Thema: Bund: Frankatur klebt nicht mehr - kein Umtausch möglich ?
drmoeller_neuss Am: 30.12.2020 22:24:38 Gelesen: 3586# 19@  
Rechtlich gesehen ist die Briefmarke ein kleines Inhaberpapier (vgl. §807 BGB). Wenn ich den Stempel entferne, begehe ich Urkundenfälschung (StGB §267). Wie sieht es aus, wenn ich die Gummierung entferne? Ist das eine Verfälschung einer Urkunde?

Das Aufkleben von Marken mittels fremden Klebstoffes auf Postsendungen dürfte rechtlich nicht zu beanstanden sein. Ein entsprechendes Verbot in den AGBs dürfte den Postkunden unangemessen benachteiligen und deswegen unwirksam sein. Da nur die wenigsten Haushalte in Deutschland ein Anfeuchteschwämmchen zu Hause haben, dürfte schon aus hygienischen Gründen die Verwendung eines Klebestiftes geboten sein. Ich sehe keine rechtliche Handhabe der Post, dem Kunden vorzuschreiben, wie er die Marken aufzukleben hat, solange die Marken geprüft und entwertet werden können. Das Aufkleben mit Tesafilm geht natürlich nicht, da die Marken nicht mehr gestempelt werden können.

Anders sieht es aus, wenn die Kinder die Marken mit Kugelschreiber bemalen. Dann sind die Marken entwertet, da Kugelschreiber auch im Postbetrieb zur Entwertung verwendet werden.

Unsere Nachbarn haben diese Frage bereit entschieden: Das Schweizerische Bundesstrafgericht hat entschieden, das die Entfernung der Gummierung keine strafbewehrte Verfälschung darstellt (BSG, Urteil vom 15. Januar 2016, Az. SK 2015-42). Diesbezüglich behandelte Marken dürfen weiter verwendet werden. Im Gegensatz zur deutschen Rechtssprechung stuft die Schweiz Briefmarken immer noch als amtliche Wertzeichen ein.

Dazu schreiben die obersten Schweizer Juristen in der Urteilsbegründung (nein, es ist kein Text der Russen-Frankaturmafia):

Wird die Postsendung nicht zum Versand aufgegeben, so ist die Briefmarke nicht entwertet und kann deshalb zur Frankatur einer anderen Postsendung verwendet werden. Dies kann in der Art und Weise erfolgen, dass die Briefmarke mit dem Trägerpapier aus der Verpackung ausgeschnitten und inklusive Trägerpapier auf eine Postsendung geklebt wird.

[...]

Wurde die Briefmarke bereits verwendet, das Anbringen der Entwertung aber versehentlich unterlassen, indem sie ungestempelt blieb, erfüllt die Vorbereitung zur neuerlichen Verwendung des amtlichen Wertzeichens (z.B. durch Ablösen von einer Postsendung, auf welche sie aufgeklebt wurde) den Tatbestand von Art. 245 Ziff. 1 Abs. 2 StGB nicht (LENTJES MEILI/KELLER, a.a.O., Art. 245 StGB N. 19; NIG-GLI, a.a.O., Art. 245 StGB N. 42). Die Briefmarke ist nicht entwertet – da nicht abgestempelt – und kann zur Frankatur einer anderen Postsendung verwendet werden. Möglich ist, die unentwertete Briefmarke mittels warmem Wasser vom Trägerpapier – z.B. einem "Rückläufer" – zu lösen, zu trocknen, auf eine neue Postsendung aufzukleben und diese zum Versand aufzugeben. Ein solches Vorgehen erfüllt den Tatbestand von Art. 245 StGB nicht, handelt es sich doch um die Verwendung eines gültigen Wertzeichens. Mit einer solchen Vorbereitung zur neuerlichen Verwendung ist jeweils die Entfernung des Gummis (Klebstoffs) verbunden. Der Umstand, dass die unentwertete Briefmarke vom Trägerpapier gelöst und die Gummierung damit entfernt wurde, stellt keine Fälschungs- bzw. Verfälschungshandlung dar.

Nach dem Gesagten kann umso weniger eine ungummierte Marke, welche noch gar nicht verwendet wurde, mitunter die Gegenleistung der Post, nämlich die Be-förderung des Briefes, noch gar nicht in Anspruch genommen wurde – und daher auch nicht abgestempelt wurde – tatbestandsmässig sein. Ungummierte, noch nicht bestimmungsgemäss verwendete Briefmarken sind daher weiterhin gültig, da sie noch nie bestimmungsgemäss verwendet und daher auch nicht entwertet wurden. Das Entfernen der Gummierung stellt somit keine Fälschungs-, Verfälschungs- oder Entwertungshandlung dar (TPF pag. 2-925-067).


Auch eine interessante Fragestellung ist, ob überhaupt die Gewährleistung (Sachmängelhaftung) bei Briefmarken greift. Muss man da unterscheiden, ob die Marken am Postschalter gekauft wurden (da dürfte die Funktion als kleines Inhaberpapier zur Zahlung von Postgebühren im Vordergrund stehen), oder ob die Marken über die Versandstelle geliefert wurden (da dürfte die Funktion als Ware überwiegen, d.h. Reklamationsrecht bei Zähnungsmängeln, Fingerabdrücken etc.)?

Die Gewährleistung beträgt aber nur 3 Jahre nach Kauf, die Frist ist bei den hier diskutierten Marken längst abgelaufen. Die Post kann sich auf Verjährung berufen und den Umtausch ablehnen.
 
Quelle: www.philaseiten.de
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