Thema: (?) (668) Postverhältnisse Bayern - Österreich
bayern klassisch Am: 23.03.2022 14:26:05 Gelesen: 92058# 524@  
Liebe Freunde,



heute darf ich von einem in Mülheim an der Ruhr ansässigen Auktionshaus einen feinen Brief zeigen, der in mehrfacher Hinsicht interessant ist, nicht nur auf postgeschichtlicher Basis.

Verfasst wurde er am 20.2.1856 in Altdorf bei Nürnberg von Wilhelm Holz, genannt Vestner und gerichtet war er an Herrn Wilhelm Nadler in Pesth. Bei unter 1 Loth und über 20 Meilen war er treffend mit 9 Kreuzern frankiert. Siegelseitig erkennen wir, dass er nicht direkt nach Österreich-Ungarn geleitet wurde, sondern erst über Sachsen - Bodenbach - Prag usw. sein Ziel in Ungarn erreichte (Bodenbach 22.2. und Pesth am Folgetag, wobei das schon eine außergewöhnliche Entfernung und Leistung 1856 war, Chapeau!).

Im Inhalt lesen wir: "Ich verdanke Ihre werthe Adresse einem meiner Freunde & da ich gesonnen bin, mich jetzt nach anderweitiger Placirung umzusehen, so erlaube ich mir, Ihnen meine ergebensten Dienste anzubieten.

Meine vierjährige Lehrzeit habe ich in dem Colonialwaaren & Speditions-Geschäfte der Herren Frey & Ringler in Regensburg bestanden & mein kaufmännisches Examen mit dem besten Erfolge gemacht. Ich bin im Stande deutsch & französisch zu correspondiren, Bücher zu führen, sowie andere Comptoir- & Magazin - Arbeiten zu verrichten.

Sollten Sie nicht selbst in dem Fall sein, mein Offert geflissentlich berücksichtigen zu können, so ersuche ich Sie, mich gefl. bei anderen Häusern zu recommandiren, oder mir Jemanden aufgeben zu wollen, der sich dorten mit Placements beschäftiget.

Ich sage Ihnen im Voraus einen verbindlichen Dank dafür & habe die Ehre, mich Ihnen mit vollkommenster Hochachtung zu empfehlen.

Ihr Ergebenster Wilh. Holz, genannt Vestner per Adresse A. Hilz genannt Vestner."

Seitlich hat der Absender später folgenden Vermerk angebracht: "Eingetreten am 5. Mai 1856 mit fl. 500 (500 Gulden) jährlichem Salair ohne weitere Vergütung".

1. Die Leitung über Bodenbach war zwar ein großer Umweg, aber sie fand nur über die Bahn statt und daher i. d. R. 2 Tage schneller, als auf andere Weise.

2. Interessant zu sehen, was ein besserer Angestellter verdiente damals - 500 Gulden im Jahr war etwa das Gehalt eines Postexpeditors.

3. Aliasnamen belegbar aus Briefen des Trägers selbst habe ich zuvor noch nie gesehen - wieder etwas dazu gelernt.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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