Thema: Altdeutschland Bayern Eingehende Briefe
bayern klassisch Am: 15.05.2021 13:22:13 Gelesen: 134398# 502@  
Liebe Freunde,

heute zeige ich einen unglaublichen Brief aus Perpignan vom 8.6.1871 nach Würzburg, dort unter Würzburg II (Bahnhof) am 13.6.1871 angekommen.



Der Absender frankierte 2 mal 10 Centimes, jedoch kostete ein einfacher, bis 10g schwerer Brief bereits 40 Centimes, womit der Brief deutlich unterfrankiert war. Unterfrankierte Briefe waren mit entsprechenden Vermerken ("Affranchissement insuffisant") zu kennzeichnen, wobei es dann Aufgabe der Zielpost war, den Markenwert (20 Centimes entsprachen postalisch 6 Kreuzern) von der Gebühr eines Portobriefes (18 Kreuzer Porto = 60 Centimes) abzuziehen und die Differenz zu kassieren (hier: 60-20 = 40 Centimes = 12 Kreuzer Nachporto). Da jedes Franko bzw. Porto im Verhältnis 40% für Bayern und 60% für Frankreich zu teilen war, waren unterfankierte Briefe in der Briefkarte Forbach - Würzburg zu erfassen und nach Beikassierung des fehlenden Betrages der Aufgabepost zu bonifizieren.

ABER: Frankreich hatte P.D. gestempelt und damit war Bayern die Möglichkeit genommen, den Brief mit 12 Kreuzern nachzutaxieren. Vermutlich hatte man in Frankreich in den Abendstunden die beiden braunen 10 Centimes-Marken mit orangen 40 Centimes-Marken verwechselt und so an einen Brief über 10 bis 20g gedacht, wofür 80 Centimes das treffende Franko darstellten.

Halten wir fest, dass Frankreich nur 20 Centimes kassiert hatte, so fehlten jetzt folgende Beträge in der Kasse:

Portobrief 18x = 60 Centimes, davon für Frankreich 60% = 36 Centimes = 11x und 40% für Bayern, also 24 Centimes = 7 Kreuzer.

Es ist zu vermuten, dass im Falle der Aufdeckung in Würzburg Bayern einen Frankodefekt an Forbach schickte; für den Fall, dass dies unterblieben war, hätten beide Postverwaltungen für wenig Geld viel Briefstreckenbeförderung auf sich genommen (über 1.200 km einfache Fahrstrecke).

Einen weiteren Brief mit ähnlicher Frankatur bzw. Behandlungsweise kenne ich nicht.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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