Thema: (?) (66) Oberschlesien - Marken, Prüfer und philatelistische Zukunft
Stefan Am: 20.02.2020 20:14:49 Gelesen: 35866# 53@  
Der nachfolgende Text erschien bereits 2003 im Forum des BDPh [1]. Da zwischenzeitlich die dort vorgelegenen Abbildungen abhanden kamen und sich die Verausgabung des ersten Satzes des Abstimmungsgebietes Oberschlesien (Mi-Nr. 1-9) heute zum hundertsten Mal jährt, sei an dieser Stelle der recht lange Artikel in verschiedenen nach und nach erscheinenden Beiträgen wiederholt, dabei etwas überarbeitet und um weitere Abbildungen ergänzt.

Wer das erste Mal den Michel-Deutschland-Katalog oder die Spezial-Ausgabe zum Stichwort Oberschlesien aufschlägt, wird feststellen, dass es neben vielen Farbunterschieden bei insgesamt 105 Hauptnummern hier nur so von zahlreichen Aufdruckvarianten, Druckabarten, Halbierungen und vor allem vielen Fälschungshinweisen wimmelt. Gerade diese Dinge reizten mich sehr, innerhalb einiger Jahre eine Sammlung aufzubauen. Doch beginnen wir mit der Geschichte dieses kleinen aber feinen Markengebietes.

Aufgrund des Versailler Friedensvertrages von 1919 sollte das deutsche Kaiserreich als Kriegsverlierer das gesamte oberschlesische Gebiet nebst einigen Orten aus Niederschlesien an das neu gegründete Königreich Polen bedingungslos abtreten. Durch den Einspruch Deutschlands und Englands wurde der Artikel 88 im Vertrag revidiert und eine Volksabstimmung angesetzt, die am Sonntag, den 20. März 1921 stattfand. Die Ratifizierung des Friedensvertrages fand am 28.06.1919 (genau fünf Jahre nach Kriegsbeginn) im Spiegelsaal des berühmten Versailler Schlosses vom Sonnenkönig Ludwig XIV. statt. Diese Unterzeichnung gilt als "Geburtsurkunde" des damit entstandenen Abstimmungsgebietes Oberschlesien. Nach der Hinterlegung der Ratifikationsurkunden in Paris im Januar 1920 rückten daraufhin die ersten französischen Besatzungstruppen und später die englischen und italienischen Besatzungstruppen in Oberschlesien (=OS) ein und übernahmen offiziell am 12. Februar 1920 die Machtbefugnisse in OS. Bis zu diesem Tag sollten auch die ersten eigens für die Abstimmung in Paris gedruckten Dauermarken (Mi-Nr. 1-9) in OS eintreffen und an die Postämter verteilt werden.

Bedingt durch Lieferschwierigkeiten kamen diese erst am Freitag, den 20.02.1920 an die Schalter, wobei diese Ausgabe spätestens bereits ab dem 18.02.1920 (Aschermittwoch) verteilt an Postämtern im Abstimmungsgebiet vorrätig war.



Oberschlesien Mi-Nr. 1-9, Nr. 9 gestempelt zum Ersttag vom 20.02.1920

Um die „markenlose“ Zeit zu überbrücken, kennzeichnete man für die Dienstpost Marken des Deutschen Reiches mit dem Handstempel „C.I.H.S.“ (Commission Interalliée de la Haute Silésie = Internationale Kommission für Oberschlesien), die als „Oppelner Notausgabe“ in die Philateliegeschichte eingingen.



Oppelner Notausgabe Mi-Nr. 12 und 13, erhöht signiert Gruber BPP

Dieser Stempel lag der Kommission in zwei Typen vor, wobei die Type I vom 14.02.-19.02.1920 zur Verwendung kam und am letzten Verwendungstag offiziell zerstört, während die Type II schon kurze Zeit später für fast alle im Handel befindlichen Nachdrucke (heute als Fälschungen bezeichnet) verwendet wurde.

Die Zivilbevölkerung in OS nutzte in dieser Zeit die wieder für gültig erklärten Marken des Deutschen Reiches. Diese gelten als Vorläufer, sind sehr selten und schlummern vielleicht auch noch unerkannt in vielen Briefmarkensammlungen des Deutschen Reiches.



Deutsches Reich Mi-Nr. 85 II mit Stempel GLEIWITZ *2d von Freitag, den 13.02.20 und Deutsches Reich Mi-Nr. 108 mit Stempel BOGUTSCHÜTZ SÜD (KR. KATTOWITZ) a von Samstag, den 14.02.20 (Letztere ein Fund in einem Lagerbuch Massenware Deutsches Reich)

Gruß
Pete

[1] https://forum.bdph.de/showthread.php?173-Abstimmungsgebiet-Oberschlesien-Teil-1
 
Quelle: www.philaseiten.de
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