Thema: Deutsches Reich Besetzung 2. Weltkrieg Ostland: Belege
fdoell Am: 07.03.2020 09:55:37 Gelesen: 39288# 85@  
@ regis [#54]

Der Aufklebezettel im 2. Beleg besagt, dass in der "Wene Nr. 9" der Empfänger unbekannt ist.

Interessant ist dabei m.E. Folgendes:

a) Der Absender oder Hinzufüger der Anschrift (das war ja offensichtlich ein anderer Schreiber) benutzt noch die Schreibung "Wene", die mit der Rechtschreibreform 1927 in "Vene" geändert wurde. Es scheint also jemand Älteres gewesen zu sein, der sich nicht mehr auf die neue Schreibung "umgestellt" hat.

b) Vene heißt russisch, es ist also die Russische Straße gemeint. Die liegt östlich der Altstadt in Tallinn. Der Stadtteil Tõnismägi dagegen liegt ca. 0,5 bis 1 km südlich der Altstadt. (Bei Google Maps werden - wie in Estland üblich - Ortsnamen mit geografischen Bezeichnungen genauso wie Haltestellen im Genitiv bezeichnet, hier also Tõnismäe. Tõnis bedeutet erhöht, mägi Berg. Tõnismägi also "erhöhter Berg").

Möglicherweise ist die Nichtzustellung als "stiller Protest" des Zustellers zu werten, der evtl. schon wusste, wo die Dt. politische Polizei residierte. Offen bleibt nämlich, ob mit dem Zettel gemeint ist, dass die Vene 9 nicht in Tõnismägi bekannt ist oder dass die Gestapo nicht in der Vene 9 zu finden war. Lt. Wikipedia war sie nämlich schon in Tõnismägi, aber die genaue Anschrift konnte ich nicht auf die Schnelle herausfinden.

@ regis [#54]

Beim 3. Beleg schreibst Du von einer "nirgends klar beschriebene(n) Gebührenperiode".

Vielleicht kann Dir das Web der ArGe Baltikum da etwas weiterhelfen:

Informationen zu Ostland allgemein und dem Generalbezirk Estland (einschl. ein paar Gebühreninformationen) gibt es unter https://arge-baltikum.de/estonia-60.shtml#50.

Den Generalbezirk Lettland und Infos zum Sammelgebiet Kurland findet man unter https://arge-baltikum.de/latvia-70.shtml#60.

Das Pendant zu Litauen dagegen ist unter https://arge-baltikum.de/lithuania-80.shtml#70 dargestellt.

Weiterführende Literatur, auch zu Gebühren, bieten die Bücher von Harry v. Hofmann wie "Estland vor dem (Juli 1941 – 30.11.1941) und als Teil vom Generalpostkommissariat OSTLAND (01.12.1941 – September 1944)" und "Lettland – Handbuch Philatelie und Postgeschichte: Lettland vor dem (01.07.–30.09.1941) und als Teil vom Generalpostkommissariat Ostland (01.10.1941–08.05.1945)". Nähere Angaben dazu findest Du unter Medien / Kataloge, Literatur / Estland bzw. Lettland im Web der ArGe Baltikum.

Danach ist der Brief für den Zeitraum 29. September – 30. November 1941 mit 65 Kopeken leicht überfrankiert (60 Kop. wäre richtig).

@ hajo22 [#61]

Nach der vorgenannten Angabe ist der Brief nicht portogerecht, da von 29. September – 30. November 1941 eine Verdoppelung der Inlandsgebühren für Drucksachen auf 30 Kopeken, Postkarten auf 40 Kopeken und Briefe auf 60 Kopeken galt. Diese Gebührenerhöhung wurde aber nicht landesweit durchgesetzt (vgl. Erläuterungen im Web der ArGe).

Gruß
Friedhelm

Webmaster der ArGe Baltikum
 
Quelle: www.philaseiten.de
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