Thema: Altdeutschland Bayern: Stempel
bayern klassisch Am: 22.06.2010 21:34:58 Gelesen: 94819# 24@  
Hallo Herr Zierock,

ich glaube nicht, dass der Originalstempel heute noch erhalten ist.

Weil mir aber die Typisierung bayerischer Stempel geläufig ist, kann ich folgendes feststellen:

Die obere und untere Zeile waren fixiert (aus dem Stahl geschnitten), weil es keiner Austauschbarkeit von Behörde und Funktion bedurfte. Im Notfall hätte man den Stempel partiell anpassen (aptieren) können, was aber bis heute nicht belegt werden konnte.

Austauschbar musste hingegen die Datumszeile sein, so dass die Tage 1 - 31, die Monate Januar - Dezember und die Jahreszahl(en) 18?? flexibel dargestellt werden konnten.

Da die Monatsangabe keine auswechselbaren Buchstaben beinhaltete, kann hier nur der September in Frage kommen.

Wegen der Wichtigkeit der Tätigekeiten bei den Hauptzeitungsexpeditionen wurstelten hier auch nicht Semidebile Analphabeten, sondern nur gute Beamte, deren Charakterisierung mit "preußisch" gut beschrieben wäre. Da sie es permanent mit Geld und Zeitungsbestellungen und Zeitungsüberweisungen bzw. Nachsendungen zu tun hatten, betraf dieser "Job" in der Regel die "Upper class" der damaligen Postkunden, denn ein Handlanger oder Pferdeäpfelsammler las damals eher keine Zeitung, im Gegensatz zu den Honoratioren, die häufiger mal den Aufenthalt wechseln konnten und ihre Heimatzeitungen überall weiter zu lesen wünschten.

Vor dem ersten täglichen Stempelabschlag war das Stempelgerät zu säubern, einzustellen, auf seine Funktionsfähigkeit und vollständige Bedienbarkeit zu prüfen und ein klarer Stempelabdruck auf Blankopapier anzubringen, anhand dessen man kontrollieren musste, ob der Stempel klar abdruckte und korrekt eingestellt worden war.

Da hier zu lesen steht "9. Sept 18??" und die Stempelfarbe violett erscheint, müsste es sich um einen Abschlag aus der Zeit um 1872/1873 handeln, als wider die Vorschrift "farbige" Stempelkissen in München und anderswo zum Einsatz kamen. Nachdem mehrere Verordnungen der Jahre 1872/73 mehr oder weniger wirkungslos verpufften, ging man Ende 1873 massiv (finanziell) gegen Zuwiderhandelnde vor, so dass die allermeisten Stempler wieder auf die stets vorgeschriebene schwarze Druckerschwärze zurück griffen.

Ich kann leider keine heute noch lebenden Zeitzeugen der Münchner Hauptzeitungsexpedition in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts mehr ausfindig machen, der mit einer Versicherung an Eides Statt dich vielleicht doch noch überzeugen könnte, dass es der 9. September war, an dem deine Marke ihre Entwertung erhielt.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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