Thema: Württemberg 70 Kr Marke: Die Suche nach der Wahrheit / Peter Feuser vs. BPP
Richard Am: 01.05.2022 09:52:54 Gelesen: 1399# 9@  
Prüfer, Prüferverband und die ArGe Württemberg

Intensive interne Versuche, die m.E. grob fehlerhafte Prüfpraxis im Zusammenhang mit den Stuttgarter Briefpoststempeln und dem grünen Fächerstempel des Postamtes IV auf 70 Kreuzer für die Zukunft zu verändern, sind am Widerstand der zuständigen Prüfer und ganz erstaunlicherweise auch am Widerstand des Prüferverbandes BPP gescheitert. Eine Kommunikation zwischen den betroffenen Prüfern und mir ist schnell zusammengebrochen.

Der BPP-Vorstand hat eine Änderung der bestehenden fehlerhaften Prüfpraxis abgelehnt, u. a. mit den Hinweisen, dass diese Prüfpraxis über Jahrzehnte von verschiedenen Prüfern als richtig angesehen wurde und noch wird, und dass meine vorgetragene Indizienkette keine Beweise für die Nachstempelungen erbringen würde.

Mit Wissen der Prüfer habe ich eine Untersuchung durch die Verbandsprüfstelle des BPP, die aus drei Altdeutschland-Prüfern besteht, veranlassen können. Die Verbandsprüfstelle schreibt:

Allein die Tatsache, dass es sich um Millionenwerte handelt, die in Frage gestellt werden, gebietet es doch, hier keinem übereiltem Aktionismus zu folgen, und schon gar nicht auf der Grundlage eines nur grob skizzierten Argumentationsgebäudes. Nach einer kurzen Rücksprache mit den betroffenen Prüferkollegen sahen auch diese keinen sofortigen Handlungsbedarf, da die angeführten ‚Fakten‘ für sich alle hinlänglich bekannt waren.

Das erstaunt außerordentlich, wurde doch von mir in einem sehr ausführlichen und aufwändig recherchierten Schriftsatz mit 10 Seiten Text und einigen Dutzend Abbildungsseiten eine durchaus beweiskräftige Indizienkette vorgetragen. Wenn alle dort aufgeführten Tatsachen bereits hinlänglich bekannt waren, dann hätte die bisherige jahrzehntelange Prüfpraxis längst geändert werden müssen. Die Gegendarstellung der Fachprüfer trägt irrationale Züge, in keinem einzigen Fall führt sie zu einer Widerlegung der von mir geäußerten Ansichten.

Auch die Forderung nach einer Beweislastumkehr ist natürlich unzulässig. Es gehört zu den elementaren Grundlagen des Prüfwesens, dass der Prüfer seine Entscheidung, dass eine Marke echt ist bzw. ein Stempel echt und zeitgerecht verwendet wurde, beweiskräftig glaubhaft machen muss. Sonst darf er keine Prüfung mit dem Ergebnis „echt“ bzw. „Stempel echt und zeitgerecht verwendet“ vornehmen. Bei Zweifeln muss er die Prüfung ablehnen. Der Prüfer ist nicht verpflichtet, eine Fälschung nachzuweisen.

In unserem Fall wurde gegen diese Regel eklatant verstoßen. Es ist im Falle der Stuttgarter Briefpoststempel nicht möglich, von Seiten der Prüfer beleghaft die Entwertungen auf 70 Kreuzer in deren regulärer Verwendungszeit nachzuweisen. Hingegen gibt es eine Vielzahl von beweiskräftigen Indizien, die für die Nachstempelungen mit den Originalstempeln, teils weit außerhalb der Kurszeit, sprechen. Es ist mir völlig unverständlich, dass Prüfer und Prüferverband
diese Indizien ignorieren und sich weigern, sich mit ihnen auseinanderzusetzen
und sie ggf. zu widerlegen versuchen.

Das Brühl/Thoma Handbuch schreibt:

„Wie bei den Inflationsmarken ist daher nicht „in dubio pro reo“ zu entscheiden, wie Müller-Mark so schön meint, sondern der echte Gebrauch der Marke ist nachzuweisen... Es hilft nichts: nur die nachweisbar echt gebrauchte Marke verdient einen wesentlich höheren Preis als die ungebrauchte.“ [24]


Der BPP hingegen schreibt:

[i]„Der Nachweis, dass die bisherige Prüfpraxis falsch ist, muss EINDEUTIGE und für jedermann nachvollziehbare Beweise bringen. Eine Aufforderung an die Prüfer, sie mögen doch bitte Ihre nun vorgebrachten Darlegungen mit Beweisen ‚entkräften‘, reicht da nicht aus. SIE zweifeln die bisherige Prüfpraxis an, die nicht von den jetzigen Prüfern ‚erfunden‘ oder nur eingeführt wurde, sondern seit Jahrzehnten Bestand hat.

Wir können nur solche ‚harten Fakten‘ letztendlich anerkennen, um die Kollegen zu einer anderen Prüfpraxis zu verpflichten, es geht eben nicht gerade um Peanuts. Nur durchschlagende Beweise anhand des philatelistischen Materials oder Auszüge aus den Akten zu den Vorgängen, die eine entsprechende Stempelpraxis nahelegen, können diesen Ansprüchen genügen.“ [25]


und weiter:

Der Prüfer hat, anders als Sie es darstellen, grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Briefmarke echt gestempelt ist. Gibt es also keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Falschstempel vorliegt, oder ist der Abschlag schlicht nicht klärbar, so dass nicht genügend Kriterien für diese Annahme vorliegen („nicht prüfbar“), wird er den Stempel nicht beanstanden. Es geht hier also gar nicht um eine Beweislastumkehr, sondern immer nur um die Fälschung – dieser juristische Grundsatz gilt selbst bei den Infla-Marken! Wenn es also keine Anhaltspunkte für eine Fälschung gibt, darf der Prüfer davon ausgehen, dass eine Marke echt gestempelt ist.

Der guten Ordnung halber: Marken und Stempel sind in unserem Falle echt, sie wurden nach Ablauf der Kurszeit entwertet und teilweise auch rückdatiert. Nach der Prüfordnung werden derartige Abstempelungen mit Falschstempeln gleichgesetzt. Die jetzt vorgetragene Auslegung der Prüfordnung erscheint eigenwillig und neu, aber auch nach dieser Auslegung dürfte eine Kategorisierung der Stuttgarter Briefpoststempel als „echt und zeitgerecht gebraucht“ wegen der bekannten schwerwiegenden Bedenken niemals stattfinden. Es gibt mehr als ein
Dutzend Parameter, die für die Nachstempelungen sprechen! Mir ist völlig rätselhaft, warum hierüber überhaupt diskutiert werden muss.

Forennutzer Jürgen Herbst schreibt zum Thema im stampsX-Forum:

Die Antwort der Verbandsprüfstelle bedeutet, daß ein Prüfergebnis dann, wenn es‚ langjähriger Prüfpraxis‘ entspricht, nur durch ‚harte Fakten‘ erschüttert werden kann. Man setzt sich dann also gar nicht erst mit begründeten Zweifeln auseinander, sondern betrachtet ein Prüfergebnis bereits deshalb als zutreffend, weil es in der Vergangenheit immer schon so ausfiel.

Der BPP verlangt vom Opfer der Beweislastumkehr im übrigen Unmögliches, wenn er Aktenauszüge einfordert. Prüfer und damit auch der Prüferverband wissen bzw. müssten wissen, dass alle Akten im Zusammenhang mit den Verkauf der Restbestände der 70 Kreuzer-Marken vernichtet wurden und man auf Spekulationen angewiesen ist.

Karl Köhler schreibt dazu:

Es wird kaum mehr gelingen, hier Tatsächliches festzustellen, da die Akten sowie die Nachweisungen der Restbestände beim Postamt 4 vernichtet worden sind. [26]


Die Argumente des BPP für seine Nichtintervention machen mich fassungslos. Der Prüferverband billigt die Weiterführung einer äußerst bedenklichen Prüfpraxis und macht sich damit angreifbar. Es soll alles bleiben wie gehabt, es sei denn:

Sie können aber davon ausgehen, dass die Kollegen Ihre Argumente allein aus Vorsicht im Hinterkopf behalten und reagieren werden, sobald sich wesentliche Voraussetzungen ändern.

Das ist sehr tröstlich zu wissen, ändert aber nichts an der Tatsache, dass eine äußerst fragwürdige Prüfpraxis mit hohem Schadenspotential zur Zeit mit ausdrücklicher Billigung des Prüferverbandes fortgeführt werden darf.

Das Verhalten des BPP-Vorstandes ist unbegreiflich, unverantwortlich und skandalös. Der Verband muss mit einem erheblichen Reputationsverlust
rechnen.

Die Verbandsprüftstelle hat nicht objektiv nach sachlichen Erwägungen entschieden, sondern nach sachfremden Kriterien. Sie hätte meinen unwiderlegbaren Hauptargumenten folgen und den betroffenen Prüfern eine Änderung ihrer Prüfpraxis empfehlen müssen. Meine Angebote für persönliche Gespräche wurden ignoriert.

Ich habe den BPP dringend ersucht, eine öffentliche Diskussion über die 70 Kreuzer-Nachstempelungen im allseitigen Interesse vermeiden zu helfen und dazu Vorschläge gemacht, die unbeachtet blieben. Ich empfinde es deshalb als besondere Zumutung, dass ich zur öffentlichen Thematisierung der Problematik gezwungen bin.

Wenn der BPP hier zu keiner Intervention bereit ist, dann ist aufgrund des sehr hohen Schadenspotentials diese öffentliche Diskussion notwendig, um eine Weiterführung der bisherigen fehlerhaften Prüfpraxis zu unterbinden.

Auch der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Württemberg hat sich im Rundbrief Nr. 202 (11/2021) zur Problematik geäußert. Der Vorsitzende Marc Klinkhammer schreibt:

Der Vorstand und die zuständigen Fachgebietsleiter der ArGe haben sich intensiv mit den angeblich falschen Briefpoststempeln auf Mi. Nr. 42 beschäftigt. Im Ergebnis folgt der Vorstand vollumfänglich der Meinung des BPP. Sämtliche Atteste zu diesem Sachverhalt besitzen uneingeschränkte Gültigkeit.

Dieses Statement ist in seiner absoluten Aussage völlig unbegreiflich. Die Ansicht über die Gültigkeit sämtlicher betroffenen Atteste kann als Empfehlung an die Arbeitsgemeinschaftsmitglieder missverstanden werden, die mit Stuttgarter Briefpoststempeln nachentwerteten 70 Kreuzer-Marken zu erwerben.

Es ist schon befremdlich genug, wenn der BPP die weitgehend irrationale Gegendarstellung der Fachprüfer veröffentlicht und sie als bare Münze verkauft, ohne sie vorher auf Plausibilität überprüft zu haben.

Noch erschreckender ist angesichts der klaren Sachlage das Verhalten
des ArGe-Vorstandes. Natürlich haben sich alle Württemberg-Prüfer große Verdienste um die Arbeitsgemeinschaft erworben und können Respekt erwarten, müssen sich aber der berechtigten und sachlich vorgetragenen Kritik an fragwürdigen Prüfentscheidungen stellen und die unbedingt notwendigen Konsequenzen ziehen. Vorstand und Fachgruppe Kreuzerzeit befinden sich in einem offenkundigen Interessenkonflikt, der eine objektive und sachliche
Beurteilung der Thematik verhindert. Der Vorstand sollte sich verpflichtet fühlen, die Interessen aller Mitglieder zu vertreten und seine Haltung in der Frage der Stuttgarter Briefpoststempel auf 70 Kreuzer überdenken.

[24] Brühl/Thoma, Handbuch der Württemberg-Philatelie, Kreuzerzeit 1851–1875, S. 87

[25] Schreiben der Verbandsprüfstelle vom 4.5.2021 an mich.

[26] Köhler/Sieger, S. 129
 
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