Thema: Altdeutschland Bayern Eingehende Briefe
bayern klassisch Am: 19.04.2021 10:22:21 Gelesen: 138220# 489@  
Liebe Freunde,

was immer auch das hoffentlich segensreiche Jahr 2021 mir noch bescheren möge, den Brief des Jahres habe ich bereits heuer gefunden und ich darf ihn hier stolz präsentieren.

Prolog: Das Wertvollste, was ein Postgeschichtler, der Postverträge sammelt wie ich, zeigen kann, sind Belege vom 1. Tag eines jeden Vertrages, auch wenn das in 99 von 100 Fällen heute mangels Masse leider nicht mehr möglich ist. Aber ab und zu hat man Glück, jedenfalls dann, wenn einen das Pech verläßt.

Am 1.7.1858 trat zwischen Bayern und Frankreich ein neuer, epochaler Postvertrag in Kraft, der erst am 16.5.1872 (!!) durch einen Neuen ersetzt wurde, jetzt aber nach dem Krieg gegen Frankreich mit ganz anderen Kennzahlen und vom Deutschen Reich abgeschlossen, was Bayern nur abnickte, weil es keine gemeinsame Grenze mehr gab.



An just diesem Tag schrieb man in Erstein einen Brief an "Madame la Baronne de Kesling Née Baronne de Perfall à Wildenberg Bavière Près Siegenburg Nieder Bayern". Der Scan hat leider den vollständigen Luxusabschlag von Erstein oben etwas verkürzt, wofür ich mich im Namen der Technik entschuldige.

Portobriefe nach Bayern waren aber, wie bisher schon, von französischen Taxen frei zu lassen, da Bayern seine eingehenden Portobriefe natürlich in Kreuzern taxierte, wie Frankreich eingehende Portobriefe aus Bayern mit Decimes taxierte - und doch stempelte hier Frankreich (Erstein oder Strasbourg) mit einem 18 Decimes - Stempel mittig in schwarz, der eigentlich für die eingehende Korrespondenz aus Indien vorgesehen war und 18 Decimes darstellen sollte. Aber irgendwie scheint man schon am Tag des Inkrafttretens des neuen Vertrages gewusst zu haben, dass einfache, bis 10g leichte Portobriefe aus Frankreich nach Bayern dort 18 Kreuzer kosteten und zweckentfremdete diesen Stempel, wie wir es mehrfach schon sehen konnte.

Über Strasbourg und Augsburg, quer durch Baden und Württemberg, instradierte er Bayern und in Augsburg wurden 18 Kreuzer Gesamtporto in blauer Kreide notiert, weil man mit dem schwächlich abgeschlagenen 18-Stempel der Franzosen zuerst einmal nichts anfangen konnte. Nichts anfangen konnten auch die später involvierten Poststellen mit diesem Brief nichts, denn sie ließen ihn hinten blank, wie Augsburg auch - war wohl alles zuviel für so einen frühen Postvertrag. Es ist der bisher einzige Brief, den ich in beiden Richtungen kenne, der den Ersttag zeigt und das nach 35 Jahren. Auf einen Zweiten zu hoffen dürfte die Grenze der Realität sprengen ... aber man weiß nie.

Portoteilung intern: 60% für Frankreich, 40% für Bayern.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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