Thema: (?) (2) Altdeutschland Preussen Nachverwendete Stempel auf Deutsches Reich und danach
Stefan Am: 06.10.2022 18:56:04 Gelesen: 1777# 6@  
Ergänzend zu Beitrag [#3] nachfolgend einige weitere Angaben zum Postort TUNTSCHENDORF:

Nach [1] handelt es sich hierbei um ein Dorf mit dem heutigen Namen Tłumaczów in Polen, ca. 100 km südwestlich von Wrocław (Breslau) unmittelbar an der Grenze zur Tschechischen Republik gelegen. Für das Jahr 1939 werden 906 Einwohner ausgewiesen. Von wirtschaftlicher Bedeutung waren neben der Landwirtschaft ein Steinbruch und ein Schotterwerk. Im Ort selbst war damit bis 1945 keine große Industrie vorhanden. Zusätzlich bedingt durch die Einwohnerzahl dürfte das Postaufkommen bis zum Ende des zweiten Weltkrieges recht klein gewesen sein. Seit Mai 1945 gehört Tuntschendorf regulär zur Republik Polen.

In [2] wird vermerkt, dass der preussische Poststempel von Tuntschendorf, welcher keinen Unterscheidungsbuchstaben aufweist, auch für das Jahr 1935 belegt werden konnte. In [3] wird aktuell ein Beleg vom 18.12.1935 angeboten:



Karte vom 18.12.1935 aus Tuntschendorf nach Fischen im Allgäu

Eine weitere (eher oberflächliche) Recherche über Google förderte zwei Links auf ältere Rundschreiben auf der Internetseite von Infla-Berlin zutage. Konkret handelt es sich hier um das Rundschreiben Nr. 103 von September 1976 der "Infla-Berichte" von Infla-Berlin [4] sowie das Rundschreiben Nr. 26 von Mai 1933 von "Der Deutsche Inflationsmarken-Sammler" [5].

In dem Rundschreiben Nr. 103 von Infla-Berlin in [4] werden in dem Artikel "Stempel-Veteranen auf modernen Marken" von Gottwin Zenker auf den Seiten 30 bis 35 (pdf-Seite 7 bis 11) nacheinander zwei frühere Veröffentlichungen zum Thema weiterverwendeter altdeutscher Tagesstempel ab 1900 beschrieben. Daraus resultierend ergab sich eine dritte, aktualisierte Liste, wonach der preussische Tagesstempel von Tuntschendorf auch noch im Jahr 1942 als belegt genannt wird. Ich möchte demnach nicht ausschließen, dass dieses Stempelgerät bis 1945 in Gebrauch war, vielleicht auch einige Zeit darüber hinaus unter polnischer Verwaltung (als Notmaßnahme, ggf. aptiert).

Die Postanstalt wurde nach [2] im August 1864 eröffnet und das Stempelgerät wäre nach [4] noch bis mindestens 1942 - ggf. auch bis 1945, also rund 80 (!) Jahre - in Gebrauch gewesen.

Das Rundschreiben Nr. 26 von "Der Deutsche Inflationsmarken-Sammler" in [5] führt auf Seite 427 (pdf-Seite 5) im letzten Absatz diverse Postorte auf, wo zu Zeiten der Germania-Ausgaben (1900-1922) altdeutsche Tagesstempel in Gebrauch waren, so u.a. auch der Postort Tuntschendorf. Dieser dem Tenor der Zeit (Mai 1933) sehr patriotisch gehaltene Artikel über die Germania-Ausgaben trieft zwar vor Propaganda, enthält dennoch einige andere lesenswerte Fakten rund um das Thema Germania-Frankaturen und eher ungewöhnlicher Stempel auf Germania.

Das Stempelgerät von Tuntschendorf wies zuerst eine 12h-Uhrzeitangabe auf, ...



..., welche später aptiert wurde. Das "V" für "Vormittag" bzw. "N" für "Nachmittag" wurde entfernt und die eigentliche Uhrzeitangabe scheinbar mittig neu zentriert. An dem vom 10.12.1922 gezeigten Beispiel war die 12h-Uhrzeitangabe noch vorhanden, während in [2] ein Exemplar vom 20.08.1933 gezeigt wird, welches eine 24h-Uhrzeitangabe aufweist. Demnach dürfte dieses Handstempelgerät entweder Ende der 1920er oder Anfang der 1930er Jahre entsprechend aptiert worden sein.

Auch die Poststempelgilde [6] hat sich bereits des Stempels im Gildebrief Nr. 242 von April 2014 angenommen und zeigt einen einwandfrei gelaufenen Beleg aus dem Jahr 1936. Einer dort erwähnten und mir nicht bekannten RPZ-Norm der Reichspost von September 1935 für Tagesstempel scheint der Verwendung dieses Tagesstempels aus Tuntschendorf im täglichen Postbetrieb widersprochen zu haben.

Gruß
Stefan

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/T%C5%82umacz%C3%B3w
[2] Peter Feuser: "Nachverwendete Altdeutschland-Stempel / Spezialkatalog und Handbuch" (Ausgabe 1983, Seiten 475 und 678)
[3] https://www.ebay.de/itm/313965156043
[4] https://www.infla-berlin.de/17_Daten/Berichte/GF/103.pdf?
[5] https://www.infla-berlin.de/17_Daten/Berichte/DIS/DIS-26.pdf?
[6] https://stephan-juergens.de/2014_gildebrief_242.php (Seite 92)
 
Quelle: www.philaseiten.de
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