Thema: Tschechoslowakei Luftpost 1919 bis 1938
Detlev0405 Am: 07.06.2020 05:46:25 Gelesen: 141032# 189@  
Bei der Betrachtung der Infrastruktur in der Luftfahrt der Tschechoslowakei stellt sich dem aufmerksamen Leser die simple Frage, warum Plzen als einer der wichtigsten Industrie Standorte keinen Flughafen bekam. Die Antwort ist ganz einfach – die Nähe zu Prag verhinderte es. Sowohl auf der Straße als auch per Bahn war Prag mit etwa 100 km Entfernung in weniger als 2 Stunden erreichbar.

Das heißt aber nicht von vornherein, das es in den 20er und speziell 30er Jahren nicht derartige Bestrebungen gegeben hätte. Besonders die Skoda Werke waren auch auf dem Gebiet der Luftfahrt aktiv – wenn auch nicht in allen Bereichen mit Erfolg. Die Gründung der CLS als Hauptaktionär war eine Erfolgsgeschichte. Die Gründung einer eigenen Flugzeugabteilung im Jahre 1925 dagegen nicht. Der Lizenzbau der französischen Dewoitine D-21 C.1 mit einem tschechischen Motor Typ HS 50 endete nach der Fertigung von 25 Stück. Auch die Prototypen des zweisitzigen Beobachtung Doppeldeckers P-2 retten die Produktionsabteilung nicht mehr. [1]

Bestrebungen, ein Flugfeld/Flugplatz/Flughafen in der Umgebung von Plzen zu installieren gehen zurück bis in das Jahr 1874, wo bereits Ballonflüge stattfanden. Der Motorflug etablierte sich ab dem Jahr 1909. Abgesehen von den Pionierzeiten des Flugzeugbaus und dessen Erprobungen wurde die Ausrichtung auf den militärischen Bereich des Flugwesens immer deutlicher. [3] Die tschechoslowakische Geschichte des Flugplatzes in Plzen endete vorläufig am 16.03.1939 mit der Besetzung durch das II/JG 333 der deutschen Luftwaffe, ausgerüstet mit Bf 109 D/E . [4]



Unsere heutige Karte stellt ein Stück Geschichte des zivilen Bereichs des Flugplatz in Plzen dar. Der zivile Bereich auf dem Flugplatz in Plzen entwickelte sich im Bereich des Segelfluges und der Durchführung von Flugmeetings. Hier war wieder der große Einfluss der MLL spürbar.

1927 wurde ein Werbeflug nach Polen durchgeführt, ein Besuch im Warschauer Aeroclub mit 4 Brandenburg Flugzeugen und ein Jahr später ein Werbeflug nach Jugoslawien zum Belgrader Aeroclub mit einer A12 mit Maybach Motor 240 PS.
Die Piloten, die an diesen Flügen teilnahmen waren Sedevec, Jaroslaw Paket und Frau Formankowa. [2]

Eine kleine Notiz in der Chronik zur Fluggeschichte in Plzen führt auf den richtigen Weg. Dort finden wir die Notiz, das vom 01. - 03.05.1931 das 1. Internationale Flugmeeting stattfand. [3]



Auch in einer entsprechenden Tageszeitung findet sich eine Anzeige für diesen Zeitraum [10]. Zum Programm des Meetings gehörten auch tägliche Passagierflüge, die jeweils Vor- und Nachmittags nach den offiziellen Flugprogrammen absolviert wurden. [2] Zumindest am letzten Tag des Flugmeetings flog dann wohl eine Maschine mit der Post nach Prag (Hypothese).



Am 03.05.1931 wurde die Karte im Postamt des Flughafens um 18 Uhr abgefertigt. Es kann davon ausgegangen werden, das die Karte spätestens um 19 Uhr am Prager Flughafen eintraf. Der auf der Rückseite angebrachte Stempel der Auslandsabteilung vom Flughafen ist am 04.05.1931 um 12 Uhr datiert und weist auf den Weiterflug nach Wien hin. Warum nicht der Flug um 10.19 Uhr sondern erst um 17.35 Uhr genommen wurde, bleibt das Geheimnis der Karte. So traf sie um 19.20 Uhr in Wien ein, was sich mit dem Empfangsstempel auf der Rückseite um 21 Uhr deckt. Am 05.05.1931 wurde die Karte in Wien um 08 Uhr abgefertigt für den Flug nach Belgrad über Budapest, wo sie um 15.55 Uhr ankam. [5]

Widmen wir uns dem Stempel, der den Beleg so wertvoll und auch widersprüchlich macht. Der Stempel von Plzen Letiste ist in der Primärliteratur zur tschechoslowakischen Luftpost in keiner Weise verzeichnet. Es ist das Verdienst von Paul Kipp in seinem Werk zu den Sonderstempeln der Tschechoslowakei, diesen Stempel zu registriert haben. [6] Es gibt noch eine zweite Quelle zu diesem Stempel, das tschechische Pedant zum Katalog von Paul Kipp [7]. Bei dem von ihm angegebenen Anlass hege ich jedoch starke Zweifel. Er bezeichnet den Stempel als Sonderstempel anlässlich der Eröffnung des Flugplatzes/Flughafen in Plzen am 03.05.1931. Dem widersprechen jedoch einige Fakten. Zum 1. war das Flugmeeting vom 01. - 03.05.1931, da macht eine Eröffnung am 03.Mai keinen Sinn. Zum 2. existiert der Flughafen Plzen bereits für die Tschechoslowakei seit 1919 – egal in welcher qualitativen Form.





Zum 3. zeigt er einen Stempel mit Uhrzeit 15 Uhr, ich besitze einen Stempel von 18 Uhr. Das deutet darauf hin, das der komplette Zwischensteg mit den Zahlen variabel gefertigt wurde. [8] Das zeigt auch ein Stempelabdruck aus dem selben Archiv mit einer komplett anderen Einstellung. [8]

Für meine Erkenntnisse handelt es sich um einen Sonderstempel zum 1.Internationalen Flugmeeting der Tschechoslowakei in Plzen.

Eine Anfrage beim Postmuseum in Prag brachte die definitive Auskunft. Frau Dr. Zamrzlova äußerte sich dazu wie folgt:

„Es besteht kein Zweifel, dass es sich um Sonderstempel handelt. Der Stempel ist nicht in der Liste der Tagesstempel enthalten, die im Jahre 1931 in den Postämtern in Pilsen verwendet wurden, einschließlich Pilsen-Süd und Pilsen-Nord. Diese Liste (eigentlich ist es eine grosse Kartei im Schrank mit vielen Schubladen) wird seit 1918 von der Zentrale der Tschechischen Post, geführt. Im Gegenteil, der Stempel befindet sich in der Liste der Sonderstempel , die sich in der Sammlung des Postmuseums befinden. Beleg dafür ist die Originalregistrierungskarte (siehe Scan 9). Der Stempel hat die Inventarnummer PPR1931/2 ….“
[9]

Bleibt die Frage nach der kompletten Luftpostbeförderung des Beleges von Plzen nach Belgrad. Ich lege mich nun fest, das es sich auf keinen Fall um einen regulären, beginnenden Linienflug zwischen Pilsen und Prag handelt. Die Karte kann nur mit einem Sonderflug zum Abschluss des internationalen Flugmeetings per Luftpost nach Prag befördert worden sein und sich bei Horka in die Kategorie Sonderflüge einordnen (vergleiche Seite 148 ff.). Der zweite mögliche Weg ist die normale Post nach Prag und von dort aus weiter per Luftpost. Der Stempel der Auslandsabteilung des Flughafens lässt diese Möglichkeit eher als unwahrscheinlich erscheinen. Normaler Weise wäre dann ein Stempel nach Horka R2 oder/und R3 abgeschlagen worden.

Inzwischen haben wir aber auch gelernt, das es auch in der tschechoslowakischen Luftpost nichts gab, was es nicht gibt. Auf jeden Fall handelt es sich um einen außergewöhnlichen Beleg vom 1.Internationalen Flugmeeting in Plzen und somit auch der tschechoslowakischen Luftpost.

Bleibt die Frage nach den Unterschriften auf der Rückseite – da fehlt mir einfach die notwendige Kenntnis, um sie zu verifizieren.

Gruß
Detlev

[1] https://cs.wikipedia.org/wiki/%C5%A0koda_(podnik)#Letadla
[2] https://akletkov.cz/historie/vzpominky-clenu/letectvi-v-plzni-roku-1918-az-1934/
[3] http://www.vrtulnik.cz/ww2/protektorat-plzen.htm
[4] http://www.vrtulnik.cz/ww2/protektorat-plzen2.htm
[5] http://www.timetableimages.com/ttimages/cls/cls3105/cls315-6.jpg
[6] Paul Kipp , Die Sonderstempel der Tschechoslowakei von 1919 – 1939, Seite 62, ARGE
Tschechoslowakei
[7] Jiri Neumann, Jiri Vaclavovic – Katalog Prilezitostnych Postovnich Razitek Ceskoslovenska
republika 1918 – 1939, Pressfil Plzen s.r.o. 2004
[8] Stempelarchiv Postmuseum Prag
[9] PhDr. Jitka Zamrzlova, Kurator, Ceska posta s.p. , Postovni muzeum , Nove mlyny 1239/2 ,
110 00 Praha 1
[10]Narodni Politika 22.04.1931, Seite 11
 
Quelle: www.philaseiten.de
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