Thema: Luxusgut Briefmarke - der Postkunde zahlt die Zeche
Bendix Gruenlich Am: 29.05.2021 22:07:46 Gelesen: 4812# 14@  
So, die Markengestaltung kostet also EUR 1 Mio. Personalkosten im Jahr. Ja und? Dienste kosten nun einmal. Jetzt seien wir mal nicht kleinbürgerlich (l’etat c‘est nous). Geld ist zum Ausgeben da, also weg damit.

Zum Thema mal kurz drei Argumente

• Die Gesamtpersonalkosten der öffentlichen Hand in 2019 betrugen EUR 285.000 Mio. (also nur der abhängig Beschäftigten). 1 Mio. sind da nichts.

• Jetzt kann man die puritanisch pietistische Brille aufsetzen und sagen, das sind ja nur Repräsentationskosten und die sind zum Überleben nicht zwingend notwendig. Genauso so wenig wie die Militärkapelle für die Staatsempfänge, das Schlösschen für den Empfang für Gäste der Bundesregierung oder der Reichstag (eigentlich würde auch eine Lagerhalle reichen). Oder die öffentlichen Museen, die Burgen und Schlösser in Staatsbesitz, die Parks und Gärten. Unsere 100 qm Wohnungen, unsere Inneneinrichtung, unsere 250 PS Autos. Nein, ich wills schön haben, da kann mein Staat, der keine Hemmungen hat, mir zwangsweise 50% meines Einkommens abzuknöpfen auch mal ne Mio. springen lassen, für etwas, was mir Freunde macht (und Millionen Sendungsempfängern auch).

• 180 Jahre Briefmarken in Deutschland und natürlich hat der jeweilige Souverän den Gebrauchsgegenstand Briefmarke gestaltet (mit Symbolen der Herrschaft, der Kunst, der Religion, der Politik, der Kultur), alles staatstragend und kulturell bedeutend. Ich denk mal, über 10.000 verschiedene Marken und daher Designs wird es geben. Das war bisher so unglaublich inspirierend für mich – tolle Stichwortgeber, die neugierig machen. Ich sehe in jedem Jahrzehnt für diese Zeit typische, faszinierende grafische Lösung und Themen. Ich bin noch heute auf jede Marke neugierig. Deutschland ist mein Hauptkulturkreis, jede Ausgabe sagt mir was. Und kommt, Hand aufs Herz, Euch doch auch, denn wenn das keinen grafischen Reiz für Euch hätte, warum würdet Ihr dann sammeln.

Zum Schluss noch eine Reiseanekdote: ich war mal in Helsinki und habe das Postmuseum besucht (sehenswert!). Temporärer Ausstellungsgegenstand waren privat gestaltete Briefmarken (also Rahmen amtlich, Foto privat). Und war das besser als die staatlichen Designs (von wegen Foto aussuchen und rein damit)? Das war bei den ersten zwanzig Marken lustig (es gab wohl so um die tausend), und dann wurde es langweilig. Alles drehte sich um die eigene Familie (jede Menge putzige pausbackige Säuglinge – mein Haus, mein Auto, meine Frauen....). Die Dimensionen passten einfach nicht, die Farben passten nicht, die Aufnahmen waren ohne technischen Pfiff und Reiz usw. usw. ...und die Welt der Gestalter war so klein. Ich habe die Ausstellung recht nachdenklich verlassen.
 
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