Thema: Philatelie: Sind Sie Sammler oder Philatelist ?
funnystamp Am: 23.02.2010 19:08:19 Gelesen: 67330# 32@  
@ DL8AAM [#27]

Hallo Thomas,

danke für dieses interessante Statement. Ich sehe hier ebenfalls die Basis für einen Philatelisten. So denke ich aber, auch dein Vater ist ein Philatelist, solange er weiter sammelt, auch wenn der Anspruch nur im "einfachen" und bequemen Komplettieren der Neuausgaben ist. Nach dieser Diskussion habe ich einmal einen Altphilologen befragt (über die Bedeutung des Wortes "Philatelie") und auch dieser leitete die Herkunft gemäß der Definition in Wikipedia ähnlich gelagert ab. Entweder das stete Ansammeln von Neuigkeiten, die nicht aufhören, oder eben das Sammeln von "abgabenfreien" (also gestempelten, weil vorab die Beförderungs-Gebühr entrichtet und verbraucht) Werten. Erst in zweiter Linie wurde die Wissenserweiterung genannt.

Scheint es nicht, dass sich manche Menschen ob des Begriffs "Briefmarkensammler" schämen? Sehen sie sich vielleicht auch in einer der kauzigen Rollen, wie diese damals schon Carl Spitzweg liebevoll und humorvoll karikiert hat ? Es gab zwar damals noch keine Briefmarkensammler, aber bereits Kakteensammler und Schmetterlingssammler. So wurde z.B. in einem Karl May-Film der Schmetterlingssammler ulkig karikiert und durch den großen Eddie Arendt bestens verkörpert. Wer möchte denn wie dieser Sammler sein? Wäre es nicht besser, man jagt hinter diesen Tierchen im Dienste der Wissenschaft hinterher?

Kennt nicht jeder den Standardwitz, einer Freundin die Briefmarkensammlung zu zeigen? Ich kenne noch keinen Sammler, der dies gemacht oder zugegeben hätte es damit probiert zu haben. Dennoch ist dies ein Witz mit bis zum Boden reichendem Bart und wird heute noch von "Nicht-Sammlern" am Stammtisch zum besten gegeben.

Und um dem zu entrinnen gebraucht man nun den Begriff Philatelie und erhebt damit den Anspruch, eine banale Sammeltätigkeit durch intensivere Beschäftigung auf eine höhere, quasi wissenschaftliche Ebene, also Forschung zu stellen und dies mit Ausschließlichkeitscharakter?

Weshalb gibt es bei der Post dann den "Philatelieschalter"? Weshalb spricht man in den Fachzeitschriften von "Karton-Philatelie"?. Auch die Post suggeriert mit dem Begriff eine Abgrenzung zum einfachen Sammeln, aber in beiden Fällen wird man wohl nicht mit Spezialitäten aufwarten können, es sei denn, der Zufall beschert einem hier eine Besonderheit.

Also habe ich nochmal in diversen anderen Lexika nachgeblättert, so erscheint zwar dort immer unter dem Begriff "Philatelie" die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Briefmarken ("Briefmarkenkunde"). Aber je gewichtiger und inhaltsdifferenzierter die Werke wurden, um so mehr wurde der Begriff um eine zweite Bedeutung jeweils erweitert, eben um den Begriff "Briefmarkensammeln".

Um auf meine "Forschertätigkeit" zurückzukommen: Ich sehe in der Suche nach den diversen Fehlern z.B. der Schinkel-Ausgabe nur die Freude am Suchen und Finden. Ich denke auch, dass dies niemand sonst interessieren würde und sehe auch keine Veranlassung hier irgend etwas in größerem Rahmen zu veröffentlichen. Ganz ehrlich, ich dachte mir zuerst, was soll man mit dieser Massenware eigentlich anfangen, also habe ich nach Druckvarianten gesucht, mehr aber deswegen, weil ich selbst künstlerisch tätig bin und ein reges Interesse an Drucktechniken habe. So konnte ich zwei Hobbies unter einer Decke vereinen.

Betrachte ich nun konsequent mein Verhalten, so suche ich doch nach fehlerhaft gedruckten Motiven, aber ich erwarte dann, dass die Marke absolut perfekt und sauber ist. Wenn also die Marke "entwertet" wurde (z.B. durch den Stempel "Nachträglich entwertet" oder gar durch ein Kugelschreiberkreuz), ist dann die vom Motiv her fehlerhafte Marke dann nicht mehr sammelwürdig, weil der Postgebrauch hier nicht klassisch sondern verfahrensbedingt "fehlerhaft" ist. Nun da könnte man seitenweise philosophieren. Bin ich jetzt Philatelist, weil ich eine Forschungsarbeit leiste und gleichzeitig ein schlechter Sammler weil in dieser Sammlung auch eine Menge miserabel gestempelter oder beschädigter Marken aufgenommen habe?

Also philososphieren wir weiter über Philatelisten und Sammler. Ich glaube, ich bin ein Philatelist, weil ich zu den kleinen bedruckten Papierchen oder damit beklebten Belegen eine Leidenschaft entwickelt habe, und diese auch mit anderen teile, sonst würde ich auch nicht in diesem Forum schreiben. Ich bin ein Philatelist, weil ich meine Post noch mit nassklebenen Sondermarken beklebe und anderen damit eine Freude machen will, obwohl auch Postlabels in meiner Sammlung sind. Ich glaube ich bin ein Sammler, weil ich versuche unterschiedliche Varianten einer Marke zu entdecken und dazu einiges an Zeit und Geld investiere um diese Sammlung zu erweitern.

Ich bin ein Sammler, der eine Sammlung individuell aufbaut, die er gerne mal durchblättert und stets erweitert.

Ich bin ein Sammler, weil ich auch bewusst immer wieder Marken mit Falz oder Fingerabdrücken auf der Gummiseite in meine Sammlung aufnehme um Sammlungsgewohnheiten anderer Zeiten zu dokumentieren. Ich bin ein Philatelist, weil viele meiner Albenseiten nicht wie ein Briefmarkenalbum aussehen.

lG
Hermann
 
Quelle: www.philaseiten.de
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