Thema: Rohrpostbelege
cartaphilos Am: 21.06.2010 23:47:32 Gelesen: 1378159# 537@  
@ DerLu [#536]

Hallo Ludger

zu Beleg 1.

möglicherweise wäre die Verladung in die Wannseebahn ab S-Banhhof Potsdamer Platz nach Zehlendorf schneller gewesen, zumal das Umladen in Steglitz in die S-Bahn oder die Übergabe an einen Boten entfallen wäre. Aber auch in diesem Fall der direkten Übergabe an die Wannseebahn hätte die Karte oder der Postsack, in dem sie transportiert wurde, erst einmal zur S-Bahn gebracht werden müssen, was auch seine Zeit kostet.

Zudem habe ich ja nicht gesagt, daß die Karte per Rohrpost-Schnellinie transportiert worden ist, sondern daß die Zeit allemal ausgereicht hätte, sie innerhalb des Postbetriebes selbst noch zeitgerecht bis nach Steglitz zu befördern. Leider ist kein Stempel von Steglitz drauf, was uns weiter rätseln läßt. Nun eien Frage: was hat es mit dem Postsack auf sich, der per S-Bahn nach Zehlendorf transportiert worden ist. Wo gibt es Informationen darüber?
Bekannt ist (gemäß der damaligen Berlin-Reiseführer), daß bereits gegen 1914 eine Schnellpostverbindung unter Nutzung der S-Bahn nach Grunewald in Betrieb war. Belege fehlen jedoch. Gab es so etwas auch Richtung Zehlendorf - immerhinn auch eine reiche Ecke von Berlin mit ihren speziellen Privilegien?

zu Beleg 2.

Nach reiflicher Überlegung scheint es mir die - von mir als Vermutung formulierte - These plausibel zu machen, daß SO 16 wahrscheinlich keine eigene Eilzustellung hatte: Rohrpostanschluß bedeutete damals vor allem, daß die Sendungen laufend eine der vier bis sechs täglichen Zustellungen erreichen konnten. Das war ja auch der Sinn der Entkoppelung von Rohrpost- und Eilbotenporto ab ca. 1933/34. Man konnte Sendungen per Rohrpost zur nächsten Zustellung befördern lassen.

Nach meinen Erfahrungen - gelernter Spandauer, wobei Spandau vergleichbar ist mit einer Stadt mit ca. 220.000 Einwohnern - gab es in Spandau für den ganzen Bezirk eine einzige Eilzustellung - also von Hakenfelde im Norden bis nach Kladow im Süden, von Staaken im Westen bis nach Siemensstadt im Osten -, obgleich es natürlich zahlreiche Postämter gab (so um die 14 einschließlich Kladow, Gatow, Hakenfelde, Haselhorst, Siemensstadt, Staaken, die meistens jeweils mehr als ein Postamt hatten). Die Rechnung lautete also nicht pro Postamt eine Eilzustellung, sondern die 'Eilbullen' (wie wir sie Anfang der 70er Jahre als Aushilfszusteller der Bundespost in Spandau nannten) deckten den gesamten Bezirk ab. Sinn der Maßnahme war es, daß es ökonomisch effizienter war, die ca. 15 bis 20 Eilzusteller alle Stunde oder nach Zugang einer ausreichenden Menge an Telegrammen und Eilsendungen auch öfters mit dem Motorrad in alle Richtungen des Bezirks loszuschicken, als pro Postamt eine eigene Eilzustellung zu unterhalten.

Wenn man nun bedenkt, daß auch für das Stadtzentrum entsprechende ökonomische Überlegungen galten, dann scheint es plausibel, daß eine Eilsendung, wenn sie denn als solche zugestellt worden sein sollte - immerhin fehlt dieser Sendung das rückseitige 'Brikett', der in Berlin übliche brikettförmige Botenstempel also -, dann wohl von 0 17 ausgehend, einem Postamt, das sich weniger als 2 km vom Postamt SO 16 entfernt befand.

Hier wird wohl die Regelung, die bis 1923 galt, schon aufgeweicht gewesen sein: keine eigenen Boten für jedes Rohrpostamt, denn dies war einfach zu kostenintensiv hinsichtlich des variablen Kapitals, also der Personalkosten. Die ganze Geschichte der Rationalisierung der Post weist in diese Richtung des Herunterfahrens des Personalbestandes, und die Rohrpost selbst ist genau schon ein Ergebnis dieser Entwicklung, Sendungen mit geringem oder keinem Personaleinsatz von A nach B befördern zu können.

Aber beenden wir die Spekulationen: was wir brauchen sind zeitgenössische (also 1935-1937) Rohrpost-Eilbotenbelege nach SO 16, die tatsächlich auch den entsprechenden RP-Stempel und dann auch noch den Brikettstempel des Eilboten aufweisen. Dann sehen wir - vielleicht - klarer.

pneumatische Grüße
von
telosgraphein007
 
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