Thema: Die Philatelie verlagert sich ins Internet - nur noch 4 Bieter im Auktionssaal
umdhlebe Am: 18.01.2020 10:33:39 Gelesen: 5230# 6@  
@ Richard [#5]

Die persönliche Anwesenheit von Kommissionären zahlt sich bei hochpreisigen Losen aus, denn der Bieterwettlauf entwickelt eine Eigendynamik, die sich nicht ins Internet übertragen lässt. In einer heißen Phase des Bieter-Wettlaufs kann man vor Ort die Ruhe bewahren, sich an selbst gesteckte Limits halten und gegebenenfalls mit einem Gebot die Konkurrenz zur Verzweiflung bringen, wenn diese eigentlich ein Ende des Runs erwartet hatte. Oder - umgekehrt - man erkennt, dass der Wettlauf einen völlig überhöhten Preis erzielt und steigt nüchtern aus. Diese Dynamiken übertragen sich nicht ins Internet: Wer vor einem Monitor bei einer Live-Auktion sitzt, hat nur wenige Sekunden für die Entscheidung für oder gegen ein Gebot, und weiß nicht, ob das Los gleich weg ist oder das Rennen noch eine Weile dauert.

Beim gegenteiligen Fall der uninteressanten Lose, wo sich zum Ausrufpreis nichts tut, kann ein persönlich anwesender Kommissionär in direkter Interaktion mit den Auktionator ein Untergebot aushandeln. Auch das geht Online nicht.

Für mitbietende Sammler ist das Online-Gebot natürlich bequem - aber es verführt auch zum Gebot auf Marken, die man nicht vor Ort besichtigt hat, und das kann zu Enttäuschungen führen. So manches Los wird mit "Luxus! Kabinett! Alle Werte BPP geprüft von XY!" angepriesen, und dann ist das Prüferzeichen beim Topwert doch etwas höher angesetzt o.ä. Niedrige Ausrufpreise können ihre Ursache im Bestreben des Auktionators haben, einen Bieterwettlauf auszulösen, aber auch in den leichten Blessuren von Losen, die sich in einem Scan vertuschen lassen. Davor schützt einen nur die Besichtigung vor Ort.

Was die Preise der Auktionshäuser angeht, macht sich bemerkbar, was bei Luxuskonsum immer zu spüren ist: Top-Qualität zieht Kapital an und erzielt Spitzenergebnisse - und dabei fallen Gebührenerhöhungen für die Käufer kaum ins Gewicht. Wer 50.000 Euro für ein Los zahlt, fragt nicht, ob der Zuschlag 21 oder 23 Prozent ist. Für die Auktionatoren sind diese kleinen Prozentpunkte hingegen eine Chance, die eigene Gewinnmarge massiv zu erhöhen. Für das philatelistische Fußvolk ist die Sache nur teuer.

Genau hier tut sich meiner Ansicht nach aber eine Chance für den Briefmarkenhandel auf: Erstens habe ich dort die Rückgabemöglichkeit, wenn mich die Qualität doch nicht überzeugt. Zweitens kommt auf den Preis bestensfalls noch das Porto hinzu und ich erlebe keine böse Überraschung bei den Overhead-Kosten.

umdhlebe
 
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