Thema: (?) (66) Oberschlesien - Marken, Prüfer und philatelistische Zukunft
Stefan Am: 12.03.2020 18:44:45 Gelesen: 35325# 54@  
Fortsetzung zu Beitrag [#53]

Bereits nach ca. zehn Tagen wurden die ersten Werte der dreisprachig gehaltenen und in verhältnismäßig kleiner Auflage gedruckten Mi-Nr. 1-9 an den Postschaltern knapp. Vor allem die Werte zu 5 Pf. und 10 Pf. wurden schon mit Beginn der Abstimmungszeit für die deutsche und polnische Propaganda und die Ausgaben zu 50 Pf. bzw. 1 Mk. für Einschreiben bzw. Pakete genutzt. Um den Markenmangel zu beheben, halbierte man vor allem in einigen Oppelner Postämtern bestimmte Marken.



Halbierungen der Mi-Nrn. 4 und 11 aus den Orten Oppeln und Kruppamühle vom 15.03. und 20.03.1920

Da das Problem mit dem Markenmangel nicht auf Dauer durch amtlich geduldete Halbierungen zu lösen war, vergab die Oberpostdirektion Oppeln den Auftrag zum Druck von Provisorien (Nr. 10-12) an die Oppelner Druckerei Erdmann Raabe. Diese recht primitiv eingerichtete Druckerei erstellte daraufhin innerhalb sehr kurzer Zeit die Druckform für die Marke zu 10 Pf. (Nr. 11) mit einzeln austauschbaren Drucklettern, die aus verschiedenen Lettersätzen stammten. Da nicht genügend Buchstaben und Ziffern eines Satzes zur Verfügung standen, ergab dies die im Michel-Spezial notierten einzelnen Aufdrucktypen für die Nummern 10-12 und den Fehldruck 10F.

Die Provisorien wurden ab Anfang März in der Reihenfolge 11; 10 (inkl. 10 F); 12a und 12b gedruckt. Für den Druck der einzelnen Marken baute man jeweils die bestehende Druckplatte um. Die Aufdruckausgaben zu 5 Pf. und 10 Pf. lassen sich in verschiedene Teilauflagen mit spezifischen Merkmalen der Druckfarbe und der Zusammensetzung der Druckfarbe unterteilen.



Oberschlesien Mi-Nr. 10; 11 und 12a - Ausgabe am 19.03., 06.03. und 12.03.1920 - Letztere auf den Tag genau vor 100 Jahren

Schon beim Überdruck zur Herstellung der Ausgabe zu 10 Pf. (Mi-Nr. 11) passierte die erste Panne: versehentlich wurden drei bis fünf Bogen der ungezähnten Urmarke Nr. 6 (20 Pf.) überdruckt und regulär am Postschalter ausgegeben.



Oberschlesien Mi-Nr. 11aU, die Einzelmarke entwertet OPPELN *1k vom 01.04.1920

Beim Druck der Aufdruckmarke zu 5 Pf. Mi-Nr. 10 passierte versehentlich (?) der zweite Fehler. Es wurden drei bis fünf Bogen der 15Pf-Marke (Mi-Nr. 5c) mit überdruckt und der Fehldruck 10 F entstand. Dieser wird als Original nur selten auf dem Markt angeboten (als Aufdruckfälschung aller Urmarkenfarben vergleichsweise sehr häufig vorhanden).



Oberschlesien Mi-Nr. 10F, Aufdrucktype IIa

Neben den geplanten normal stehenden Provisorien 10; 11 und 12a entstanden auch versehentliche Druckfehler der 10-12a; im Scan wird ein Beispiel für einen stark verschobenen Aufdruck aus der linken oberen Bogenecke gezeigt:



Oberschlesien Mi-Nr. 11b mit nach rechts verschobenem Aufdruck, dadurch u.a. 8x der Aufdruckfehler Mi-Nr. 11 XII

Es wurde auch eine Neuauflage der Mi-Nr. 12 a notwendig, um dem Weltpostverein in Bern zwei Bogen dieses Provisoriums abgeben zu können: die im Michel verzeichnete 12 b. Vier weitere Bogen (2x normal- und 2x kopfstehend) verschwanden sofort auf dem Sammlermarkt und wurden nie über den Postschalter verkauft.



Oberschlesien Mi-Nr. 12b, Aufdrucktype IVa

Nach dem Dienstschluss in der Druckerei wurde zunehmend heimlich weitere gezähnte Marken überdruckt, die als absichtlich produzierte Doppeldrucke, Kopfsteher, etc. zusammen mit Neudrucken der 10 F; 12a und 12b reißenden Absatz auf dem Sammlermarkt fanden. Es wurde gemunkelt, dass man sie auf Anlass interessierter Kommissionsbeamter herstellte. Diese Marken, die mehr oder weniger geringe Unterschiede zu den Originalen aufweisen, werden heute zurecht vom BPP-Prüfer als FÄLSCHUNG gekennzeichnet.



Oberschlesien Mi-Nr. 10-12 und 10F mit normalem Aufdruck, Doppelaufdruck bzw. Dreifachaufdruck



Oberschlesien Mi-Nr. 10-12 und 10F mit kopfstehendem Aufdruck und kopfstehendem Doppelaufdruck; die Mi-Nr. 10F (Urmarkenfarbe a) doppelt signiert Dr. Weinberg BPP, Aufdrucktype IVa

Selbst die vom verstorbenen BPP-Prüfer Dr. Weinberg als echt bestätigte ehemalig im Michel notierte Nr. 12c sollte auf jeden Fall noch einmal dem aktuellen Prüfer vorgelegt werden, da seit mehr als 20 Jahren neuere Forschungsergebnisse für die Nr. 12 vorliegen.

Gruß
Pete
 
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