Thema: Deutsche Post AG: Filial- und Unternehmenspolitik
drmoeller_neuss Am: 14.02.2023 15:56:09 Gelesen: 968# 3@  
Vielen Dank für den Link auf die Tagessschau und den Bericht über die Situation privater Postpartner.

Die restlichen Posthalter sind Kommissionäre der Post (keine Sozialabgaben, kein Betriebsrat, kein Arbeitsschutz – das hässliche Gesicht des Kapitalismus).

Gehört auch Dein Heizungsinstallateur zum hässlichen Gesicht des Kapitalismus, weil er nicht gewerkschaftlich organisiert und selbstständig ist und für seine soziale Absicherung selbst sorgen muss? Es ist kein Einzelhändler verpflichtet, mit der Deutschen Post eine Partnerschaft einzugehen. Die Werbung der Deutschen Post mit "Attraktiven Provisionen" ist sicher übertrieben, aber jeder Unternehmer muss selbst rechnen, ob es sich für ihn lohnt. Vom Postbetrieb alleine wird niemand glücklich, aber wer eine Sendung aufgibt, trinkt vielleicht noch einen Kaffee oder kauft eine Zeitung.

Auffallend ist der Unterschied zwischen Brief- und Paketdienstleistungen. Pro Paket werden 40 Cent gezahlt, während die Annahme eines Großbriefes nur 10 Cent erwirtschaftet, obwohl der logistische und zeitliche Aufwand der gleiche sind. Bankdienstleistungen sind noch unrentabler, pro Ein- und Auszahlung gibt es nur einen Euro. Wer sich da einmal verzählt, kann mindestens einen ganzen Arbeitstag abschreiben. Natürlich gibt es die Verkaufstalente, die das Bargeldgeschäft als lästiges Übel sehen, um Laufkundschaft mit Versicherungen und anderen Anlageprodukten zu beglücken. Dafür muss man das Überfallrisiko in Kauf nehmen.

Von der Annahme von Paketen wird niemand reich, aber jeder Kiosk oder jedes Schreibwarengeschäft kann den geforderten Quadratmeter Fläche abknapsen und die Annahme von Paketen kann im normalen Geschäftsbetrieb erfolgen. Meine Hermes-Annahmestelle wird von einem Ehepaar aus Sri Lanka betrieben, dass sich über den zusätzlichen Umsatz freut.

Wer eine vollständige Postfiliale betreibt, wird nicht ohne zusätzliches Personal auskommen. Unter 15 Euro pro Stunde arbeitet eigentlich niemand mehr. Eine solche Kraft muss dann schon 40 Pakete pro Stunde annehmen oder ausgeben, damit die Arbeitskosten herauskommen. Das Geschäft mit Briefmarken und Briefsendungen lohnt sich erst recht nicht. Ein Kunde, der zwei Briefmarken kauft, erwirtschaftet 15 Cent. Auf die Stunde hochgerechnet, kommt man auf eine Wertschöpfung von etwa 9 Euro pro Stunde, was noch nicht einmal die reinen Personalkosten deckt. Briefmarkensammler machen mit ihren Sonderwünschen noch mehr Arbeit.

Bleibt nur noch das Argument der Post mit der gesteigerten Kundenfrequenz. Das stimmt im Einzelfall, wie das Beispiel des kleinen Modegeschäftes zeigt. Wenn an einem Ort zwei Bäckereien sind, hat die Bäckerei mit der Postfiliale einen Wettbewerbsvorteil. Wer im Dorf der einzige Anbieter ist, bekommt keinen zusätzlichen Kunden, wenn er noch Postdienstleistungen anbietet. Daher funktioniert das Partnerkonzept in Städten recht gut, während es auf dem Land schwierig ist.

Für Briefmarken ist kein Platz mehr. Warum muss sich ein kleiner Postshop mit der Vorratshaltung von Briefmarken in verschiedenen Wertstufen und Motiven herumschlagen? Es wäre viel einfacher, wenn Blanko-Vordrucke direkt vor Ort in den gewünschten Wertstufen und QR-Code bedruckt werden. Die leeren Vordrucke müsste man noch nicht einmal in den Tresor legen. Die gleichen Vordrucke könnten natürlich beim Postkunden zu Hause oder im Büro mit online-gekauften QR-Code zu vollwertigen Briefmarken werden.

Briefmarkensammler hätten hier die Automatenmarken 2.0, wenn die Schalterlabels wie in Thailand oder im Vereinigten Königreich optisch ansprechend gestaltet werden.

Das Handyporto ist eine Alternative, wenn die auf den Briefumschlag geschriebene Zahl automatisch ausgelesen werden kann. Der zwölfstellige Code lässt sich auch auf einen Kassenbon drucken, dann kann es im Supermarkt an der Kasse ruhig heissen: "Bitte noch zwei Briefmarken zu 85 Cent". Die Deutsche Bahn macht es schon lange so. Gedruckte Pappkärtchen gibt es seit 30 Jahren nicht mehr.

Die Politik ist gefragt. Die kleinen Postpartner müssen mehr unternehmerische Freiheit bekommen. Dazu gehört das Recht, Urlaub zu machen. Die Vertretung muss natürlich gewährleistet sein. Die Postfiliale im Nachbarort darf nicht zur gleichen Zeit geschlossen sein. Auch bei den Öffnungszeiten müssen Kompromisse möglich sein. Zuverlässige Öffnungszeiten sind wichtiger als lange Öffnungszeiten.
 
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