Thema: Deutsche Abstimmungsgebiete Allenstein: Was ist von diesem Angebot zu halten?
Stefan Am: 18.03.2023 15:40:01 Gelesen: 1523# 5@  
@ Laudano [#1]

ich nehme an, dir ist heute ebenfalls ein "unnachahmliches" Angebot von Primus ins Haus geflattert: Ein Viererblock aus Allenstein, MiNr. 4 I b mit der Notierung "-.-" für knapp 1.000.- Euro.

Ich habe allerdings keinen Hinweis darauf gefunden, dass das Exemplar geprüft worden wäre. Also, wohl lieber Finger weg, oder ?


Ergänzend zur Vorgeschichte der angebotenen Briefmarke:

Bei dieser Ausgabe handelt es sich um Abstimmungsgebiet Allenstein, Mi-Nr. 4 Ia und b, philatelistisch als sog. "Siegesmarke" tituliert. Hierbei handelt es sich um eine Teilauflage der Mi-Nr. 4. Ursprünglich war im Abstimmungsgebiet lediglich die Verausgabung der Mi-Nr. 15-28 geplant. Die inhaltliche Abstimmung & Anfertigung der Druckplatte bzw. der Aufdruck auf den seinerzeit gängigen Germania-Briefmarken in der Reichsdruckerei in Berlin zog sich hin und die geplante Abstimmung (realisiert am 11.07.1920) rückte näher. In dem Gebiet um Allenstein wurde die örtliche Bevölkerung aufgrund des Versailler Friedensvertrags verpflichtet, eine Abstimmung zur zukünftigen Staatszugehörigkeit (Deutsches Reich oder Polen) vorzunehmen und der sog. "polnische Korridor" als Zugang der Republik Polen zur Ostsee hätte (bei einem entsprechenden Abstimmungsergebnis für Polen) dadurch geographisch erweitert werden können. Die rechtliche Abspaltung des Gebietes vom Deutschen Reich wurde m.W. zum 14.02.1920 mit dem Eintreffen der Interalliierten Kommission umgesetzt und Allenstein dem Völkerbund unterstellt. Also wurde eiligst in der Reichsdruckerei in Berlin eine provisorische Ausgabe Aufdruckmarken mit einem einfachen dreizeiligen Aufdruck produziert, die Mi-Nr. 1-14, welche ab Anfang April an die Postschalter gelangte. Bis dato waren zwangsläufig die Briefmarken des Deutschen Reiches weiterhin in Gebrauch (sog. Vorläufer).

Die angebotene Allenstein 4 I wurde im August 1920 überdruckt. Die Abstimmung war längst gelaufen, aufgrund des Abstimmungsergebnisses stand die Rückgliederung des gesamten Abstimmungsgebietes in das Deutsche Reich kurz bevor. Während der Abstimmungszeit waren Briefmarken des Abstimmungsgebietes bei Sammlern sehr gefragt. Speziell die braunrote/ karminbraune Ausgabe zu 15 Pf. war eher selten. Warum auch immer wurden in Berlin zwei verschiedene Urmarken zu 15 Pfennig (Deutsches Reich Mi-Nr. 101 und 142) überdruckt und in Allenstein verausgabt. Aufgrund von Sammleranfragen musste die Post in Allenstein immer wieder bei der Reichsdruckerei in Berlin nachbestellen, erkennbar im Michel Deutschland Spezial an den unterschiedlichen Hausauftragsnummern der Aufdruck-HAN. der Michel Deutschland Spezial von 1982 unterteilt bei der Mi-Nr. 1-14 zwei Auflagen: erste Auflage = dünner Aufdruck mit Aufdruck-HAN "... .19" (Geschäftsjahr 1919 bis 31.03.1920) und die zweite Auflage = dicker Aufdruck mit Aufdruck-HAN "... .20" (Geschäftsjahr 1920 ab 01.04.1920).

Die Reichsdruckerei in Berlin fertigte für die Schaffung der Mi-Nr. 4 I auf zugeschnittenen Rollenbahnbogen (Walzendruck) der Urmarke Mi-Nr. 142 einen entsprechenden Aufdruck an, Auflage von 16.000 Stück (gemäß Michel Deutschland Spezial 1982), also 160 Schalterbögen à 100 Briefmarken. Technisch bedingt (laut Angabe im Katalog) ließ sich dieser Aufdruck nicht genau auf den Landesnamen "DEUTSCHES REICH" der Briefmarken platzieren sondern wurde oberhalb des Landesnamens gedruckt. Ursprünglich war jahrzehntelang lediglich eine Briefmarkenfarbe - als b-Farbe (?) - katalogisiert. Der Katalogisierung nach lässt sich annehmen, dass diese vor einigen Jahren überarbeitet und in die Farben a und b unterteilt wurde. Bis mindestens 2006 war im Michel-Deutschland Spezial für die sog. "Siegesmarke" lediglich eine Farbe katalogisiert. Der Michel Deutschland Spezial verweist darauf, dass die Katalogbewertung der b-Farbe lediglich für Prüfungen ab dem Jahr 2013 gilt. Das Angebot von Primus in Beitrag [#1] bezieht sich auf die seltenere Farbe (seit einigen Jahren als b-Farbe im Katalog).



Allenstein Mi-Nr. 4 a und 4 Ia (oder doch Ib?)

Die Mi-Nr. 4 I verdankt ihre Existenz daher lediglich den Sammlernachfragen und wurde im August 1920 kurz vor Torschluss produziert (was den höheren Katalogwert für gestempelte Briefmarken erklärt). Ein postalischer Bedarf war im August 1920 längst nicht mehr gegeben. Am 12.08.1920 zog die Interalliierte Kommission wieder ab und übergab damit das Abstimmungsgebiet an das Deutsche Reich zurück. Die Allenstein-Briefmarken waren anschließend noch acht Tage bis zum 20.08.1920 gültig. Überbestände an Aufdruckmarken (Bsp. Kleinwerte bis 20 Pf.) wurden postseitig allerdings auch noch nach diesem Termin aufgebraucht (geduldet).

Sammlerseitig fiel der höhergestellte Aufdruck bereits früh auf. Da sowohl die Landesangabe "ALLENSTEIN" als auch "DEUTSCHES REICH" zeitgleich problemlos lesbar sind und Allenstein deutsch blieb, verpasste man philatelistisch dieser Teilauflage den Spitznamen "Siegesmarke". Es ließe sich nun philatelistisch streiten, ob dieser höhergestellte Aufdruck nun als verschobener Aufdruck und damit als herstellungsbedingte Druckzufälligkeit oder als katalogisierungsfähige Abart einzustufen ist. Diese Ausgabe steht seit Jahrzehnten als Letzteres im Katalog.

Man kann auch weiter vortrefflich streiten bzw. philosophieren, ob eine farbliche Unterteilung von a und b bei der Urmarke Mi-Nr. 142 bereits sinnvoll ist. Ich stelle einmal als These in den Raum, dass die meisten interessierten Sammler nicht konsequent alle vorliegenden Exemplare nach den Farben a und b unterteilen können. Mir persönlich scheint der Farbunterschied zwischen a und b eher marginal bzw. Richtung fließender Übergang zwischen den Farben a und b zu gehen.

Gruß
Stefan
 
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