Thema: Marken bestimmen: Fiskalmarken Deutschland
Reporter Am: 30.11.2020 17:24:18 Gelesen: 6646# 19@  
@ heku49 [#13]

Hallo Helmut,

ich bin erst heute durch Zufall auf dieses Thema gekommen. Ich will erklären, was es mit diesen Marken auf sich hat.

Den deutschen Zeitungsverlegern ging es nach dem Ende des Ersten Weltkrieges schlecht, Zeitungspapier war nicht nur knapp, sondern auch teuer. Am 1. Juli 1922 beispielsweise kostete ein Kilogramm Druckpapier schon das 94fache der Vorkriegszeit.

Im Reichstag wurde befürchtet, dass immer mehr Zeitungen aufgeben müssten und die Presselandschaft (und somit die öffentliche Meinung) deswegen zunehmend uniformierter würde. Das führte im Juli 1922 im Reichstag einstimmig zum Pressenotgesetz. Gleichzeitig wurde die Rückvergütungskasse der deutschen Presse am 15. Oktober 1922 gegründet. Für die Höhe der Rückvergütung war der Papierverbrauch der Verleger entscheidend, wobei mit Anzeigen bedrucktes Papier nicht mitgerechnet wurde. Kleinverleger erhielten eine relativ höhere Rückvergütung. Die Verleger mussten monatlich auf bestimmten Meldebögen Auskunft über ihren Papierverbrauch geben. Die Kasse errechnete auf Grund der Einnahmen die jeweiligen Beträge, die an die Verleger ausbezahlt wurden.

Finanziert wurde das Projekt von den Waldeigentümern, die Holz verkauften. Waldbesitzer (über 10 ha) mussten ein halbes Prozent des Verkaufspreises zahlen, Exporte wurden mit 1,5 Promille belegt. Für die Exporte über 10000 Mark, die keiner Ausfuhrgenehmigung bedurften, wurden die Rückvergütungsmarken geschaffen. Es gab sie anfangs in den Wertstufen 15, 150 und 1500 Mark. Man konnte sie bei der Rückvergütungskasse in Berlin oder auch bei den Postämtern kaufen. Die Gebührenmarken waren auf die Ausfuhrpapiere zu kleben, die der Lieferung beilagen.

Die Situation der Verlage verschärfte sich dennoch von Monat zu Monat. Zahlreiche Zeitungen erschienen nicht mehr, andere nur noch in eingeschränktem Umfang. Es sei abzusehen, beklagte der sozialdemokratische Abgeordnete Richard Fischer am 16. Januar 1923 im Reichstag, dass bald nur noch reiche Leute eine Zeitung herausgeben könnten. Der Preis für Papier war inzwischen schon auf 560 Mark (März 1922: 8,25 Mark) geklettert. Fischers Kollege Carl Anton Piper (Deutsche Volkspartei) formulierte seine Sorge so: "Es ist die große Gefahr, dass unser Volk gerade durch das Absterben der Presse in einem Moment geistig verblindet und ertaubt, wo es alle seine geistigen und politischen Willenskräfte am notwendigsten gebraucht."

Die bisherige Praxis der Rückvergütung erwies sich als unzulänglich. Die Abgabe habe zwar 4,5 Milliarden Mark eingebracht, aber das sei angesichts der Papierpreise nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Reichstagsabgeordnete Dr. Wilhelm Külz, der gleichzeitig Vorsitzender des Verwaltungsrates der Rückvergütungskasse war, warb für die Anhebung der Holzabgabe von 0,5 Prozent nicht nur auf 1,5, sondern gleich auf 2 Prozent. Während die Mehrheit im Reichstag für die 2 Prozent stimmte, blieb die Regierung bei den geplanten 1,5 Prozent.

Am 3. November 1923 wurde das Gesetz über Maßnahmen gegen die wirtschaftliche Notlage der Presse aufgehoben.

Gruß
Uli


 
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