Thema: Recht: Gesetz für Virtuelle Hauptversammlung wird wohl zur Dauerregelung
Jürgen Häsler Am: 06.03.2023 20:19:44 Gelesen: 2759# 34@  
@ Jürgen Witkowski [#32]

Hallo Jürgen,

geheime Wahlen abzuwickeln stellt sicherlich mit die größte Herausforderung bei der Videokonferenztechnik und der Software für Virtuelle Mitgliederversammlungen dar. Bei einer von mir besuchten digitalen Versammlung während der Corona-Zeit wurde tatsächlich anonym per Computer abgestimmt: mit dem üblichen Ja, Nein und Enthaltung.

Der Versammlungsleiter konnte dabei während der laufenden Abstimmung nur erkennen, wer von den Stimmberechtigten schon abgestimmt hatte und wer noch fehlte. Ähnlich wie bei einer Saalabstimmung, wo man auch sieht, wer schon sein Zettelchen in die Urne geworfen hat und wer noch nicht. Erst nach dem Ende der Abstimmungszeit hatten der Versammlungsleiter und wir alle per Mausklick das Abstimmungsergebnis in Zahlen und Prozentwerten auf dem Display. Außerdem gab es den Finanzbericht des Schatzmeisters und den Tätigkeitsbericht des Vorstandes "live" in Stichpunkten auf dem Bildschirm und nach der Veranstaltung für alle Teilnehmer zum Download.

Es wird in Zukunft sicher Anbieter geben, die auch für "hybride" Mitgliederversammlungen (Präsenzversammlung + Virtuelle Versammlung) eine Videokonferenz und geheime Wahlen hinbekommen und gleichzeitig deutsche Datenschutzvorschriften wahren. Das müssen ja nicht US-Konzerne wie Google (Meet) und Microsoft (Teams) sein.

Dass es dabei 2 Wahlergebnisse gibt, eines bei der Präsenzwahl und eines bei der virtuellen Wahl, ist rechtlich kein Problem. Das gibt es auch bei Bundes- und Landtagswahlen mit der Lokalwahl und der Briefwahl, die beiden Ergebnisse werden einfach addiert.

Die Neuregelung des Bundestages unternimmt den Versuch, allen Interessenlagen gerecht zu werden.

In den meisten Vereinen exisieren bisher in der Vereinssatzung keine Regelungen zur "Virtuellen Mitgliederversammlung", da Satzungsänderungen nun mal mühselig sind - angefangen beim Versand des neuen Satzungstextes an die Mitglieder oder der Veröffentlichung in der Vereinszeitschrift, hinzu kommen Kosten für die Eintragung im Vereinsregister und die notarielle Beglaubigung der Unterschriften bei der Anmeldung.

Hier kann der Vorstand ohne Beschluss bzw. ohne die Zustimmung der Mitglieder lediglich eine hybride Versammlung einberufen (also die Kombination von Präsenz- und virtueller Versammlung).

Die Bundestagsmehrheit wollte ausdrücklich nicht, dass ein Vereinsvorstand den Mitgliedern eine reine virtuelle Mitgliederversammlung (ohne Präsenzveranstaltung) "aufzwingen" kann (wie es in der "Corona-Zeit" bis zum 31.08.2022 noch möglich war).

Im Gegensatz dazu können die Mitglieder sehr wohl mit Mehrheitsbeschluss (auch gegen den Willen des Vorstandes) beschließen, das nächste Mal (oder auch auf Dauer) eine rein virtuelle Mitgliederversammlung abzuhalten. Man darf davon ausgehen, dass in dem ein oder anderen Verein die üblichen "Querulanten" genau das beantragen werden, falls die Beiträge erhöht werden müssen und die Kosten der MV ein nennenswertes Einsparpotential darstellen.

Will man solche Diskussionen zuverlässig vermeiden, hilft nur eine Regelung der Virtuellen Mitgliederversammlung per Satzung.

§ 32 BGB ist vollumfänglich 'dispositives' Recht, bedeutet, ein Verein kann in seiner Satzung völlig andere Regelungen treffen, als es das Gesetz vorsieht. Die gesetzliche Regelung greift also nur dann, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt.

Es gibt im Vereinsrecht natürlich auch 'unabdingbares' Recht, wie z.B. das Minderheiten-Begehren nach § 37 BGB.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass der Gesetzgeber nach Ende der Corona-Pandemie eine Rückkehr zum "Status quo ante" verhindert hat und die deutschen Vereine sanft in Richtung "Digitalisierung" 'schubst'.

Und wenn ein Verein sich nicht "schubsen" lassen will, dann muss er seine Satzung ändern, um den Platz in der "digitalen Welt" einzunehmen, der ihm gefällt.

Für bundesweit agierende Vereine wie den BDPh (mit seinen Einzelmitgliedern) bietet sich in Zukunft eine "hybride" Mitgliederversammlung an. Momentan würde ich jedoch zum Abwarten raten und die weitere Entwicklung der Dinge einfach nur beobachten.

Viele Grüße
Jürgen
 
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