Und ja, bei der Nr. 919 wurde in der ersten Auflage aus dem Jahr 1945, auch die heutige b-Farbe verwendet und darunter aus der Andruckphase auch Stücke in der Fehlfarbe F. Diese wurde logischerweise überwiegend im Frühjahr, mit der ersten Ausgabe der Marken im Februar 1946 verwendet. Es liegt also in der Natur der Sache, dass die vorhandenen gebrauchten Stücke 919F, überwiegend aus diesem Zeitraum stammen. Auch ist die Aussage, das von der 919F "gestempelte Exemplare in größerer Zahl quer durch ganz Deutschland aufgetaucht" sein sollen, nicht richtig. Das hauptsächliche Vorkommen lässt sich auf Sachsen, das Erzgebirge, die OPD München/Nürnberg und Teile Mecklenburgs einschränken. Sicherlich finden sich auch Stücke in anderen Orten oder sie wurden, wie einige philatelistisch inspirierte Briefe vermuten lassen, wissentlich um die Besonderheit der Farbe aufgeklebt.

Nun noch einige wenige Worte zum Folienversuch bzw. der Veränderbarkeit von Druckfarben. Jedem der es nur einmal versucht hat, wenn auch eventuell unbeabsichtigt (Man denke nur an Auslagestücke des Briefmarkenhandels aus Schaufenstern.), wird festgestellt haben, das sich fast alle Druckfarben durch licht-, wärme- und chemische Einflüsse verändern. Wenn noch der Faktor Zeit dazu kommt, sogar garantiert. Auch Fremdkleber mit chemischen Zusätzen können z.B. eine eigentlich normale Nr. 919 wie eine 919F erscheinen lassen.

Die Frage für Philatelisten ist dabei doch aber nur, ob der zuständige Prüfer solche veränderten oder gefälschten Stücke zweifelsfrei von echten Stücken trennen und bestimmen kann.

Und diese Frage beantwortet die ArGe-Kontrollrat mit einem eindeutigen JA!

Auch bei diversen anderen Fälschungen oder fälschungsgefährdeten Stücken stellt sich ja nicht die Frage ob deshalb die zweifelsfrei echten Katalognummern aus dem Katalog gestrichen werden, sondern ob der Prüfer die Kompetenz und die fachlichen Möglichkeiten hat diese Fälschungen zu erkennen.
 
Quelle: www.philaseiten.de
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