Thema: (?) (6/12) Gehören Marken mit Maschinen-Abklatsch in den Michel-Katalog ?
marc123 Am: 20.01.2021 17:18:21 Gelesen: 4912# 1@  
Maschinen-Abklatsch bzw. Leerlauf-Abklatsch auf Luxemburger Wappenmarken

Es kommt selten vor, dass Wappenmarken der geschnittenen Ausgabe von 1859 auf der Rückseite bedruckt sind. Bekannt sind sie auf vier Werten. Auffällig ist, dass das Phänomen bis jetzt nur bei Marken der ersten Auflagen der geschnittenen Ausgabe bekannt ist. Alle rückseitig bedruckten Marken wurden dementsprechend Ende 1859, bzw. 1860 (2 Centimes) gedruckt (Tab. 1 u. 2).

Gemeinsam haben alle, dass:

- der Druck auf der Rückseite bei weitem schwächer ausfällt als auf der Vorderseite,
- es sich vorder- und rückseitig um den gleichen Wert handelt,
- das Markenbild der Vorder- und Rückseite absolut deckungsgleich ist
- und der Druck auf der Rückseite spiegelverkehrt ist.

Sind die Marken ungebraucht und noch gummiert, befindet sich der rückseitige Druck unter der Gummierung (Abb. 3), was beweist, dass der Druck auf der Rückseite vor der Gummierung stattgefunden hat. Der rückseitige Druck tritt nicht bei allen Marken gleich stark hervor.

Definition und technisches Zustandekommen



Abb. 1. Maschinen Abklatsch auf der 9 Kreuzer Österreichs

Die zweisprachigen Prifix-Kataloge benutzen den Begriff „impr. recto verso“ bzw. „rückseitig bedruckt“. Auch Raymond Goebel bezeichnet die drei weiter unten gelisteten Exemplare aus der „Melusina-Sammlung“ als „impression recto/verso“. Diese Bezeichnung ist nicht falsch, sagt aber nicht aus, wie diese wenigen Marken rückseitig bedruckt wurden und was die Ursache ist. Klarheit schafft hier das Ferchenbauer-Handbuch. Das gleiche Phänomen kommt nämlich bei den ersten Marken Österreichs (Abb. 1), sowie denen aus der Lombardei und Venetien vor. Ferchenbauer[1] spricht hier von einem „Maschinen-Abklatsch[2]“ dessen Ursache er wie folgt erklärt und beschreibt: „Bei Leerlauf der Druckmaschine entstand bei den folgenden Druckbögen ein mehr oder weniger starker Abdruck des Markenbildes auf der Rückseite; und zwar handelt es sich stets um ein aufrechtstehendes, seitenverkehrtes Bild, das sich immer mit der Vorderseite deckt“. Weiter merkt er an, dass diese bisher als „Maschinen-Abklatsch“ bezeichnete Erscheinung besser als „Leerlauf-Abklatsch“ bezeichnet werden sollte. Die Beschreibung passt exakt mit dem rückseitigen Druck auf den Wappenmarken überein.

Die Luxemburger Wappenmarken wurden wie die ersten Marken Österreichs und Lombardei und Venetien im Buchdruckverfahren hergestellt. Die Firma C. Naumann aus Frankfurt am Main erhielt 1859 den Auftrag zum Druck der Luxemburger Wappenmarken. Naumann druckte auch die Marken von Thurn und Taxis bis 1867. Im Michel Deutschland-Spezial von 2019 (Seite 264), wird bei der ab Januar 1860 erschienenen 9 Kreuzer, also im Zeitraum der von uns vorgestellten Marken, die Abart „Druck auf Vorder- und (leicht) auf Rückseite“ bei den gestempelten Marken von Typ I und II bewertet. Dies allerdings zum 25- bzw. 30-fachen Preis der Normalmarke, was einem Vielfachen der Bewertung der Luxemburger Abart im ehemaligen Prifix entspricht (siehe weiter unten).

Zu ergänzen gilt noch, dass der BPP[3] in seiner philatelistischen Begriffsbestimmung unter Punkt 6.10, unter Qualität/Farbabklatsch diesen als „Druckzufall, nicht aber als Mangel“ ansieht, bei dem „ästhetische Gesichtspunkte hierbei keine Rolle spielen“. Weiter entspricht die Beschreibung des BPP in etwa der Ferchenbauers, mit der interessanten Ergänzung, dass nach dem Leerlaufdruck die Druckfarbe auf der spiegelverkehrten Rückseite nach dem ersten Bogen“ … bei den nachfolgenden Bogen in zunehmend abgeschwächter Form aufgebracht“ wird. Dies erklärt die unterschiedlich starke Anbringung des Druckes auf der Rückseite unserer Wappenmarken.

Wir schlagen daher vor, auch für die rückseitig bedruckten Wappenmarken der geschnittenen Ausgabe die Begriffe Maschinen- bzw. Leerlauf-Abklatsch zu verwenden.

Verwechslungen mit Probedrucken



Abb. 2. Mehrfach rückseitig bedruckter Andruck von Brück

Im zweiten Band des „Grosses Handbuch der Philatelie von Karl Lindenberg (Leipzig 1890-1896, 399)[4], werden bereits „Marken die mehrmals auf der Rückseite bedruckt sind, als „wertloses Makulaturpapier“ bezeichnet, allerdings werden sie fälschlicherweise der Ausgabe von 1859 zugeschrieben. Rückseitig bedruckte Probedrucke existieren bekanntlich nur bei der Lokalausgabe von Brück. Diese werden in den Prifix-Katalogen der banque du timbre bei den Probedrucken der Lokalausgabe erwähnt, allerdings nicht bei welchen Werten sie vorkommen. René Muller und Olivier Nosbaum [5] katalogisieren nur die bekannten Probedrucke, und erwähnen folgende rückseitig bedruckte Probedrucke der Lokalausgabe: die 4 Centimes grün; die 10 Centimes grau; die 12½ Centimes rosa und die 25 Centimes blau. Diese Probedrucke unterscheiden sich allerdings grundlegend von den Marken mit Maschinen-Abklatsch. Sie sind auf beiden Seiten meistens gleich stark bedruckt, oft mehrfach, nicht spiegelverkehrt und absolut nicht deckungsgleich, sondern versetzt. Hier haben wir es mit einem komplett unterschiedlichen Phänomen, nämlich mit der Makulatur von Andrucken zu tun. Verwechselbar ist wegen der Farbe nur annähernd die 12½ Centimes (Abb. 2), was gelegentlich auf Auktionen festzustellen ist.

Registratur



Abb. 3. Inventar Nr. 2



Abb. 4. Inventar Nr. 10

Inventar Nr. Wert Gummierung Kontrolldatum Sammlung
1 2 Cent. Ja 29.11.1860 Schaack
2 2 Cent. Nein Nosbaum
3 2 Cent. Ja Melusina[7]
4 2 Cent. ? Scholtes
10 30 Cent. Nein 21.9.1859 Nosbaum
12 30 Cent. Nein Seligson/Melusina[8]
13 30 Cent. Nein Seligson[9]
 


Tab. 1: Registratur der uns bekannten ungebrauchten Exemplare Wappenmarken mit Maschinen-Abklatsch

Inventar Nr. Wert Stempelort Stempeltyp Kontrolldatum Sammlung
5 10 Cent. Luxembourg Petit Français 29.11.1860 Nosbaum
6 10 Cent. Luxembourg 9 Balken Scholtes
7 12½ Cent. Luxembourg Petit Français 21.9.1859 Seligson/Melusina[10]
8 12½ Cent. Luxembourg Petit Français Nosbaum
9 30 Cent. ? Petit Français 21.9.1859 Scholtes
11 30 Cent. Luxembourg Petit Français Nosbaum
14 37½ Cent. Troisvierges Petit Français 12.10.1859 Nosbaum
 


Tab. 2: Registratur der uns bekannten gestempelten Exemplare Wappenmarken mit Maschinen-Abklatsch


Abb. 5. Inventar Nr. 5


Abb. 6. Inventar Nr. 8


Abb. 7. Inventar Nr. 11


Abb. 8. Inventar Nr. 14

Aufnahmen in den Katalogen

In den nur in zwei aufeinanderfolgenden Jahren herausgegebenen „Catalogue officiel de la Société de Timbrologie“ von 1904 und 1905 steht bereits beim 30 Centimes als Variante „double impression“ ohne Preisnotierung. Dem folgt die 6. Auflage des Freimarken-Katalog von Paul Kohl aus dem Jahr 1906 mit der Bezeichnung „Dopp. Druck“, allerdings ohne Bewertung. Von Hans von Rudolphi[11], der als Hauptbearbeiter des „Handbuch der Briefmarkenkunde“ – der Fortführung des Kohl Handbuchs – gilt, wird dann der Begriff „Doppelseitiger Aufdruck“ benutzt. Die 30 Centimes wird erstmals 1927[12] in den Katalogen der UTL aufgenommen, die 12½ Centimes kommt 1953 in der 30. und letzten Ausgabe der UTL hinzu. 1963/64 kommt dann in den Prifix-Katalogen die 2 Centimes hinzu. 1972 nahm der Prifix die 37½ Centimes auf und erst 1982 die 12½ Centimes, die wie bereits erwähnt schon vorher in dem letzten Katalog der UTL aufgenommen wurde. Die 10 Centimes fand unseres Wissens nie eine Erwähnung in einem Katalog. Vieles spricht dafür, dass wir hier jeweils von Erstentdeckungen bzw. Meldungen sprechen.

Auffallend ist, dass die rückseitig bedruckten Marken jeweils gleichzeitig eine Bewertung für gestempelt und ungestempelt erhielten, eine Tatsache, die bei einer Neuentdeckung von einer einzelnen Marke bekanntlich unmöglich erscheint. Bis heute kennen wir nur die 30 Centimes in beiden Formen. Interessant in diesem Zusammenhang ist ein kleiner Zettel, der der 37½ Centimes-Marke beiliegt. Auf dieser befindet sich eine Anschaffungsnotiz von Raymond Goebel (Abb. 9) aus dem Jahr 1972, exakt dem Jahr der Aufnahme in den Prifix-Katalog. Vieles spricht dafür, dass die Aufnahme in den Katalog dieser Marke zu verdanken ist, die im Moment wohl als Unikat zu betrachten ist.



Abb. 9. Notiz von Raymond Goebel bzg. der 37½ Centimes-Marke die wohl als Unikat gilt.

Bedeutung

Die Wappenmarken mit Maschinen-Abklatsch sind sehr selten. Sie werden anders als z.B. im österreichischen Sammelgebiet literarisch so gut wie nicht erwähnt, der technische Prozess, der zu deren Entstehung führte, scheint nicht bekannt gewesen zu sein. Auf Auktionen waren sie so gut wie nie anzutreffen, mit Ausnahme der Sammlungen Seligson und „Melusina“. 2009 werden sie letztmals im Prifix katalogisiert. Die Bewertung, die in der Regel in etwa dem Doppelten der „normalen Marken“ entspricht, erscheint im Bezug auf die Seltenheit lächerlich. Wir möchten nicht behaupten, dass unsere Registratur von 14 Exemplaren als vollständig zu betrachten ist, wir glauben aber auch nicht, dass sie noch um viele Exemplare ergänzt werden wird.

Marc Schaack Olivier Nosbaum


[1] U. Ferchenbauer, Österreich 1850–1919. Spezialkatalog und Handbuch (Wien 1990), 5. Aufl., 124.

[2] Ein Bogenabklatsch, bei dem druckfeuchte Bögen nicht getrocknete Farbe auf die darüberliegenden Bögen abgeben, kommt bei den Wappenmarken nicht in Frage, da in diesem Fall das Markenbild in der Regel nicht deckungsgleich ist.

[3] Begriffs­lexikon der Philatelie. Philatelistische Begriffsbestimmungen und Erläuterungen. https://www.bpp.de/wissen/philatelistische-begriffsbestimmung/ (Stand 15.1.2021).

[4] Die Luxemburg Lieferung wurde angekündigt in „Der Philatelist“ (Dresden), vom 15. Juni 1890.

[5] R. Muller et O. Nosbaum, Les timbres-poste du Grand-Duché de Luxembourg. Essais & Epreuves Retouches Réimpressions (Luxemburg 2014).

[6] J.-P. Reis, Statistique historique du Grand-Duché de Luxembourg – Administration des postes et des télégraphes – histoire des postes, des télégraphes et des téléphones (Luxembourg 1897), 218-220.

[7] Sammlung „Melusina I“: Soluphil 110, 20.2.2009, Los 962.

[8] Sammlung Seligson: Corinphila 68, 25–30.10.1982, Los 5234; Sammlung „Melusina III“: Soluphil 113, 23.4.2010, Los 1221.

[9] Sammlung Seligson: Corinphila 68, 25–30.10.1982, Los 5235.

[10] Sammlung Seligson: Corinphila 68, 25–30.10.1982, Los 5213; Sammlung „Melusina III“: Soluphil 113, 23.4.2010, Los 1268.

[11] Verein Handbuch der Gemeinschaft der Briefmarkenkunde e. V. (Hrsg.), Handbuch der Briefmarkenkunde (Berlin 1944), 18.

[12] Der Prinet-Katalog nimmt sie erst in der 7. Ausgabe von 1948 auf.
 

Quelle: www.philaseiten.de
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