Thema: Abenteuer auf der Reise – Auge in Auge mit der örtlichen Postverwaltung
Bendix Gruenlich Am: 31.01.2023 12:56:25 Gelesen: 4873# 33@  
Da hatte ich noch eine Woche Urlaub und keine Termine. Was macht man da? Man begibt sich auf eine Reise. Um mal rauszukommen, um mal was anderes zu sehen, ja das befreit. Also, die Satteltaschen gepackt und auf den Weg gemacht.

Eine der schönsten Eisenbahnstrecken Deutschlands ist die Eifelstrecke von Köln nach Trier (aktuell wegen Hochwasserschäden zwischen Kall und Kyllburg leider immer noch unterbrochen). Da steigt man auf halber Strecke (nach Überschreitung der Kulturgrenze Aachen+Kurköln / Rheinland-Pfalz) aus und kann sich mit der Durchquerung der Eifel und Luxemburgs einem prima Bergtraining unterziehen, denn das Höhenprofil, dieses windigen und hügeligen Landstrichs ist nicht ohne.

Wer das an einem Sonntag tut – wie ich seinerzeit -, steht natürlich in Luxemburg vor geschlossenen Postamtstüren. Gut, greifen wir also zur Verdeutlichung auf historisches Material zurück und ehren das durchfahrene Vianden / Luxemburg kurz in einzelnen Aspekten philatelistisch:

• Blutjung und bildhübsch: Großherzogin Marie-Adelheid, die leider zwischen die Fronten geriet. Frankreich, Belgien und Deutschland rütteln ständig an den Grenzen des kleinen Pufferstaates (Luxemburgs sehr effektive Rache: das kontinuierliche Unterbieten der Verbrauchssteuern und Kapitalertragssteuern der großen Nachbarn). Vorwurf an die Großherzogin: zu deutschfreundlich – schwer das nicht zu sein, wenn man mal wieder besetzt ist, hier: 1914/18 durch Deutschland – , dazu noch Versorgungskrisen, Aufstände, letztendlich zur Abdankung gezwungen. Damit leider auch von Briefmarken verschwunden. Schade, ein echter Blickfang (ich bleibe da beim Durchblättern der Sammlung immer hängen)

• Vianden-Ansichten: aus den 1920ern und eine Ausgabe aus den Fünfzigern mit dem Hinweis auf Aufenthalte des Exilanten Victor Hugo

• hält fit: Radfahren in Luxemburg - allerdings empfehle ich als Straßenfahrer / Touristiker auf den Sattel zu steigen



Am Abend kommt man in Belgien, in Arlon, an (schließlich hatte ich noch ein paar minderwertige belgische Marken, die mussten aufgebraucht werden).

Als Briefmarkensammler zieht einen die Post immer magisch an. Vermutlich ist das Reisen nur ein Vorwand, um mal im Ausland auf die Post zu gehen.

Enttäuscht von anonymen Briefzentrumsstempeln bin ich dazu übergegangen, persönlich am Schalter vorzusprechen, wenn irgend möglich.



Hier hat man meinem Wunsch auch entsprochen. Es wurde eine wilde Stempelei, insgesamt fünf Stempel wurden abgeschlagen.

Für die Stempeldatenbank hätte ich den Arlon-Stempel gerne hinterlegt. Doch ich lade mal dazu ein, genau hinzuschauen. Kaum zu glauben, aber keiner der Stempelabschläge ist vollständig (mal fehlen Buchstaben des Ortes, mal der Unterscheidungsbuchstabe, mal ist das Datum unvollständig….).

Ja, das ist halt Postalltag - aber das beweist für mich ein ums andere Mal, wie schwierig es in Wirklichkeit ist, Belege mit hervorragender Stempelqualität zu finden.

Ich stelle fest, dass doch von den Sachen, die man in Ausstellungen sieht / unter Sammlern kursieren, doch mindestens 80 % „gemacht“ sind. Zeppelin-Briefe mit seltenen Flugpostmarken und glasklaren Stempeln von X-Postverwaltungen? Das ist einfach unglaubwürdig. Die philatelistische Welt dreht sich um sich selbst.

Deshalb wünsche ich mir von allen Qualitäts-Fundamentalisten mehr Respekt und mehr Sympathie auch für das Unvollkommene, als das ehrlichere Material.
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/15687
https://www.philaseiten.de/beitrag/312875