Thema: (?) (2894) Altdeutschland Bayern: Schöne Belege
bayern klassisch Am: 04.02.2021 12:45:48 Gelesen: 505889# 2056@  
@ Saxendreier [#2055]

Hallo Dietmar,

gute Fragen!

Marken wurden zu Öffnungszeiten der lokalen Poststellen abgegeben - je größer die Poststelle war, je länger hatte sie auf, je mehr Marken konnten von der Kundschaft gekauft werden. Entgegen landläufiger Meinung mussten die Postler nicht die Marken auf die Briefe kleben, nachdem sie das entsprechende Franko (Entfernung, Gewicht, Postvertrag, Leitweg ins Ausland usw.) ermittelt hatten, sondern hatten nur die Marke(n) zu verkaufen und die Kundschaft die Pflicht, selbige korrekt zu applizieren und in den Expeditionsbriefkasten einzuwerfen. Aber natürlich gab es keine Unmenschen bei der Post und man hat älteren Damen auch mal gerne einen kleinen Dienst erwiesen und die Marke(n) selbst auf den Briefen befestigt.

Stadtbriefträger hatten auch die üblichen Nominalen mit sich zu führen und ohne Aufpreis zu verkaufen - das waren damals 1, 3 und 6 Kreuzermarken - höhere Nominalen nicht, weil die nicht nachgefragt wurden und man vermeiden wollte, dass Postler auf ihren Botengängen zu viel Geld bzw. zu viel Geldwert mit sich herumschleppen mussten.

Ab 1.10.1858 in der Rheinpfalz, ab 1.10.1860 im restlichen Bayern wurde der Dienst der Landpostboten eingeführt, womit auch kleine Orte in den Genuß einer postalischen Aufmerksamkeit kamen. Die jeweiligen Landpostboten (Ruralboten auch genannt) hatten immer ein übliches Quantum an Freimarken bei sich zu führen und diese ohne Aufschlag dem Publikum zu verkaufen. Später hatten sie auch Ganzsachen (3 Kreuzer Kuverts und Postkarten) mit sich zu führen und diese stets nur zu den amtlichen Preisen abzugeben.

Tante Emma Läden hatten keine Briefmarken, es sei denn, der Eigentümer eines solchen Geschäfts (Gemischtwarenladen, Colonialwaren etc.) hatte sich bei seiner Post mit Marken versehen und gab diese, zu welchem Preis auch immer, an seine Kundschaft ab, ein Service gewissermaßen.

Zu Hause war es sicher nicht einfach, für Auslands- oder gar Überseebriefe die richtigen Marke(n) zu finden, aber i. d. R. hatte man auch als Privater seinen Bekanntenkreis, dem man schrieb, Firmen ihre alten Kunden und da wusste man, was zumindest ein einfacher Brief kostete. Der war übrigens leicht zu wiegen - einfach war er, wenn er nicht schwerer war, als ein Ein-Gulden-Stück, so dass das fast jeder zuhause nachprüfen konnte. Für gewissen Länder galten natürlich andere Gewichte, da musste man sich auf der Post seine Briefe abwiegen lassen, um das treffende Franko zu ermitteln, aber Ende der 1850er Jahre kamen Broschüren und Büchlein auf den Markt (immer von Postbeamten, die dafür die Erlaubnis vom Ministerium erhalten hatten), in denen nach Destinationen und Laufwegen die korrekten Frankosätze ausgewiesen waren. Diese Büchlein kosteten 30, 36 oder mehr Kreuzer und waren primär für Firmen mit zahlreicher Auslandskundschaft gedacht, die nicht wegen jedes einzelnen Briefes eine halbe Stunde auf der Post anstehen wollten, um das Franko zu klären, wodurch sie sich rasch bezahlt machten (auch damals war Zeit schon Geld!). August Steidle war so einer, aber es gab auch andere, die damit neben dem Salär noch ein bischen Geld dazuverdienen konnten.

Ganz am Anfang wurden die Marken an die Postexpeditoren (heute: Subunternehmer) mit 5% Abschlag geliefert, so dass diese bestrebt waren, möglichst viele Marken zu verkaufen, denn man wollte ja überall, nicht nur in Bayern, den Markenverkauf (amtlich "Markenverschleiß") popularisieren. Bei Bayern brauchte es aber von 1849 bis 1865, ehe es mehr frankierte Briefe, als Unfrankierte gab, sagt uns jedenfalls die Statistik.

Eine Möglichkeit auf Pump zu frankieren gab es noch und zwar für die angesehenen Mitglieder einer Gemeinde, die ein Postfach ihr Eigen nannten. Das kostete im Jahr 5 Gulden an den Expeditor, aber 10 Gulden, wenn man anschreiben lassen wollte, also Sendungen mit Porto belegt ins Postfach liefen, oder eigene Briefe verschickt werden sollten, ohne dass man selbst dafür Marken kaufen musste. Das hat die Post dann für den Postfachinhaber (früher: Postgefachhinahber) erledigt und am Monatsende die von ihr ausgelegten Beträge per Quittung gegen Unterschrift des Kunden eingezogen. Das war praktisch, aber 5 Gulden Aufpreis legen nahe, dass dies auch nur privilegierte Menschen oder Firmen waren, die dieses Angebot nutzten.

Für weitere Fragen, sollte ich nicht alle hinlänglich beantwortet haben, stehe ich dir gerne zur Verfügung.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/1262
https://www.philaseiten.de/beitrag/258149