Thema: Württemberg 70 Kr Marke: Die Suche nach der Wahrheit / Peter Feuser vs. BPP
Richard Am: 29.04.2022 09:28:50 Gelesen: 1642# 7@  
Der Datumsbrückenstempel des Postamtes Stuttgart IV

Der Datumsbrückenstempel befand sich 1879 in einem relativ schlechten Zustand. Die ursprünglich vorhandenen Stege der Datumszeile waren verschwunden. Ganz offenbar wurden deshalb beide Stempel einer Generalüberholung unterzogen, gereinigt und möglicherweise nachgraviert.

Diese Annahme ist auch aus einem anderen Grund naheliegend: wenn man sich schon der Mühe unterzog, gleich zwei Stempel für den Gebrauch am Sammlerschalter bereitzustellen, dann wollte man Händlern und Sammlern nicht einen verschlissenen Stempel zumuten. Der Datumszeilensteg war nach der Reparatur zunächst wieder vollständig sichtbar, zeigte aber mit der Zeit die gleichen Ausfallerscheinungen wie der Stempel während seiner Verwendung vor der Aussonderung.

Der Stempel war Gegenstand einer Untersuchung durch die BPP-Verbandsprüfstelle.

Die durchaus logische und durch verschiedene deutliche Indizien gestützte Reparatur des Datumsbrückenstempels wird von Prüfern und Prüferverband bestritten. Ich wurde aufgefordert, diese Feststellung zu beweisen, was unmöglich ist. Keiner der Lebenden war bei der Grundüberholung des Stempels anwesend und alle Akten über die Restbestandsverkäufe der 70 Kreuzer-Marken wurden vernichtet.

Von Prüferseite wird argumentiert, dass eine Generalüberholung der gebräuchlichen Tagesstempel seinerzeit nicht üblich bzw. technisch nicht möglich gewesen ist. Es heißt:

Weder der Datumsbrückenstempel noch ein anderer Stuttgarter Stempel wurde für den Zweck von Nachstempelungen überarbeitet oder repariert. Das ist völlig abwegig und frei erfunden.

Das ist natürlich unrichtig. Die Prüferseite behauptet erneut irrenderweise, dass es etwas nicht gibt. Dabei war es damals gängige Praxis, Stempel zu reinigen, ggf. nachzugravieren und auch zu aptieren. Es gibt zahllose Beispiele dafür, beispielsweise im Bereich der Franco- und Hufeisenstempel (siehe die gezeigten Abbildungen). [15] Hier wurden sowohl Stempelteile entfernt als auch durch „Anlöten“ hinzugefügt. Insbesondere die Einführung der Normstempel im Jahre 1875 führte zu zahlreichen Aptierungen von vorhandenen Tagesstempeln.



Beispiele für Aptierungen von Hufeisen- und Francostempeln. Es wurden sowohl Teile entfernt als auch durch Anlöten hinzugefügt. Dieses Verfahren war in den 1870er Jahren weit verbreitet.

Die in den 1880er-Jahren eingeführten Wanderstempel wurden in erster Linie für den Zweck eingeführt, während der Abwesenheit von in Gebrauch befindlichen Stempeln für Überholungen kurzfristig bis zur Rückkehr der reparierten Stempel Ersatz zu schaffen, dies ist hundertfach belegt. Vor Einführung der Wanderstempel übernahmen bei kleineren und mittleren Postämtern ehemalige Briefpoststempel, die bei der Fahrpost ein zweites Leben führten, diese Aufgabe. Praktisch alle in den Handbüchern auf 2. bis 8. Freimarkenausgabe gelisteten vorphilatelistischen Zweizeiler kommen nur ganz kurzfristig vor und hatten die Funktion der späteren Wanderstempel. Sie wurden bei Überholung und Abwesenheit der eigentlichen Briefpoststempel als Ersatz verwendet.



Beispiele für Nachstempelungen mit dem grünen Datumsbrückenstempel des Postamtes Stuttgart IV. Diese stammen aus den 1880er-Jahren (ca. 1880–1889). Es finden sich keine kopfstehenden Stempel und überwiegend wirken die Abschläge gefälligkeitsgestempelt. Die zahlreichen Eckstempel kommen so bedarfsweise nicht vor.

Für die Überholung und Reparatur des Datumsbrückenstempels des Postamts IV gibt es weitere sehr deutliche Indizien. Der Dreierstreifen (ex Trost) zeigt Abschläge in ursprünglichem Stempelzustand. Der Dreierstreifen müsste sich für den Nachweis einer zeitgerechten Verwendung im November 1874 auf einem Auslandsbrief mit vermutlich weiteren Marken befunden haben, dies ist selbstverständlich schon angesichts der Stempel- und Qualitätscharakteristik
absurd. Genauso abwegig ist die Annahme, der Datumsbrückenstempel wäre an
diesem Tag an den Fahrpostschalter des Postamtes IV ausgeliehen worden: Der Briefpostschalter hätte dann ja keinen Tagesstempel mehr zur Verfügung gehabt! Eine Gefälligkeitsentwertung während der Kurszeit scheidet natürlich wegen des Verkaufsverbotes der 70 Kreuzer ebenfalls aus.

Übrig bleibt nach dem Ausschlussprinzip also nur eine Nachstempelung nach Ablauf der Kurszeit. Da der Datumsbrückenstempel bereits ab Dezember 1874 (also während der Kurszeit) die bekannten Ausfälle im Stegbereich zeigt und diese Ausfälle in verstärkter Form bis zur Aussonderung des Stempels für den Sammlerschalter vorhanden waren, muss er ganz zwangsläufig ca. Ende 1879 einer Überholung bzw. Reparatur unterzogen worden sein. Aus alldem folgt weiter, dass der Dreierstreifen ab ca. 1880 nachgestempelt worden sein muss.

Das Angebot von den zwei waagerechten Dreierstreifen der 70 Kreuzer braun- und rotlila (Mi. 42a, 42b) mit idealen Abschlägen des jeweils grünen Fächer- und Datumsbrückenstempels des Postamtes IV anlässlich der 2. Trost-Auktion war im übrigen Auslöser für meine Bemühungen um Klärung der Nachstempelungsproblematik. Bei beiden Entwertungen handelt es sich meiner Meinung nach um Nachstempelungen aus der Zeit des Sammlerschalters, also aus den 1880er-Jahren, weit außerhalb der regulären Laufzeit der Marken. Der Verkaufspreis lag bei rund 75.000 Euro.

Von Prüferseite heißt es:

Uns sind keine Nachstempelungen mit der grünen Datumsbrücke auf 70 Kr.-Marken bekannt. Alle bekannten Abschläge sind sowohl in der Stempelfarbe als auch im Grad der Abnutzung eindeutig einer zeitgerechten Verwendung zuordenbar und werden deshalb seit Jahrzehnten als ‚echt und zeitgerecht‘ bestätigt. [16]

Der Datumsbrückenstempel auf dem Dreierstreifen zeigt ein Datum vom 24.11.1874 mit den kompletten Stegen, so wie sie sich auch auf einwandfreien Bedarfsstücken anderer Kreuzermarken aus der Zeit zeigen. Dies könnte zunächst für eine zeitgerechte Entwertung sprechen.

Als Briefpoststempel ist allerdings der Datumsbrückenstempel bei der Aufgabe auf Paketkarten keinesfalls möglich, es sind demzufolge auch keine Bedarfsstücke seit der Einführung des Stempels im Dezember 1873 bis zu seiner Aussonderung Ende 1879 auf Paketkarten bekannt.

Ferner heißt es in der Stellungnahme der Prüfer:

Es gibt tatsächlich rückdatierte Nachstempelungen mit diesem Stempel auf 70 Kreuzer-Marken. Alle diese Abstempelungen sind jedoch schwarz und ohne Brückenstriche. Diese Nachstempelungen sind seit Jahrzehnten bekannt und werden entsprechend geprüft. [17]

Es wird hier auf Abstempelungen verwiesen, die mit größter Wahrscheinlichkeit nach Abverkauf der Marken am Sammlerschalter um 1889 erfolgt sind. Der Zustand des um 1879 reparierten Datumsbrückenstempels war mittlerweile ähnlich desolat wie während seiner regulären Verwendungszeit ab ca. 1877. Er wurde gleichwohl als Reservestempel vorgehalten und wohl beispielsweise bei erhöhtem Drucksachenaufkommen in schwarzer Farbe ab ca. 1889 benutzt. Es sind Abstempelungen aus dem Jahr 1892 auf 3 Pfennig-Marken belegt. [18]



Schwarze Datumsbrückenstempel des Postamtes IV stammen aus der Zeit nach Abverkauf der 70 Kreuzer-Marken am Sammlerschalter (ab ca. 1889). Der Stempel war im gleichen Zustand wie vor seiner Reparatur im Jahre 1879. Er wurde als Reservestempel vorgehalten und nur noch gelegentlich in den 1890er-Jahren aushilfsweise benutzt.

Nachstempelungen mit dem schwarzen Datumsbrückenstempel auf 70 Kreuzer sind in nur wenigen Exemplaren bekannt. Die Annahme, dass nur diese Abstempelungen in schwarzer Farbe als nachgestempelt zu gelten haben, ist völlig realitätsfern. Da die anderen in Zusammenhang mit den Restbestandsverkäufen an den Stuttgarter Postämtern I und IV erfolgten Gefälligkeitsabstempelungen bisher praktisch alle fälschlicherweise als echt und zeitgerecht verwendet geprüft wurden und werden, hätte der Anteil der nachgestempelten Exemplare an den „Sammlerschaltern“ nur im Promillebereich gelegen, anstatt den von mir angenommenen ca. 25 % (ca. 500 bis 700 Exemplare) aller verkauften 70 Kreuzer. Mir ist rätselhaft, wie ansonsten hochkarätigste Spezialprüfer einer derartigen Fehleinschätzung unterliegen können.



Verschiedene Nachstempelungen auf Bogenecken der 70 Kreuzer-Marken.
Bedarfsgestempelte Marken mit größeren Bogenrändern sind Seltenheiten, große
Bogenecken sind unbekannt.


Ein weiteres, sehr deutliches Indiz für die Nachstempelungen liegt in der Verwendung der 2 Mark gelb, ebenfalls eine Innendienstmarke, die nicht an das Publikum abgegeben werden durfte. [19] Briefe mit dieser Marke sind mir, ebenso wie solche der 70 Kreuzer, nicht bekannt, sondern nur Paketkarten. Diese Marke kommt häufig wegen des hohen Paketaufkommens am Postamt IV auch mit dem grünen Fahrpost-Fächerstempel bedarfs- und zeitgerecht vor.

Wäre der Briefpost-Datumsbrückenstempel gelegentlich bei der Fahrpost eingesetzt worden, wie von Prüferseite fälschlicherweise angenommen, müssten zwangsläufig in weit größerem Umfange als bei der 70 Kreuzer aus der Zeit von Mitte 1875 bis Ende 1879 Marken zu 2 Mark gelb mit dem grünen Datumsbrückenstempel vorkommen. Mir selbst sind allerdings keine Belegstücke dieser Marke mit dem grünen Datumsbrückenstempel bekannt.

Von Prüferseite wird ferner argumentiert, dass der Stempel „immer mal wieder“ vom Briefpost- an den sicherlich in anderen Räumlichkeiten befindlichen Fahrpostschalter gewechselt hat und fügt als Beleg dafür einen Nachnahmebrief aus der Verwendungszeit der 70 Kreuzer an. Bei diesem Brief und einigen wenigen anderen bekannten Belegen aus der Pfennigzeit (siehe die Abbildung) handelt es sich um sog. „Postwechselbriefe“, die versehentlich am Briefpostschalter aufgegeben und dann an den Fahrpostschalter zur weiteren Bearbeitung abgegeben wurden. Die Beförderung von Nachnahmebriefen oblag der Fahrpost. Eine Weitergabe des Briefpoststempels an den Fahrpostschalter kann in diesem Fall ausgeschlossen werden:

Der Briefpostschalter hätte dann keinen Tagesstempel mehr zur Verfügung gehabt, und das ist schlechterdings undenkbar. Die Aufgabe von Paketen am Briefpostschalter war natürlich unmöglich.

Ferner verweisen die Prüfer zur Stützung ihrer Position auf den Umstand, dass der Datumsbrückenstempel des Postamtes IV auf 70 Kreuzer-Marken, was den Zustand der Stege anbetrifft, sich mit eindeutig zeitgemäßen Abschlägen deckt und die Vielfalt an Stempeldaten und entsprechend viele Abnutzungserscheinungen des Stempels für eine zeitgerechte Verwendung sprechen. Letzteres ist keinesfalls schlüssig.

Der Stempel wurde bedarfsmäßig und zeitgerecht in der Kreuzerzeit etwa 19 Monate verwendet, aber für die Nachstempelungen wohl fast 10 Jahre benutzt. Entsprechend groß ist die Vielfalt an Stempeldaten und Abnutzungserscheinungen während der Nachstempelzeit ca. 1880 bis 1889.

Es ist richtig, dass die Stempelabschläge aus der regulären Verwendungszeit denen aus der Nachstempelaera ähneln bzw. mit ihnen identisch sind. Ich kann nur vermuten, dass hier mechanische Besonderheiten des Datumseinsatzes eine Rolle spielen und keine der üblichen Abnutzungserscheinungen durch langen Gebrauch.

Üblicherweise müssten die zwischen den Stegen eingesetzten Ziffern und Buchstaben des Datumsbrückenstempels, der bereits über eine Walze zur Datumseinstellung verfügte, völlig plan liegen, um einwandfreie Abschläge zu erzeugen. Wird jetzt beim Wechsel eines neuen Datums, einmal angenommen vom 30. November auf den 1. Dezember, eine Ziffer wie die zweite „I“ in „XII“ so eingestellt, dass sie auch nur minimal erhöht aus den anderen Ziffern
und Buchstaben herausragt, dann druckt an dieser Stelle ein Teil des Steges nicht mehr ab. Das gleiche Phänomen könnte auch bei der Umstellung der Jahreszahl „74“ auf „75“ entstehen. Mit der Zeit kann die ganze Datumszeile so durcheinander geraten, dass kein Planum mehr vorhanden ist und die Darstellung der Stege immer mehr verlustig geht. In unserem Fall war dieser Zustand bereits 1876 im Wesentlichen eingetreten und dauerte bis zur Aussonderung des Stempels Ende 1879 an. Andere Datumsbrückenstempel zeigen die gleichen Phänomene im Stegbereich.

Nach der in meinen Augen als sicher geltenden Grundüberholung und Reparatur des Datumsbrückenstempel wohl Ende 1879 befand sich der Stempel, wie bei seiner Einführung, in einem einwandfreien Zustand. Die Stege waren vollständig sichtbar. [20] Da der vorhandene Stempeleinsatz und auch die grüne Stempelfarbe weiterbenutzt wurden, könnten die gleichen Abnutzungserscheinungen bei bestimmten Daten auch bei den Nachstempelungen in den 1880er-Jahren entstanden sein und den Eindruck einer zeitgerechten Entwertung hinterlassen.

Die Häufung von gleichen Stempeldaten auf bestens erhaltenen 70 Kreuzer ist ebenfalls bemerkenswert. Mir liegen Abbildungen von einigen Dutzend 70 Kreuzer-Marken mit dem grünem Datumsbrückenstempel vor. Davon tragen 5 Einzelstücke und zwei Paare das Datum 1. XII. 74 (siehe die Abbildungen). Auch dies ist ein Hinweis auf Nachstempelungen.

Die Prüfer sind der Meinung, dass die Häufung von Marken mit gleichem Stempeldatum auch auf die Aufteilung von Einheiten zurückzuführen ist. Ich sehe keinen Widerspruch zu meinen Ausführungen: Beim Postamt IV wurden vor dem Verkauf der 70 Kreuzer-Marken die Stempel offenbar nicht einzeln, sondern bogenweise angebracht. Darauf deuten die zahlreichen Eckstempel hin.

Es gibt neben der Tatsache, dass der Datumsbrückenstempel des Postamtes IV ab ca. 1890 am Sammlerschalter vorhanden war, weitere deutliche Indizien für die Nachstempelungen auf 70 Kreuzer. So sind mir Doppelentwertungen mit dem grünen Datums- und Fächerstempel in drei Fällen bekannt (siehe die Abbildungen), vermutlich gibt es mehr davon. Eine häufigere bedarfsmäßige Nachstempelung von bereits mit dem Fächerstempel entwerteten Marken in der regulären Gebrauchszeit der 70 Kreuzer kann man getrost ausschließen. Der Charakter der Abstempelungen spricht eindeutig für eine Nachstempelung am Sammlerschalter in den 1880er-Jahren. Die genannten drei Doppelentwertungen belegen auch eindeutig die gleichzeitige Verwendung beider Stempel am Sammlerschalter.

Die Prüferseite ist der erstaunlichen Auffassung, dass über das Zustandekommen dieser Doppelentwertungen nur spekuliert werden kann. Keinesfalls seien sie jedoch ein Hinweis auf Nachentwertungen am Sammlerschalter!



Diese doppelt nachgestempelten 70 Kreuzer belegen die gleichzeitige Verwendung des grünen Datumsbrücken- und Fächerstempels in den 1880er-Jahren.



Am 14.11.1874 war der grüne Datumsbrückenstempel des Postamtes IV noch in einem perfekten Zustand, ab dem 1.12. wurde der obere Stegteil in Mitleidenschaft gezogen.

Mit dem Datumsbrückenstempel wurden während seiner Verwendung am Sammlerschalter in größerem Umfang weitere Stempelspielereien vorgenommen. Die Abbildungen zeigen 70 Kreuzer-Marken mit einem, zwei, drei oder sogar vier Eckstempeln. Es bestand die Vorschrift zur zentrischen Entwertung der Marken, die während der Laufzeit der 70 Kreuzer nur gelegentlich bei paarweisen zentrischen Entwertungen übergangen wurde. Grund war u. a., dass das Datum, ggf. mit der Tageszeitangabe, lesbar sein sollte, um bei etwaigen Rückfragen und Reklamationen den zuständigen diensthabenden Postbeamten ausfindig machen zu können. Bei einem Großteil der Gefälligkeitsentwertungen mit dem Datumsbrückenstempel auf 70 Kreuzer ist das Datum nicht oder nur teilweise erkennbar. Typische Briefpost-Bedarfsmarken wie 1 und 3 Kreuzer mit diesem Stempel sind meinen Beobachtungen zufolge ganz überwiegend ordentlich zentrisch gestempelt.

Die hier gezeigten Stempelspielereien vom Sammlerschalter wären in der regulären Laufzeit der 70 Kreuzer niemals von der Postverwaltung geduldet worden, erst recht nicht über einen längeren Zeitraum. Sie sind ein ganz eindeutiges Indiz für die Nachstempelungen aus den 1880er-Jahren am Sammlerschalter des Postamtes IV, das von Prüfern und Prüferverband unmöglich negiert werden kann.

Auch die Aussagen der Prüferseite zum Thema Stempelspielereien können nicht nachvollzogen werden:

Es gibt weder eine Stempelspielerei am Sammlerschalter noch eine Vorschrift, die 70 Kr.-Marken zentrisch zu entwerten. Weder ein Sammler noch ein Postbeamter würden je auf die Idee kommen, Marken derart zu verstempeln. Solche Verstempelungen geben eher einen Hinweis auf Stücke aus dem Bedarf.(!).

Die Prüfer müssten die Vorschrift vom 8.11.1851 betr. Einführung der Freimarken kennen:

...werden die Poststellen darauf aufmerksam gemacht, dass die Stempelung der Briefe nicht, wie mitunter geschehen, mit der Entwertung der Freimarken dergestalt zu verbinden ist, dass der Abdruck des Orts- und Datumsstempels zur Hälfte neben denselben auf der Adresse des Briefes erscheint. Der Orts- und Datumsstempel ist vielmehr jedesmal mitten auf die Marke abzudrucken. [21]

Der Erlass wurde nicht aufgehoben und galt selbstverständlich auch für die 70 Kreuzer!



Derartige Stempelspielereien vom Sammlerschalter des Postamtes IV mit einem, zwei, drei oder gar vier Eckstempeln aus den 1880er-Jahren wären in der regulären Verwendungszeit der 70 Kreuzer (1874 und 1875) niemals ohne Sanktionen möglich gewesen. Sie sind ein ganz eindeutiges Indiz für die Nachstempelungen.

Es könnte eine dreistellige Anzahl mit diesem Stempel entwerteter 70 Kreuzer-Marken existieren. Alle Abstempelungen mit dem grünen Datumsbrückenstempel des Postamtes IV sind Nachstempelungen aus den 1880er-Jahren, also weit außerhalb der Kurszeit der 70 Kreuzer. Sie müssen nach den Regeln des Prüferverbandes als falsch gelten. In Zukunft dürfen sie keinesfalls mehr als zeitgerechte Entwertungen auf 70 Kreuzer-Marken befundet und attestiert werden. Frühere Befunde und Atteste, in denen eine zeitgerechte Entwertung bescheinigt wird, können in diesem Punkt keinen Bestand mehr haben.

Auch hierzu folgt die übliche irrige, längst widerlegte Ansicht der Prüferseite:

Stücke mit dem grünen Datumsbrückenstempel des Postamtes IV stammen entweder von einem höhergewichtigen Auslandsbrief oder von einer zeitweisen Verwendung des Datumsbrückenstempels am Fahrpostschalter. Alle Atteste der letzten Jahre sind auch heute noch zutreffend.


[15] Spalink, Deutsche Hufeisenstempel; von Garnier/Zirz, Katalog der Franco-Stempel 1864–1880

[16]/[17] Schreiben der Verbandsprüfstelle vom 4.5.2021 an mich

[18] Winkler/Klinkhammer, S. 466

[19] Köhler/Sieger, S. 121 ff.

[20] Vgl. Dreierstreifen 42b aus der 2. Trostauktion.

[21] Köhler/Sieger, S. 19 mit dem kpl. Erlass
 
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