Thema: Delcampe und der Umgang mit Fälschungen
olli0816 Am: 17.06.2020 10:07:16 Gelesen: 38622# 165@  
@ Bicyclestamps [#160]

Du hast einen wichtigen Absatz hier aufgeführt:

"Ein Online-Marktplatz haftet erst, wenn er auf konkrete Rechtsverletzungen hingewiesen worden ist, also mithin erst ab Kenntnis der Rechtsverletzungen, die auf seinem Portal von Dritten begangen werden. Erfolgt eine Überprüfung der durch den Nutzer einer Internethandelsplattform eingestellten Angebote nicht, macht sich der Betreiber der Plattform diese Inhalte insoweit nicht zu Eigen und kann somit auch nicht in die Verantwortung gezogen werden. So hat dies beispielsweise das Landgereicht Düsseldorf vor etlichen Jahren entschieden (Urteil vom 19.03.2008, Az.: 2a O 314/07)."

https://www.onlinehaendler-news.de/e-recht/rechtsfragen/7419-themenreihe-mit-haftung-der-online-marktplaetze-fuer-rechtsverstoesse-der-nutzer

Der erste Satz ist insbesondere interessant. Delcampe wird ggw. von stampsx mit Dutzenden Meldungen zugepflastert. Ein Teil wird wieder reingestellt, ein Teil gar nicht gelöscht. Delcampe wird darauf hingewiesen, reagiert bei einem Prozentsatz der Meldungen nicht (hier würde die Plattform haften) - und bietet sogar Mechaniken an, um die bekannten Betrüger zu schützen.

Das widerspricht doch deinen Ausführungen, dass Delcampe nichts dafür kann, dass so viele Betrüger auf der Plattform sind.

Nehmen wir zwei Mechanismen, die diese Plattform für Verkäufer zur Verfügung stellt:

1. Bei den Bewertungen kann der Anbieter die Artikel sperren, d.h. man kann nicht nachverfolgen was er verkauft hat. Damit wird die Nachverfolgung unmöglich gemacht und Delcampe als passiver Partner (nicht anders agieren sie) verfolgt die Verkäufe sowieso nicht. Warum auch? Das kostet Provisionen und will man aus wirtschaftlichen Gründen nicht. Nicht erstaunlich ist, dass gerade diese Funktion bei betrügerischen Anbietern besonders populär ist.

2. Außenstehende haben die Möglichkeit, im Fragenfeld hinzuweisen, dass die Marke eine Fälschung ist. Der Fragende wird mit seinem Accountnamen vermerkt, d.h. wenn es eine Falschbehauptung ist, kann der Verkäufer gegen ihn vorgehen. Aber der Verkäufer hat ein probates schnelleres Mittel: Er löscht einfach den Passus und sperrt den unangenehmen Zeitgenossen, der sein betrügerisches Geschäft torpediert.

Kommen wir noch einmal zu den Meldungen zurück, die ja angeblich nur von Selbstdarstellern sind:

Es wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass Anbieter xyz quasi nur Fälschungen anbietet. Dies ist Delcampe bekannt, schließlich lesen sie hier und im stampsx-Forum mit und manchmal kommentieren sie auch. Häufig ist es nicht glaubwürdig, aber immerhin haben sie bemerkt, dass stilles Aussitzen ein größeres Problem darstellt als sporadisch und unzureichend zu handeln.

Nur: Ab der Meldung, Händler xyz bietet nur Fälschungen oder bei den hochpreisigen Marken nur Fälschungen an kommt dein Satz wieder ins Spiel:

Ein Online-Marktplatz haftet erst, wenn er auf konkrete Rechtsverletzungen hingewiesen worden ist, also mithin erst ab Kenntnis der Rechtsverletzungen, die auf seinem Portal von Dritten begangen werden.

Sie wurden darauf hingewiesen, handeln aber in vielen Fällen nicht.

Letztendlich werde ich jetzt mal etwas abenteuerlich. Ich habe ein Cannabis - Geschäft in Holland mit den unterschiedlichsten Sorten und biete sie als Sammlerware auf Delcampe in der Rubrik Pflanzen/stimmungsvolle Blumen an. Wenn die Ware gut ist, werden Liebhaber dieser Produkte begeistert zugreifen. Jetzt gibt es Spielverderber, denen das nicht recht ist und melden das wahrscheinlich nicht Delcampe, sondern direkt den Behörden. So weit würde es aber nie kommen, weil die Mitarbeiter der Plattform selber wissen, dass sie recht zeitnah netten Besuch in lustigen Uniformen bekommen, die ihnen kostenlose Unterkünfte in Gebäuden mit Eisengittern und begrenzter Bewegungsmöglichkeit anbieten. Bei Briefmarken dagegen wird Betrügerware bagatellisiert, darauf hingewiesen dass die Käufer selbst schuld seien (einige sind in ihrer Blödheit sicher selber schuld) und man keine Mindeststandards erwarten dürfte. Man könne sowieso nicht alles kontrollieren. Außerdem ist der mündige Sammler viel schlauer als der Pflanzenliebhaber - hihi, wer es glaubt wird selig.

Ein Satz ist sicher richtig: Ja, man kann nicht alles kontrollieren.

Aber man kann es kanalisieren und die meisten Fälschungen (wahrscheinlich über 80%) sind hauptsächlich gewissen Personen/Accounts zuzuschreiben. Und die kann man recht schnell dicht machen. Ob jemand einmal eine Fälschung aus Unwissenheit anbietet, aber ansonsten ein sauberes Angebot hat, braucht man weder zu verfolgen noch ausgiebige Checks zu machen. Genauso kann man die osteuropäischen Händler ohne richtige Adresse raushalten, in dem man endlich einen Prozess einführt, dass ein Nachweis erforderlich ist, wo der gute Mensch zu erreichen ist. Banken oder wenn ich z.B. Bitcoins etc. kaufen möchte machen es doch ähnlich. Sie bekommen nicht einfach so ein Bankkonto. Ja, das ist mit Mehraufwand verbunden, nur ist leider die Welt nicht sonderlich nett, was Themen rund um das Geld verdienen (bekommen) ist. Und ja, hier sollte der Gesetzgeber tatsächlich entsprechende Rahmenbedingungen entwickeln, dass eine eindeutige Identifizierung des Verkäufers gegeben ist. Bei eBay als gewerblicher Verkäufer müssen sie den Beweis genauso bringen.

Was die Äußerungen von Charly mir gegenüber betrifft, ist mir das ziemlich wumpe. Ich habe weiter oben geschrieben, dass unsere Positionen so weit voneinander liegen, dass eine Diskussion in keinster Weise mit ihm lohnt. ich kann mit der Vogel-Strauß-Argumentation nichts anfangen und bin durchaus der Auffassung, dass man für Portale generell Mindeststandards einführen muss. Gerade wegen einer kleinen, überaus kriminellen Schar von gefährlichen Betrügern.

Das Thema ist mir sowieso nicht ganz unbekannt, da mir das in meinem Berufsalltag international mit Amazon, Alibaba und Konsorten genauso begegnet. Nur hier haben die Betrüger sehr viel mehr Probleme, weil ein großer Konzern dahinter steht, der sowohl Personal als auch Fertigungsstätten in den Problemländern hat inkl. den entsprechenden Einfluss. Das heißt im Klartext, dass fast alle Betrüger nach einer Zeit Geschichte sind. Der Handelswert bei Briefmarken ist bei weitem nicht so hoch, aber man kann so manchen Missbrauch durch entsprechende Regelungen eindämmen. Den meisten ist sicher bewusst, dass man Fälschungen nicht zu 100% verbannen kann. Aber wenn man gewisse Kontrollregelungen vorschreibt, einführt und überwacht - der Staat ist für die Rahmenbedingungen verantwortlich - dann kann sich eine Plattform nicht mehr so einfach rausreden. Man konnte es gut in den letzten beiden Jahren beobachten: Der UST-Betrug chinesischer Händler im EU-Raum hat stark abgenommen, weil der Staat die Rahmenbedingungen geändert hat und gleichzeitig mit dem Zoll die Händler verfolgte. Und siehe da: Die UST-Einnahmen sind stark gestiegen. Gleichzeitig wurde der unfaire Wettbewerb gegen einheimische Händler etwas verbessert, auch wenn es nicht 100% sind. Werden die Rahmenbedingungen so verschoben, dass für gewisse Formalien kein "ich weiß von nichts, also mach ich nichts" möglich ist, gäbe es auf Delcampe zwar weniger Artikel, aber gleichzeitig auch weniger Fälschungen.

Das ist sehr allgemein geschrieben, hat aber mit dem Umgang von Delcampe mit Fälschungen zu tun. Der Umgang ist katastrophal, weil die EU bis heute keine vernünftigen Rahmenbedingungen definiert hat. Deshalb akzeptiere ich auch nicht den Blödsinn der Bagatellisierer.

Grüße Oliver
 
Quelle: www.philaseiten.de
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