Thema: Bund: Die fünfziger Jahre - Erfahrungsaustausch zum Sammeln in dieser Zeit
Bendix Gruenlich Am: 25.03.2023 21:36:17 Gelesen: 2720# 16@  
@ filunski [#4]

Peter, wo wären wir, wenn man uns nicht ab und an unter die Arme gegriffen hätte. Oft braucht es nur wenig, um andere glücklich zu machen. Eine Geste des Wohlwollens, und dass es gut mit einem gemeint wird oder an einen gedacht worden ist; ohne dass es mit einer Gegenleistung verknüpft wird. Großzügigkeit, diese richtig zu dosieren und diese gemessen annehmen zu können ist wohl eine der Feinheiten zwischenmenschlichen Umgangs.

Gedenken wir ruhig an dieser Stelle allen Leuten, die uns da gefördert haben.

Und die Ausgabe (100 Jahre deutsche Briefmarke vom 30.09.1949) ist ein Blickfang – auch noch mit Wasserzeichen, mit symphatischem Schwung geht es durch die Marke.



Dann mal zum Geschäft.

So, die Fünfziger. Wie kommt man da an Material? Aus dem Archiv-Bestand der Stadt- und Landesbibliothek Düsseldorf? Nein, die haben nur die letzten fünf Jahre an Periodika auf Lager. Bei dem philatelistischen Ableger der Stadtbücherei München? Vermutlich. Also Reise nach Bayern geplant, da wollte ich sowieso hin. Da hat mir dann irgendein Corona-Mumpitz mal wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Da fand ich – ich glaube in diesem Forum – den Hinweis auf die Philatelistische Bücherei in Wuppertal, und das ist doch mit der Regionalbahn ab Solingen nur vier Bahnstationen entfernt. Da bin ich dann hingefahren. Und die hatten tatsächlich Ausgaben der DBZ aus den 1950-ern da. Ich habe mir das Band des ersten Halbjahres 1953 geben lassen und habe da mal durchgestöbert.

Das Format kam mir gar nicht so fremd vor, oder nein anders; es kam mir vielmehr sehr bekannt vor, denn der Aufbau unterschied sich gar nicht so sehr von einer aktuellen Ausgabe der DBZ. Auch die Themen sind echte Evergreens (z.B. eine enzyklopidäische Artikelreihe über die Seltenheit von Entwertungen in Deutsch-Südwestafrika oder die Besprechung philatelistische Raritäten, Berichte vom Auktionsgeschehen, Neuheiten, Leserbriefe, Kurzmeldungen). Aber meine Mission war ja eine andere, ich wollte dem damaligen Preisniveau für Bund und Berlin auf den Grund gehen und Hinweisen auf Verknappung nachgehen. Bevor ich demnächst zu dem Thema komme, möchte ich heute einleitend einen Einblick in die damalige Welt geben, in dem ich zwei Artikel mittels Inhaltsangabe vorstelle.

Artikel 1

Aufgefallen ist mir eine Ankündigung zu Berlin 1953, die Ausgabe zum Wiederaufbau der Gedächtniskirche.

Das Ausgabedatum wird genannt, die Werte beziffert. Auflage zum Zeitpunkt der Vorankündigung noch unbekannt. Am Ausgabetag sollte in der Ruine ein Gottesdienst in der Gedächtniskirche abgehalten werden. Ein fahrbares Postamt sollte vor Ort sein. Verkauft werden sollten die Werte selbst sowie Ersttagsumschläge. Ein Sonderstempel „Berlin W 30“ sollte mitgeführt werden.

Auch über die Ausgabe Glocken, Klöppel Mitte, wird berichtet. Erste Werte sollten zur Deutschen Industrie-Ausstellung Berlin 1953 erscheinen. Das Wasserzeichen wird benannt, desgleichen der Entwerfer, die Druckerei und die Druckart.

Ich muss sagen, dass las sich spannend. Stark, dass die Post da einfach mal zum Gottesdienst hinfuhr und die Ereignisse echt begleitete. Darauf, dass die Glocken-Teilausgabe mit einer Industrie-Ausstellung verknüpft wurde, wäre ich nie gekommen.

Artikel 2

Ein J. Krebs aus Berlin fabuliert ganzseitig (5.184 Zeichen – übrigens hier heute von mir ca. 4.500) über die Preisentwicklung bei Briefmarken (damals, wie vor dreißig Jahren oder auch noch heute ein hobbybeherrschendes Thema – man packt irgendwo einen Preis drauf und schon steigt die Leidenschaft – tja, zum Golde drängt halt letztlich alles). Die Preise stiegen im Jahr 1953 allgemein wohl stark an (der Autor nennt Öl und Kaffee als Referenz und den Koreakrieg (!) als Auslöser). Desgleichen stiegen seinerzeit wohl die Preise auch für Briefmarken, was von den Sammlern kritisiert wurde. Zwischenhändler – ja, die bösen Kaufleute – würden zu hohe An- und Verkaufsspannen kalkulieren. Er nennt als Quellen für Sammler im Hinblick auf valide Preisinformationen (Internet und „Handy“ gab’s da noch nicht, liebe Leser) Auktionskataloge für Spitzen (benannt wurden hier Wipablock, Sachsendreier, Doppelgenf) und Inserate für Mittelwerte. Inserate machten rund 50% aus. Er zitiert Gespräche mit Sammlern und Versandhändlern. Er rät dazu, nicht jeden Preis zu zahlen und antizyklisch zu kaufen. Erwerben im Sommer, Einsortieren im Winter.

Auch erinnert er daran, dass sich wohl glücklich hat schätzen dürfen, wer einen IPOSTA-Block (Briefmarkenausstellung von 1930, Block 1) bei Ausgabe am Schalter (also zum Postpreis – RM 2,70 – Auflage ca. 85.000) hat kaufen können.

Hinsichtlich der Sammlerschaft hebt er ältere, graumelierte Herren als typischen Vertreter und Gesprächspartner hervor (hat sich also nix geändert).

Der Text ist für den heutigen Geschmack nicht explizit genug (man kann sich gerne mal eine TV- oder Radiosendung aus dieser Zeit anhören. Man nahm sich damals - formulieren wir es freundlich - Zeit und kam nicht so schnell auf den Punkt wie heute). Interessant: bereits seinerzeit wurden Anglizismen benutzt (Beispiel „up to date“, „business“).

Soviel für heute.

Die Fünfziger waren aber auch das Jahrzehnt für wichtige technische Veränderungen. Hier der philatelistische Beweis (von 1957 - starkes 1950-er Design - der Hammer: guckt genau hin - die Marke scheint aufgrund der Struktur des Unterdrucks zu flimmern).



….das Fernsehen wurde eingeführt und hat die Lebenszeit von Millionen Menschen absorbiert…


Kurzer Nachtrag zur Person des H. Krebs (dessen Artikel ich oben zitiert habe).

Richard hat mich auf einen Nachruf im „Tagesspiegel“ hingewiesen. Joachim H. Krebs (1924-2002) war Journalist, arbeitete in seinen frühen Berufsjahren beim Rundfunk und wechselte 1959 zum Fernsehen, dem Berlin-Studio der ARD, und war dort in der politischen Berichterstattung aktiv. Dort interviewte er die wichtigen politischen Persönlichkeiten der Zeit, u.a. die Bundeskanzler, und hatte Gelegenheit den Regierungstross auf Auslandsreisen zu begleiten.

Er war Briefmarkensammler. Er schrieb nicht nur in der DBZ, sondern auch in den Vorgängern des Briefmarkenspiegels. Im Tagesspiegel führte er die sonntägliche Briefmarkenecke. Er war vier Jahr im Briefmarken-Kunstbeirat der Bundespost und ist Autor des Buches „Tausend Tipps für Briefmarkensammler“.
 
Quelle: www.philaseiten.de
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