Thema: Württemberg 70 Kr Marke: Die Suche nach der Wahrheit / Peter Feuser vs. BPP
Richard Am: 30.04.2022 09:09:19 Gelesen: 1534# 8@  
Der grüne Fächerstempel des Postamtes IV

Hier liegt ein Sonderfall vor. Die vorher erwähnten Stempel gehören zur Briefpost und sind als Aufgabestempel auf Paketkarten technisch nicht möglich und auch nicht belegt (Zeitraum 1874 bis etwa 1880). Sie müssen alleine deshalb auf 70 Kreuzer-Marken als Nachstempelungen gelten, die Datumsbrückenstempel haben rückdatierte Jahreszahlen.

Der Fächerstempel hingegen wurde regulär bei der Fahrpost verwendet. In zahlreichen Fällen wurde der Stempel auch zur zeitgerechten Entwertung von 70 Kreuzer-Marken benutzt. Dies wird u. a. durch einen Paketkartenabschnitt mit einem Sechserblock und einem Paar der 70 Kreuzer belegt. Der Stempel war nach seiner Einführung am 15.12.1873 bis Ende 1879 regulär wohl tagtäglich am Fahrpostschalter in Gebrauch, bis er für die Nachstempelungen am
Sammlerschalter des Postamtes IV ausgesondert wurde. Karl Köhler schreibt hierzu 1940:

Richtig ist lediglich, dass die an die Druckmaterialverwaltung zurückgelieferten 70 Kreuzermarken mit den dort noch vorhanden gewesenen Vorräten beim Postamt IV zu Stuttgart im Verlauf vieler Jahre zum Nennwert von 2 Mark zu Sammlerzwecken verkauft und dort sogar, auf Wunsch des Käufers, entwertet wurden (nachträgliche Gefälligkeitsentwertung mit echten Stempeln). [22] Mit Vorliebe wurde dazu der Fächerstempel des Postamtes IV, in grüner Farbe aufgedrückt, verwendet. [23] Wie groß die Restbestände gewesen sind, ist wegen der Vernichtung der Akten nicht mehr zu ermitteln. Zurückbehalten wurde nichts, sondern sämtliche Marken wurden verkauft.

Warum bei diesem Sachstand nach meinen Beobachtungen alle grünen Fächerstempel von den zuständigen Prüfern in Befunden und Attesten als echt und zeitgerecht verwendet kategorisiert werden, erschließt sich mir nicht.

Es gibt bei zahlreichen Prüfstücken deutliche Anzeichen für eine Nachstempelung, das gilt auch – das ist sehr traurig, aber wahr – für den bekannten Dreierstreifen der 42a aus der 2. Trostauktion mit Stempeldatum 17. NOV. (1874). Dieses Datum kommt wiederholt auf einheitlich breitrandigen und schön gestempelten Einzelstücken und Paaren vor (siehe die Abbildungen). Wer soll glauben, dass sich diese Marken jemals zeitgerecht auf Paketkarten befunden haben?

Die Prüfer betonen auch hier, dass die Datenhäufung sich durch aufgeteilte Einheiten erklären lässt.



Die Häufung von gleichen Stempeldaten (hier der 17. November) bei gleichzeitiger bester Schnitt- und Stempelqualität sind ein deutliches Indiz für die Nachstempelungen am Sammlerschalter des Postamtes IV [28]

Befunde und Atteste müssten nach den Normen des Prüferverbandes in allen Fällen auf die Tatsache hinweisen, dass der grüne Fächerstempel des Postamtes IV für Nachstempelungen benutzt wurde und die Bestätigung einer zeitgerechten Entwertung nur bei Vorliegen von eindeutigen Bedarfsmerkmalen erfolgen kann. Mir ist rätselhaft, warum der BPP in diesem Fall nicht auf der Einhaltung seiner eigenen Regeln besteht. Es dürfte eine dreistellige Anzahl in den 1880er-Jahren nachgestempelter 70 Kreuzer-Marken mit dem grünen Fächerstempel existieren, die nach den Regeln des BPP als falsch gelten müssen.


[22] Köhler/Sieger, S. 118

[23] Implizit bestätigt Karl Köhler mit dieser Aussage den Gebrauch des grünen Datumsbrückenstempels am Sammlerschalter des Postamtes IV.

[28] Die rechte Einzelmarke war Bestandteil meiner 94. Auktion. Trotz mehrerer Atteste habe ich das Los aufgrund meiner Recherchen gewonnenen neuen Erkenntnisse zurückgezogen. Die Häufung von gleichen Stempeldaten (hier der 17. November) bei gleichzeitiger bester Schnitt- und Stempelqualität sind ein deutliches Indiz für die Nachstempelungen am Sammlerschalter des Postamtes IV.
 
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