Thema: Vermeidbare Lagerschäden bei Briefmarken
Richard Am: 17.09.2021 09:56:05 Gelesen: 1981# 1@  
Vermeidbare Lagerschäden bei Briefmarken

Eine Beitragserie von DI Berhard Tomaschitz im Nachrichtenblatt des BSV Favoriten Wien

Es ist leider eine unabänderliche Tatsache, dass eine Philatelistengeneration während der letzten Jahre ihrem Ende entgegen geht. Aus diesem Grunde werden in jüngster Zeit unverhältnismäßig viele Nachlass-Sammlungen angeboten, besonders Österreichische Sondermarken ab dem Jahr 1945 bis zum Ende der Schillingwährung Ende 2001.

Dabei ist leider festzustellen, dass erstaunlich viele Briefmarken erhebliche Lagerschäden aufweisen:

- gelb verfärbtes Briefmarkenpapier,
- Stockflecken sowohl in den Alben als auch auf den Briefmarken,
- dunkelgelb bis orange verfärbte, brüchig gewordene Gummierung,
- oxidierte Metallfarben (silber, gold, bronze), oftmals grün verfärbt und leicht löslich vom Papier,

um nur ein paar wenige, stark ins Auge fallende Veränderungen aufzuzählen. Am häufigsten betrifft es Briefmarken, deren Alter die 50-Jahrgrenze erreicht und über-schritten hat.

Viel gefährlicher jedoch sind Schäden in der Struktur des Papiers, die man mit freiem Auge nicht erkennt. Dazu ist vorerst ein Ausflug in die Chemie unerlässlich:

Der pH-Wert gibt an, wie sauer oder basisch eine Substanz ist. Die Skala reicht dabei von 0 bis 14, 0 ist stark sauer = säurehaltig, 7 ist neutral (zB.: Wasser) und 14 ist stark basisch oder alkalisch = Lauge. Der Saft einer Zitrone hat ca pH 2, der Ammoniak (NH3 wobei N= Stickstoff, H= Wasserstoff) fast 14; der Sprung von 0 auf 1 bedeutet eine Veränderung um das das 10-fache, von 0 auf 3 das 1.000-fache der Wasserstoff-(H)-Ionenkonzentration = elektrisch geladene Wasserstoffatome.

Säuren und Basen haben die Eigenschaft, miteinander chemisch oft heftig, aber auch langsam über Jahre zu reagieren, meist entsteht ein Salz im Lösungsmittel Wasser, zB. HCl + NaOH  NaCl + H2O Salzsäure (Chlorwasserstoff) + Natronlauge ergibt Steinsalz (Natriumchlorid) + Wasser als Reaktion.

Die Reaktion läuft also bei Anwesenheit von Wasser, d.h. bei Feuchtigkeit ab.
Auch unser Briefmarkenpapier und das Papier oder der Karton der Alben, d.h. des Aufbewahrungsmittels, haben einen bestimmten pH-Wert.



Aus der Grafik ist ersichtlich, dass sich der pH-Wert des Papiers (d.h. sein Säurecharakter) seit der 1980er-Jahre stark verändert hat, seit dem Millennium werden überhaupt nur mehr basische Papiere (d.h. laugenhafte) hergestellt.

Kommen nun zwei Papiere verschiedenen pH-Wertes aufeinander zu liegen, so tritt bei Feuchtigkeit unweigerlich eine chemische Reaktion ein, welche die Konsistenz des Papiers zerstört, zumindest aber zur Auswanderung von Farbpigmenten (schwarze Albumseiten vieler Steckbücher!) d.h. zur Verfärbung des Briefmarkenpapiers führt.

- Eine Briefmarke soll daher immer in einer weniger sauren Umgebung, als sie selbst ist, aufbewahrt werden. Ist dies nicht der Fall, so tritt meist Verfärbung auf, in schwarzen Alben leicht zu sehen, in weißen Alben oft nicht erkennbar, aber dennoch vorhanden. Letztlich tritt aber ein Zerfallsprozess der organischen Substanz „Papier“ auf.

- Hauptfeind ist Luftfeuchtigkeit. Ca 40% sind am günstigsten, zu trockene Luft unter 30% und für das Raumklima angenehme 50% (!) sind zu vermeiden. Vor allem muss eine Veränderung der Luftfeuchtigkeit in kurzen Zyklen unbedingt vermieden werden, das Schlafzimmer als Aufbewahrungsort einer Sammlung scheidet daher von vorn herein aus!! 24-Stunden-Zyklen sind sowohl für das Papier als auch für die Gummierung wahres Gift.

- Temperatur: 200 Zimmertemperatur sind ideal, den Raum daher mit Bedacht lüften und bei starkem Temperaturwechsel die Kastentür geschlossen halten. Die Temperatur überlagert mit dem pH-Wert und der Luftfeuchtigkeit beeinflussen die Alterung und damit den Zerfall des Papiers. Bei einer Temeraturerhöhung um nur 100 zerfällt das Papier doppelt so schnell. Räume mit Klimaanlage sind für die Aufbewahrung einer Briefmarkensammlung daher nicht geeignet.

Ähnlich verhält es sich bei der Gummierung: War es anfangs gewöhnlicher Knochenleim, später pflanzliches Gummi arabicum oder Dextrin, sind es heute vor allem Polymere d.h. Kunststoffe, in den meisten Fällen handelt es sich dabei um PVA Polyvinylalkohol auf Kohlenstoffbasis. Die Postverwaltungen experimentierten oft mit der Zusammensetzung der Gummierung, so dass mit der Zeit zahlreiche verschiedene Gummierungsarten entwickelt wurden. Die Gummierung kann in besonderen Fällen zur Beschädigung oder Zerstörung einer Briefmarke führen.

Bestes Beispiel ist der „Ostropablock“ (Deutsches Reich 1935) mit einer Gummie-rung, deren Schwefelsäuregehalt nicht neutralisiert wurde und die den Block nach einigen Jahren zunehmend beschädigte. Damals wurde schon nach kurzer Zeit empfohlen, die Gummierung sofort abzulösen. Bei älteren Marken, die mit tierischem Leim gummiert wurden, kann es durch Leimbrüche, sog. Gummisprünge hervorgerufen durch Schwankungen von Luftfeuchtigkeit und Temperatur zu einem Papierbruch durch die gesamte Briefmarke kommen. Hier kann Ablösen des Gummis verhindern, dass die Briefmarke an einer solchen Stelle auseinanderfällt. Über Trockengummierung (selbstklebend) kann wegen der kurzen Verwendungszeit noch nichts ausgesagt werden, den älteren Sammlern sind jedoch die „Schonfalzkatastrophe“ der 1930er-Jahre oder die Selbstklebebänder der 1950er-Jahre in trauriger Erinnerung.

Technische und chemische Recherche: DI Bernhard Tomaschitz
 
Quelle: www.philaseiten.de
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