Thema: Briefmarken vom Grossonkel geerbt - was soll ich damit tun ?
Cantus Am: 20.08.2019 21:02:30 Gelesen: 9778# 10@  
@ Bayer [#7]

Hallo Bayer,

zuerst einmal bedeutet Briefmarkensammeln nicht, dass man Schätze anhäuft, sondern es ist eine Freizeitbeschäftigung, die Freude bereiten soll. So sehe ich das auch bei den Marken, die du fotografiert hast, nur leider sind die Abbildungen der einzelnen Marken zu klein, um Details erkennen zu können, und außerdem schaut man wie durch einen Nebel, weil du vor dem Fotografieren nicht die Trennblätter zur Seite gebogen hast. Die Aussage, dass das alles Schrott sei, ist völliger Quatsch, denn mir zum Beispiel gefällt das, was ich sehe, ich suche allerdings auch nicht nur Preziosen und ausgefallenes Material, sondern habe meine Freude an einer Vielzahl von Dingen.

Die Auswahl der Marken, die du im Bild hochgeladen hast, war sehr subjektiv und zeigte deutlich, dass du insgesamt mit der Beurteilung jeder einzelnen Marke überfordert bist. So kann es durchaus sein, dass sich in der Vielzahl der Alben auch seltene und/oder gut erhaltene Marken verstecken, die du nur nicht erkannt hast. Das müssen auch nicht unbedingt deutsche Marken und/oder solche aus dem klassischen Bereich sein, zu allen Zeiten und aus fast jedem Land der Erde gab und gibt es immer wieder Spannendes im Briefmarkenbereich zu entdecken. Das setzt natürlich voraus, dass man sich intensiv mit jeder einzelnen Marke befasst und nicht nur Briefmarken seitenweise beurteilen möchte.

Darüber hinaus spielt die Qualität, also der Erhaltungszustand jeder einzelnen Marke eine ganz wesentliche Rolle. Ich will dir das einmal anhand von französischen gestempelten Marken verdeutlichen. Diese Marken gab es nur in geschnittener Form, also ohne seitliche Zähnung. Sie wurden in großen Bögen gedruckt und dann mit der Schere aus dem Bogen herausgeschnitten. Dadurch ergeben sich unterschiedlich breite Ränder an den Seiten, denn wenn eine Marke einen recht breiten Rand außerhalb des Markenbildes aufweist, dann fehlt bei der Nachbarmarke natürlich eine ausreichend breite Außenkannte. Die Schnitte wurden auch nicht immer exakt ausgeführt, sondern oftmals auf die Schnelle und dabei kam es gar nicht selten vor, dass beim Schneiden das Markenbild berührt oder sogar in die Marke hineingeschnitten wurde, das aber schmälert den Wert einer Marke ganz erheblich bis hin zur völligen Wertlosigkeit, je nachdem, wie stark diese Beschädigung ist und wie oft oder wie selten die einzelne Marke noch zu finden ist.

Die erste Marke ist einwandfrei, man sagt dazu auch Prachterhaltung.



Bei der nächsten Marke ist die rechte untere Ecke weggeschnitten, die Marke ist also minderer Qualität.



Die dritte Marke ist an der rechten Kante stark angeschnitten, also noch stärker beschädigt.



Das letzte Beispiel ist eine Marke, die allseits keinen deutlichen Rand mehr aufweist und an mehreren Stellen wurde das Markenbild angeschnitten. Normalerweise sollte man Marken mit so minderer Qualitätsstufe aussortieren und wegschmeißen, diese Marke ist jedoch seltener als die anderen gezeigten Marken, sodass man sie noch als sogenannten "Lückenfüller" im Album belassen kann, bis sich besseres und vor allen Dingen einwandfreies Material findet.



Zusätzlich zu solchen Schnittbeurteilungen spielen bei geschnittenen Marken auch noch andere Dinge eine wesentliche Rolle zur Qualitätsbestimmung. Die Farbe des Markenbildes soll frisch und weder verblasst noch verfärbt sein, die Art des Poststempels und wie er auf der Marke abgeschlagen ist kann ganz wesentlich sein, die Marke darf weder vorne noch auf der Rückseite Schürfungen oder sogar kleine Löcher aufweisen, Die Markenränder müssen noch im Originalzustand sein und dürfen nicht nachträglich angesetzt worden sein, um ein sauberes Markenbild vorzutäuschen, die Marke darf beim Gegen-das-Licht-Halten keine dünne Stelle aufweisen und außerdem darf die Marke natürlich weder geknickt noch eingerissen sein.

Wie du siehst, ist es nicht so einfach, eben mal Aussagen zum Wert von Briefmarken zu machen, denn auch bei gezähnten Marken gibt es bestimmende Qualitätsmerkmale und bei ungebrauchten oder sogar postfrischen Marken noch viel mehr. Daher ist der hier schon gegebene Ratschlag durchaus zu empfehlen, die Sammlung einem Briefmarkenhändler oder einem Briefmarkenauktionator [1] zu einer ersten Begutachtung vorzulegen. Vom Versuch, die Marken über Ebay oder delcampe zu vermarkten oder sie in einem Briefmarkensammlerverein vorzulegen halte ich nicht so sehr viel, da dabei meistens versucht wird, den Preis bis ins Unkenntliche zu drücken.

Viele Grüße
Ingo

[1] https://www.philasearch.com/de/briefmarkenauktionen.html
 
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