Thema: Wie habt ihr zu Briefmarken gefunden?
Bendix Gruenlich Am: 12.09.2021 11:01:41 Gelesen: 1794# 13@  
Ich denke, wer sammelt, der muss auch eine entsprechende Disposition haben. Und bei mir ist das das Sortieren, Strukturieren, Typisieren, Organisieren, Muster erkennen und wiedergeben.

Ein Nachbarsjunge zeigte mir zu Grundschulzeiten (1975 - ich war seinerzeit 6 Jahre alt) seine Marken, machte mich mit den phantastischen, stetig steigenden Katalogpreisen vertraut und zeigte mir seine Marken (schon viele postfrische Bundesrepublikaner, postfrische Monaco usw., auch etwas vom Posteingang aus der Firma, wo der Vater arbeitete - der Vater sammelte und versorgte den Junior voll mit). Vom Posteingang hab ich etwas abbekommen - und Blut geleckt.

Ich habe dann probeweise etwas abgelöst und begonnen zu sortieren. Das waren meine ersten:



Mir hat das Freude gemacht (die Farben, die Reliefs der Marken im Stichtiefdruck, der Geruch der Marken beim Ablösen und Trocknen, die Stempel von fernen Orten). Außerdem, was konnte daran falsch sein, etwas so Wertvolles zu horten und rasch Michel-Millionär zu werden.

Wer jetzt sagt, das sei ja gar nichts Besonderes, den fordere ich auf, das Klischee aus dem Kopf heraus auf Papier zu zeichnen. Doch nicht so einfach, was? Jedenfalls, ich bin kein guter Zeichner - daher halte ich mich an die Drucke.

Und dann noch eine historische Notiz zu den gezeigten Marken:

• Damals hatten wir letztmals unser Staatsoberhaupt auf Dauerserie - heute wollen wir keine Potentaten mehr drauf haben, seinerzeit war man noch obrigkeitshöriger.
• ...oder auch nicht, denn Heinemann war ein Linksliberaler, der auch als „Apo-Opa“ verspottet wurde...
• Er hat vorher in der Exekutive für diverse einschneidende gesellschaftliche Veränderungen gesorgt ... auch aus heutiger Sicht sehr modern und kontrovers
Mann, ist das fünfzig Jahre her?

Dann gab es noch zwei Impulse aus der eigenen Familie:

• Eine Sammlung oder sagen wir Anhäufung von Postkarten, die die Familie so über die Jahre bekommen hat – das Durchgucken hat immer Spaß gemacht, und ich habe immer gefragt, von wem die seien und von wo die geschickt worden wären. Die Texte waren nie so tiefgründig, die Marken aber immer Klasse.
• Dann hatte mein ältester Bruder eine Teilsammlung, die ihn nicht interessierte. Die bestand aus Tütchen und einem tollen alten, abgewetzten Schaubeck-Vordruckalbum für Deutsches Reich mit blauem Leineneinband. Da habe ich von Zeit zu Zeit mal reingucken dürfen. Der hatte auch jede Menge türkische Freimarken, die mein Vater von Mannesmann mitbrachte, denn mein Vater hatte viele türkische Arbeitskollegen. Die schrieben sich noch mit ihrer Familie in der Türkei (ganz viel Anfang der Siebziger, dann abnehmend bis 1975, die letzten 1982 – dann wurde nur noch telefoniert).

Es hat eine Weile gedauert, bis meine Eltern verstanden hatten, dass ich es ernst meine. Weihnachten 1975 gab‘s dann endlich ein dunkelrotes, kleines Einsteckalbum (weiße Seite, Pergaminstreifen, im A5-Format). Das ist tatsächlich immer noch in Gebrauch (da sollten aktuell irgendwelche schrägen Marken afrikanischer oder karibischer Gebiete drin sein). Natürlich ist das Album 45 Jahre alt, aber Nachhaltigkeit ist doch für uns in Kontinentaleuropa von jeher kein neues Thema.

Jedenfalls habe ich von diesem Zeitpunkt an jeden Posteingang beschlagnahmt. Da meine mütterliche Seite aus Preussen und der Ostzone stammt (lange nicht mehr gelesen den Begriff, nicht wahr, den hat mein Großvater in den 70ern noch mit Ernsthaftigkeit benutzt), man bei Zeiten rübergemacht hatte, aber weiterhin Kontakte nach Drüben pflegte, kam auch regelmäßig Post aus der DDR (telefonieren war da nicht).

Ich habe eigentlich seitdem nie aufgehört zu sammeln (mal mehr - mal weniger), war allerdings nie organisiert - den Ansprüchen von Vereinen habe ich nie genügt (zumal ich noch nie gerne Befehle entgegengenommen habe, so einen wie diesen hier, der mich in jungen Jahren auch vollkommen - nämlich intellektuell, wirtschaftlich und organisatorisch - überfordert hat: Du sammelst Bund, Berlin, Österreich, Schweiz und Liechtenstein postfrisch und mit Versandstellenstempel, unter Vordrucken, in sechs Monaten stellst Du aus, außerdem nimmst Du die kommerziellen Angebote des Vereins war).

Pustekuchen, ich sammel, was mir gefällt und was mir Spaß macht. Das wechselt manchmal, oder ein Schwerpunkt verlegt sich. Mein philatelistisches Wissen verdanke ich der Bibliothek in Düsseldorf (alle Kataloge und einiges an Periodika), und zu Internationalem habe ich keine Berührungsängste.

Mit meiner Sammlung werde ich (als unbelehrbarer Alle Welt-Sammler) wohl keine Preise gewinnen.

Ich habe aber Freude an Exponaten – Dank bei dieser Gelegenheit an alle, die da etwas für uns Betrachter zusammenstellen. Das ist zeitintensiv und bedeutet viel Arbeit. Ich gehe gerne auf Ausstellungen und freue mich immer sehr auf die hochkarätige Rhein-Ruhr-Posta hier in der Region – ich schätze das. Auch die zunehmenden Online-Präsentationen (jüngst war das Ruhrvia) sind stark. Hier kann und darf man mit Ruhe ins Detail gehen.

Ich sammle aus Spaß am Design, am Sortieren (Hamster laufen gerne im Rad, ich sortier gerne), Freude am historischen Stichwort, aus Lust an der Ferne, aus Abenteuer- und Entdeckerlust und aus Neugier auf andere Kulturen.

Was mir in die Hände fällt, wird eingegliedert. Bevorzugt Bedarf (ah, wo kommt das denn her, wie weit ist der gereist, ist der Inhalt gut geschrieben, was wurde verklebt).

Wenn ich verreise, gehört früher oder später ein Besuch des Postamts und ein Test der Postinfrastruktur zum festen Programm.

Eine gute Marke gehört zu einem guten Brief. Das ist wie eine Visitenkarte, beweist Geschmack (kann guter oder schlechter sein - die Beurteilung überlassen wir mal dem Empfänger), eine bildungsbürgerliche (meiner Meinung nach kein Schimpfwort) Grundprägung, ist ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber dem Empfänger und unterstreicht den Wert / die Wichtigkeit der Sendung.

Dabei sind Marken für mich hauptsächlich Gebrauchsgegenstände - ich lege Wert auf Benutzbarkeit und bevorzuge Bedarf. Denn warum soll ein Gebrauchsgegenstand nicht gleichzeitig reizvoll und nützlich sein.
 
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