Thema: Rohrpostbelege
cartaphilos Am: 03.07.2010 20:30:18 Gelesen: 1377745# 546@  
@ Schmuggler # 115

Ich hole heute einmal eine alte Kamelle hervor. Vor zwei Jahren rauschte folgender Beleg mit dem rätselhaften Rohrpost-Stempel BERLIN *Ztr* hier durch den philatelistischen Cyberspace:



Schmuggler schrieb dazu:

"Deutlich sieht man, dass oben neben "Berlin" eine Leerstelle ist und unten im Doppelkreis *ZTR* steht: Es ist ein Entwertungsstempel vom HTA , welcher nur ganz kurze Zeit mit diesen Einsätzen verwendet wurde. Das Auktionsergebnis zu diesem Stück schockierte und elektrisierte viele Stempelsammler. (24. Harlos-Auktion, 2007)."

Nun finde ich bei dem Sortieren meiner jahrelang immer nur in die Kisten geworfenen Telegramme folgendes vom 31. Juli 1920, das ich wegen seines Zustandes als 'Leiche' bezeichnen würde, das ich aber nur wegen seines Inhalts (es geht um den Wiederaufbau der deutschen Handelsmarine nach dem 1. Weltkrieg und wegen des seltsamen Stempels oben rechts in der Ecke aufgeboben habe):



Links oben ist mit Rötel der Leitvermerk "ztr" angebracht. was bedeutet, daß "ztr" innerhalb des Rohrpostalltags fester Bestandteil der gängigen Nomenklatur und Abkürzungen für die Richtungsangabe der Sendungen war:



Rechts oben finden wir zwei lesbare, aber mäßige, weil leicht verwischte Abschläge des Rp-Stempels Berlin /31.7.20 9 - N / *Ztr.*:



Was lehrt uns dieses Stück?

Es handelt sich um ein Telegrammformular der HTA Berlin. Auf diesem ist ein Telegramm aus Stettin ausgefertigt. In äußerster Zartheit ist oben links noch der Abdruck - die Buchstaben JUL für Juli) des automatischen Ausfertigungsstempels des HTA zu erkennen:




Laut Wegevorschrift ging das dann weiter an die Reichsanstalt für den Wiederaufbau der Handelsflotte (RA.f.d.Wdb.d.Handelsflotte) in der Charlottenstraße 46 III, die etwas nördlich des Gendarmenmarkts gelegen war. Dort kam das Telegramm dann auch an und es sieht so aus, als handelte es sich weniger um einen kurzfristig im Einsatz befindlichen Entwertungsstempel des HTA als vielmehr um den Rohrpoststempel des Hauspostamtes eines Hauses, in dem Dienststellen der jungen Weimarer Republik untergebracht waren. Das Telegramm weist zusätzlich einen Eingangsstempel der adressierten Dienststelle vom 2. August 1920 auf: also doch kein Hauspostamt?, sondern Zustellung vom PA Berlin Ztr aus? Nun war der 31. Juni 1920 ein Samstag und um 9 N Uhr, also Stunde 21 wurde dort bestimmt nicht mehr gearbeitet, man saß vielleicht in der Friedrichstraße gegenüber im Café Moka Efti und gab dort über das Hauspostamt eine Postkarte mit dem Stempel "Berlin W 75 / Datum / Moka Efti" auf, gearbeitet wurde dann aber wieder am Montag, den 2. August 1920, wie der Eingangsstempel der Dienststelle zeigt. A propos Moka Efti: Das Hauspostamt des Cafés Moka Efti hatte die Nummer W 75 erhalten. Auf der anderen Seite, südlich der Straße unter den Linden, also für das mutmaßliche Hauspostamt in der Charlottenstraße 46, die praktisch ein Eckhaus der Straße Unter den Linden war, dürfte einstmals eine ähnliche Numerierung erfolgt sein, etwa W oder SW kombiniert mit einer Ziffer zwischen 70 und 79, denn diese Ziffern wurden für die Postämter zwischen Friedrichstraße im Westen und Alexanderplatz im Osten, sowie im Umkreis nördlich und südlich davon verwendet.

Wer kann etwas über die oben gezeigte Karte mit dem Entwertungsstempel Ztr. sagen? Wer kennt den Absender und kann damit weiterhelfen, etwas über den Charakter dieses Postamtes herauszufinden? Und vor allem: Bitte bei anderer Ansicht andere Erklärungen dieser Verhältnisse liefern.

es bedankt sich

telosgraphein007
 
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