Thema: Schiffspost und Schiffspoststempel
SH-Sammler Am: 18.09.2021 08:16:33 Gelesen: 242490# 775@  
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Hallo Sammlerfreunde bei philaseiten.de,

ein Bekannter von mir hat mir einen Brief aus den USA in die Schweiz vorgestellt.

Neugierig wie ich immer bin versuche ich diesen Brief zu “erklären”, was ja nicht unbedingt einfach ist. Ich habe versucht, den Leitweg und die Taxierungen (vor allem diese) nachvollziehen zu können. Nur, wer nichts versucht, auch nicht gewinnt.

Hier deshalb meine Version der Taxierung mit der Bitte um allfällige Korrekturen und Verbesserungen, wobei ich überzeugt bin, dass nicht alle meine Annahmen richtig sind.

Aber zuerst der Brief

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Teilfrankobrief abgehend ab MEMPHIS Te vom 2. Dezember 1842, an Capitain Adam Wildberger in Neunkirch, Canton Schaffhouse, Suisse.

Bezahlte inneramerikanische Taxe = 25 Cent für Distanzen über 400 Meilen. Handschriftliche Notiz oben links “25 paid” plus blauer Stempel PAID von Memphis (Stempel in gleicher Farbe wie der Ortsstempel Memphis).

Gewünschter Leitweg: via New York – Le Havre, daher die Adressangaben in französisch. Diesem Wunsch des Absenders wurde jedoch nicht entsprochen, fehlt doch die vorgeschriebene amerikanische Seetaxe von 2 Cent (vorgeschrieben für Post bis Grenze Frankreich). Es fehlt auch die typisch französische Transittaxe von 10 décimes.

Auf der Brief-Rückseite sind 2 Stempelabschläge in rot aufgebracht. Der Rundstempel vom 6. Jan 1843 müsste von einem englischen Postamt stammen. Der zweite Stempel “England over Rotterdam” gibt denn auch den tatsächlichen Leitweg des Briefes vor.

Da ab 1840 die “Cunard Line” mit Dampfschiffen den Posttransport nach England betrieb, ist eine Leitung ab Boston via Liverpool nach Europa gegeben. Das Schiff hat in Boston gemäss “Fahrplan” am 16. Dez. 1842 abgelegt und nach ca. 15-18 Tagen Liverpool erreicht. Von dort ging die Reise weiter via London nach Rotterdam, was die Stempel vom 6. Jan. 1843 und “England over Rotterdam” belegen können.

Von Holland aus wurde der Brief via Mannheim – Basel nach Neunkirch, Schweiz weitergereicht. Der Stempel WP in rot von Mannheim ( WP = West Preussen), im Einsatz ab 1834 bis 1851, bestätigt somit auch diesen Leitweg.

Nun zum schwierigsten Teil, der Taxierung des Briefes:

(Meine Annahmen müssen sicher noch korrigiert und verbessert werden)

Die USA-Taxierung geht von einem einfachen Brief aus. Oben rechts notiert als “single”, also einfaches Gewicht.

Taxe ab Memphis USA bis zum Einschiffungshafen, Distanz 400++ Meilen = 25 Cents, oben links handschriftlich notiert mit ”25 paid”. Zusätzlich blauer Stempel PAID.

Zahl 20 mit Blaustift geschrieben. Diese 20 pence setzen sich zusammen aus: 12 pence (1 Shilling) Seetaxe englischer Dampfer. Dazu kommen 8 pence englische Taxe Liverpool – London bis Rotterdam = Zwischentotal 20 pence, weiterverrechnet an Holland.

Rote 1.80 = 1 Guilder 80 Cents holländischer Währung, umgerechnet von 20 pence, inkl. holländischer Anteil bis Grenze zu Preussen. Diese 1.80 entsprachen ca. 45-50 Kreuzer. Diese wurden weiterverrechnet an die preussische Post.
Die Zahlen 30/3 in rot (wahrscheinlich von Mannheim), = preussischer Anteil, in Kreuzern. Zwischentotal ca. 45 + 30 + 3 = 78x = 1 fl 18x (fl = Florin = Gulden).

Anscheinend kostet die Strecke Mannheim – Basel = 40 Kreuzer, deshalb
1 fl 58. Taxe bis Basel. Basel rechnet 2x für sich plus 6x bis Austauschbüro in Brugg dazu. Beides abgestrichen und (im Austauschbüro Brugg) mit 2/8 (in das Wort “single” hinein) geschrieben
Austauschbüro Brugg addiert noch 1 Kreuzer, = 2 fl 9, plus die Schaffhauser Taxe nach Neunkirch 3x
= Total 2 fl 12x oder 132 Kreuzer vom Empfänger zu bezahlen.

Soviel von mir. Ich bin gespannt wie stark meine Erläuterungen noch abweichen.

Grüsse

SH-Sammler
Hanspeter
 
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