Thema: Altdeutschland Bayern Eingehende Briefe
bayern klassisch Am: 30.07.2020 14:35:51 Gelesen: 164898# 433@  
Liebe Freunde,

die Postverhältnisse Badens zu Bayern sind eher simpel und kennen nur sehr wenige "Knobler". Aber der hier ist wahrlich nicht einfach zu interpretieren, jedenfalls nicht für mich und all die, die ich wegen ihm bisher befragt habe:



Großer Faltbrief ohne Inhalt und Datierung aus dem badischen Heiligenberg, lt. Feuser ab 1836 bekannt, nach Castell in Franken an den Grafen Friedrich Ludwig (Heinrich) zu Castell - Castell.

1. Problem: Der Aufgabestempel hat kein Datum innen, wie sonst immer, was die Möglichkeit zuläßt, dass er hier als Fahrpoststempel eingesetzt wurde. Diese Spezialtitäten gab es in Baden und Bayern hin und wieder.

2. Problem: Wäre es ein Fahrpostbrief gewesen, wäre die Fahrposttaxe in Anwendug zu bringen gewesen, was nicht der Fall war und Manualnummern hat er auch keine.

3. Problem: Der Brief zeigt zwei Mal die badische Taxe von 30 Kreuzern, aber je von anderer Hand geschrieben, wobei die Hand unten die 30 ligaturig schrieb und damit mehr Routine mit Zahlen hatte, als die Hand oben. Aber hätte eine so kleine Poststelle wie die von Heiligenberg tatsächlich 2 Postler gehabt, die denselben Brief noch dazu identisch taxierten?

4. Problem: Der Laufweg ist nicht klar, vermutlich ging es via Stockach, Donaueschingen, Offenburg und Heidelberg nach Würzburg. Ein einfacher Badenbrief durfte bis zu einem 3/4 kölnischen Loth wiegen, demnach wäre er nach der Progression 12, 18, 24 und 30 Kreuzer in der 4. Gewichtsstufe gelegen.

5. Problem: Bayern taxierte nach Münchener Halblothschritten (8,75g) und kam für sich zu einer Taxe von 12 Kreuzern (3x, 4,5x, 6x, 7,5x, 9x, 10,5x und 12x unter 6 Meilen Entfernung von der Grneze), womit er in Bayern in der 7. Gewichtsstufe gelegen hätte - das passt trotz der Gewichtsdifferenzen nicht wirklich gut.

6. Problem: Nachdem man sinnloserweise 2 Auslagestempel in Würzburg für den selben Betrag abschlug, notierte man unter dem Oberen die eigenen 12 Kreuzer, womit wir ein Totalporto von 42 Kreuzern vor uns hätten. Aber man vermerkte keine 42 Kreuzer, sondern tatsächlich 45 Kreuzer, um eben diese wieder zu streichen, ohne einen anderen (richtigen?) Taxbetrag zu vermerken. Möglich wären auch 3 Kreuzer Bestellgeld von der letzten Post (Castell erhielt erst 1857 eine Postexpedition, zuvor war für diesen Ort das 16 km entfernte Kitzingen zuständig) Kitzingen.

Siegelseitig findet sich nur der Halbkreiser von Würzburg vom 28.7.18??, wobei diese Type ab 1834 gelistet ist, so dass wir wohl einen Brief der späten 1830er Jahre vor uns haben sollten.

Absender war wohl, trotz unleserlichem Siegel, Karl Egon II Fürst zu Fürstenberg (1796-1854), Empfänger Graf Friedrich Ludwig Heinrich von Castell - Castell (1791-1875).

Sachdienliche Hinweise auf die o. g. 6 Probleme nimmt jeder bayern klassisch entgegen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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