Thema: Philatelie in der Presse - Aus den Vereinen
Richard Am: 09.04.2010 14:08:24 Gelesen: 1168640# 309@  
Seit 100 Jahren eine Marke

Von Tankred Stachelhaus

Der Westen, Essen (26.03.10) - In jedem Sammler steckt auch ein Jäger. Günther Wrobel hat sich an die Fersen eines Handlungsreisenden geheftet, der sich im Jahre 1750 von Lindau aus ins Schweizerische Chur aufmachte und dabei Österreich durchquerte.

Dessen „Fuhrmannsbrief“ ziert nun die Sammlung. Zum 100-jährigen Bestehen des „ Briefmarkensammler-Vereins“ gehört das historische Begleitschreiben für den Grenzübertritt aus dem Besitz des Vereinsvorsitzenden zu den „Stars“ der morgigen Jubiläumsveranstaltung.

Der Verein selbst ist eine Marke: 1910 von Kuppianern im höheren Dienst gegründet, wuchs er schnell auf 60 Sammler an. Er war nicht der älteste Verein, das ist der Essener Philatelisten-Verein 1892, aber seine Mitglieder haben die Gummierung wie Blut geleckt: Zum 25-jährigen Jubiläum brachte der Verein 1935 mit dem „Westdeutschen Philatelistentag“ die Freunde der Zacken auf Zack. In der „Kruppschen Bierhalle“ auf dem Kronenberg gab’s die erste Essener Großveranstaltung für Briefmarkensammler. Mit dem Zweiten Weltkrieg kam das Vereinsleben zum Erliegen: das Vereinsheim war zerstört, die Bücherei abgebrannt – und mit der Post brachte man mehr Nachrichten von Verwandten als Nachschub für die Sammlung in Verbindung.

Neue Sammelgebiete

1946 trafen sich dennoch eine Handvoll Mitglieder für einen Neuanfang. Die Vereinschronik beschreibt, aus welchem Blick sie die geschichtlichen Ereignisse sahen: „Durch die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen entstanden neue interessante Sammelgebiete.“ Schon in den nachfolgenden Jahren lockten viele vom Verein mitorganisierte internationale Großtauschtage und Ausstellungen die Sammler nach Essen. Die Stadt galt bis in die 1980er-Jahre hinein als „Mekka der Philatelie“. Bis heute trifft sich der Verein einmal im Monat – und jedes Mal gibt’s ein Referat für die rund 40 Mitglieder. Letztes Mal ging’s um das neue Sammelgebiet ATM, das Kürzel für Automarkenmarken. Wrobel erklärt, dass die Automaten, die vor Postämtern herumstehen, oft nicht richtig funktionieren – und laufend Fehldrucke produzieren, zum Leid der Kunden, zur Freude der Sammler.

Wrobel selbst hat keinen Überblick mehr, wie viele Marken er hat. Nur auf Ordnung achtet er. „Für Chaoten ist Sammeln nichts.“ Als Bub fing er an, Briefmarken mit Kleister in Notizbücher zu kleben. Erst im Verein, dem er 1963 beitrat, lernte er „richtig zu sammeln“. Seine große Leidenschaft sind ganze Briefe, „da sieht man viel mehr Geschichte.“

Seit 33 Jahren steht der nun 80-Jährige dem Verein vor. Das jüngste Mitglied ist 50 Jahre alt. Vorbei sind die Boom-Zeiten, als es am Kiosk neben Kaugummi exotische Briefmarken zu kaufen gab. Der potenzielle Vereinsnachwuchs beschäftigt sich lieber „mit elektronischem Kram“, sagt Wrobel. Dabei sei Briefmarkensammeln eine Leidenschaft, die nicht teuer ist – sofern man es nicht auf die blaue und rote Mauritius abgesehen hat, die zuletzt auf einem Brief für gut 7,5 Millionen Euro den Besitzer gewechselt haben. Bei der Jubiläumsveranstaltung mit Tauschtag am morgigen Sonntag im Bildungspark Essen, Comin-Haus, Karolinger Straße 92, gibt’s von 9 bis 15 Uhr weniger teure, aber nicht minder interessante Marken zu sehen.

Wer weiß? Vielleicht bleibt ja ein Besucher beim Verein kleben.



Günther Wrobel

(Quelle: http://www.derwesten.de/staedte/essen/Seit-100-Jahren-eine-Marke-id2792476.html )
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/491
https://www.philaseiten.de/beitrag/26664