Thema: Rumänien für Sammler
10Parale Am: 21.01.2022 00:04:58 Gelesen: 186329# 925@  
@ Martin de Matin [#922]

vielen Dank, dass wir so einen wunderbaren "Trauerbrief" aus Hermannstadt sehen können. Die Formulierung "Die entseelte Hülle" - die Diagnose "Altersschwäche" und der ganze Stil dieses sakralen Textes berühren mich sehr.

In einer gewissen Weise muss ich Heinz 7 widersprechen. (gehört dieser Brief wohl nicht zu diesem Thema).

1867, nur 15 Jahre nach der Verwendung des o.g. Briefes kam es faktisch zu einer Reichsteilung durch den Ausgleich zwischen Ungarn und dem Wiener Hof. In Hermannstadt setzte sich 1867 die Bevölkerung wie folgt zusammen (ohne Militär - Hermannstadt war ein großer Militärstützpunkt der Monarchie):

Deutsche: 67 %
Rumänen: 20 %
Ungarn: 11 %
Juden: 168 an der Zahl
 

So ähnlich dürfte es auch in der Verwendungszeit des Briefes mit der österreichischen Marke gewesen sein. Auf jeden Fall hörte kurz nach Verwendung dieses Briefes Siebenbürgen nach 700 Jahren faktisch auf zu existieren. Hermannstadt war nicht länger mehr Hauptstadt der Sächsischen Nation, die Regierungsgeschäfte der Provinzen wurden nun in Budapest erledigt. Viele Briefe vordem und aus der Zeit, die nach Hermannstadt gerichtet waren, tragen den Landesnamen "Siebenbürgen" in der Anschrift.

Das Wahlrecht hatte nur, wer bestimme Steuerleistungen und Schulbildung vorweisen konnte. Dies war bei den Deutschen und Ungarn eher der Fall als bei den sozial schwächeren Rumänen, unter denen viele Bauern waren. Dennoch trat in diesen Jahren eine Wende ein und die rumänische Bevölkerung erhielt mehr Beteiligung an wichtigen öffentlichen Entscheidungen. In den folgenden Jahren nahm die Zahl der ungarischen Bevölkerung willkürlich stark zu und auch der Beamtenapparat hatte mehr ungarische als ehedem österreichische Bürger im Dienst.

Nur 6 Jahre nach Verwendung des o.g. Briefes wurden im Fürstentum Moldau 4 Ochsenköpfe, in Papier gestanzt, zu den wertvollsten und wichtigsten Schöpfungen einer an Bedeutung gewinnenden Nation. Damals war man sich dessen wohl genau so wenig bewusst wie die Briten bei der Umsetzung der Ideen von Rowland Hill im Jahr 1840.

Im Vertrag von Trianon, viele, viele Jahre später, wurde Siebenbürgen dann Rumänien zugesprochen.

Heinz 7 schreibt so vortrefflich, dass ich es fast glauben mag "Alte Liebe rostet nicht". Ich wohne am Rheinknie und Lörrach-Stetten gehörte einst ebenfalls zur Habsburger Monarchie, ebenso wie Hermannstadt. Dies geht mir manchmal durch den Kopf. 2019 besuchte ich nicht zum ersten Mal den Zentralfriedhof von Sibiu. An schönen Wintertagen sieht man von dort aus die schneebedeckten Karpaten bei Fagaras, ein wunderschöner Anblick. Der Himmel ist blau-weiß wie über Bayern, der Wind kann eisig sein wie in Sibirien.

Heutzutage hört man alle Sprachen der Welt an einem schönen Sommertag auf dem Großen Platz vor der Katholischen Kirche. Auch viele Rumänen kommen nach Hermannstadt, um dieses weltoffenen Flair zu genießen. Da habe ich mir oft, - vor dem Hotel Römischen Kaiser stehend -, die Frage gestellt, wo bist du? Manche Städte haben keine Antwort auf diese Frage. Dazu zähle ich Hermannstadt.

Ob der Römische Kaiser in Sibiu jedoch etwas mit Kaiser Claudius zu tun hat, diese Frage lass ich offen. "Der Mensch stirbt erst wenn sich keiner an ihn erinnert" Ein guter Satz.

Liebe Grüße

10Parale
 

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