Thema: Schweiz: Portomarken
ChristianSperber Am: 01.01.2021 16:03:04 Gelesen: 16201# 60@  
Ein rätselhafter Beleg Pakistan - Schweiz

Der abgebildete Dienstbrief aus Pakistan mit Aufgabestempel vom 30. März 1948 (Ort unlesbar) ist rückseitig mit Dienstmarken zu insgesamt 42 Annas frankiert. Dies entsprach einer Sendung der dritten Gewichtstufe zwischen 1 und 1 1/2 Unzen (siehe meinen vorstehenden Beitrag) und der Gewichtsangabe 31 Gramm auf der Vorderseite.

Es wurde Schweizer Nachporto in Höhe von sFr 5,75 erhoben (Stempel Genève, Nations Unies, 6. April 1948).



Scheinbar ist der Beleg richtig frankiert. Beim Erwerb des Stückes vermutete ich, dass die Dienstmarkenfrankatur nicht anerkannt worden ist. Die pakistanischen Dienstmarken durften nur für Sendungen im Inland und ins Commonwealth verwendet werden. Die Regelung war ein Relikt aus der Kolonialzeit und kaum bekannt [1], so dass die Verwendung von Dienstmarken oft unbeanstandet blieb.

Nun noch einige Einzelheiten zum vorliegenden Beleg:

Leider hat ein Banause (früherer Besitzer) den Brief rechts um ca. 4,5 cm gekürzt. Dies habe ich durch Vergleich mit einem entsprechenden vorgedruckten Dienstumschlag (On his Majesty's Service) aus meiner Sammlung festgestellt. Vielleicht wurden so wichtige Angaben zum Verständnis des Beleges vernichtet.

Die Anschrift lautet (teilweise verdeckt bzw. beschnitten)
The Director of Notification Services
Interim Commision of the Wo..
Palais des Nations
Geneva
Switzerland

Die WHO (World Health Organization) hatte seinerzeit eine Interim Commission, und Britisch-Indien war Gründungsmitglied. Ich bin mir aber nicht sicher, ob der Brief auch an eine andere internationale Organisation gegangen sein könnte.

Eine Absenderangabe kann ich nicht feststellen. Sie würde sich normalerweise vorderseitig links unten befinden und wäre von den Portomarken verdeckt. Die Absenderangabe hätte auch die Unterschrift des Registraturbeamten aufweisen müssen.

Vorderseitig befindet sich ein großes blaues T und die Angabe 575 in schwarz (überwiegend von den Portomarken verdeckt).

Rückseitig befinden sich eine beschnittene Berechnung 14 * 3 = 42 (entspricht der Frankatur) und eine weitere Berechnung, beginnend mit "25", die sich mir nicht erschließt.

Ich meine, dass das Nachporto einem Fehlbetrag von 25 Annas entsprach (Formel wie in den vorherigen Beiträgen):

2 * 25 Annas * 40 Rappen / 3,5 Annas = 571,4 Rappen => aufgerundet 5,75 Franken

Ich kann mir aber nicht vorstellen, wie man auf den Fehlbetrag von 25 Annas gekommen ist.

1. Ansatz: Behandlung als unfrankierter Brief, der aber tatsächlich mit Luftpost befördert worden ist

Könnte der Vermerk "T 575" ein pakistanischer Taxvermerk in Goldcentimes sein? Dann stimmt aber nur die Größenordnung (richtig wären anhand mir vorliegender belege aus 1948 je Anna Fehlbetrag 14 Goldcentimes, insgesamt 588 Goldcentimes). Eine Nachgebührenerhebung in Höhe der Goldcentimes wäre aber falsch.

42 Annas Fehlbetrag würden nach obiger Formel ein weitaus höheres Nachporto erfordern. Ebenfalls der Ansatz, das Doppelte der Schweizer Gebühr anzusetzen [2). Das Schweizer Porto für einen entsprechenden Brief nach Pakistan betrug meines Wissens 45 + 20 + 7 * 60 Rappen = 4,85 Franken [3].

2. Ansatz: Veraltete Informationen zu den Postgebühren

Im vorherigen Beitrag habe ich ein entsprechendes Beispiel gezeigt, und daher wollte ich den Weg weiterverfolgen.

Die Vorgängergebühr Britisch-Indien - Schweiz betrug 1946:

für den See- und Landweg: 3,5 Annas bis 1 Unze, 2 Annas je weitere Unze
Luftpostzuschlag: 20 Annas je 1/2 Unze

Im Juni 1947 erfolgte die Umstellung auf die inklusive Rate von 14 Annas je 1/2 Unze [4].

Vor Juni 1947 hätte der Brief also 3 1/2 + 2 + 3 * 20 = 65 1/2 Annas gekostet.

23 1/2 Annas entspricht aber auch nur der Größenordnung des Fehlbetrages von 25 Annas. Rechnet man mit 2 * 3 1/2 Annas für den Seepostanteil , würde es rechnerisch aufgehen.


Die Hypothese der Anwendung der veralteten Gebühr überzeugt mich aber auch nicht wirklich. Eine derartige Beanstandung von Briefen 1947 / 1948 ist mir nie zuvor aufgefallen.

Hat ein Mitleser eine Idee zu der erfolgten Nachgebührenerhebung oder einen anderen Beitrag zur Lösung dieses Rätsels?

Vielen Dank an alle Beitragenden, und alles Gute!
Christian

[1] Siehe hiezu meinen Beitrag im Indien-Report 104 (Januar 2011), S. 20 http://www.fg-indien.de
[2] Michael Furfie: Postage Due in Switzerland. The Basics. Postage Due Mail Study Group Journal 2 (Juni 1997)
[3] Kohl in Postgeschichte 62 (April 1995)
[4] Jeffrey Brown: Indian Airmail Postage Rates until 1956.
 
Quelle: www.philaseiten.de
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