Thema: Michel Wert gestempelter Bund Neuheiten
petzlaff Am: 26.01.2010 18:09:51 Gelesen: 14739# 11@  
Hallo zusammen,

es immer wieder darauf hin gewiesen, dass Katalognotierungen die Relation zwischen dem Wert der verschiedenen Sammelobjekte darstellen. Ich denke, dass diese Feststellung ein alter Zopf ist, der aus der lange vergangenen Zeit der Universalsammler stammt. Vor 100 Jahren mag das wohl richtig gewesen sein, genauso, wie damals die Katalogwerte wohl tatsächliche Realwerte darstellten.

Heute erscheinen mir die Katalog"werte" eher dazu zu dienen, z.B. bei Auktionen (insbesondere im Internet) auf vermeintliche Schnäppchen aufmerksam zu machen: "Michel 300,-- Euro / Ausruf für nur 5,-- Euro). Das ist aber auch international überall so.

Wenn die Katalogmacher argumentieren, die Preise entsprächen den durchschnittlichen Händlerpreisen inkl. Bearbeitung und Beschaffungsaufwand ist das aus meiner Sicht ein schlechter Scherz. In welcher Handelsbranche bitteschön gibt es heute noch Gewinnmargen von bis zu 100 Prozent? Nehmen wir mal an, dass von der Marge (und das wäre hoch gegriffen) noch 50% als Reinverdienst nach Steuern übrig bleiben, dann ist das immer noch unrealistisch. Wenn ein Händler mit 50% Marge kalkulieren muss, beweist das meines Erachtens nur, dass er dem durch Angebot und Nachfrage bestimmten Markt nicht gewachsen ist, und sein Businessplan einfach nicht stimmt.

Ungeachtet dessen sind natürlich auch viele private Internet-Anbieter nicht in der Lage, die versteckten Nebenkosten (Strom, Telekommunikation, Providergebühren, Auktionsgebühren, Paypalgebühren usw. usw.) und vor allem die mit der Bearbeitung eines Angebots verbundene, oftmals verlorene Zeit in ihr Kalkül einzubringen.

Mein Fazit: Katalogbewertungen (ich sage bewusst nicht "Werte") können eine erste Orientierung bzgl. der möglichen Seltenheit eines Objektes sein. Als kaufmännisch vertretbare Tauschbasis sind sie wohl eher kaum noch zu gebrauchen, und als Dokumentation eines Handelspreises (egal ob zu 100 oder 20 Prozent) auch nicht.

Der wahre Wert der Katalog"preise" offenbart sich erst im Vergleich unterschiedlicher Katalogjahrgänge und unterschiedlicher Kataloge.

Die (klassischen) Numismatiker haben aus dieser Erkenntnis heraus bereits vor vielen Jahren eine weise Entscheidung abgeleitet, indem sie Sammelobjekte heute vielfach nur noch nach Seltenheitsstufen einordnen.

Dies erlaubt eine "von-bis Realwert"-Einstufung, die erstens wesentlich besser Angebot und Nachfrage regelt (ohne in Auktionen auf Katalog"preise" verweisen zu müssen) und zweitens weitestgehend redaktionell überarbeitungsresistent ist.

In Stanley-Gibbons Katalogen gab es früher die Praxis, Marken erst zu bewerten, wenn sie mindestens 2 Jahre alt waren. Das fand ich gut - insbesondere deswegen, weil damals SG-Kataloge echte Verkaufslisten (also Nettokataloge waren).

Einfach nur zum Nachdenken
LG, Stefan
 
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