Thema: Die berühmtesten und wertvollsten Briefmarken der Welt
Heinz 7 Am: 16.04.2023 13:15:29 Gelesen: 91088# 893@  
@ Martin de Matin [#884]

Machen wir doch eine Zeitreise.

November 1864. Die Philatelie trieb ihre ersten Blüten, eifrige Sammlerinnen und Sammler waren mit Leidenschaft dabei, ihre Sammlungen auszubauen. Die ersten Kataloge wurden mit Begeisterung gekauft, und die ersten Vordruck-Alben waren den Sammlern Ansporn, die "leeren Felder" zu füllen.

Und: ein Land nach dem anderen brachte seine ersten Briefmarken heraus, z.B.

1840 England
1847 Mauritius
1858 Fürstentum Moldau und Uruguay

Die Nachrichtenlage darüber war allerdings noch schwierig. Die Existenz über viele Briefmarken wurde erst im Nachhinein bekannt und Philatelie-Journalisten füllten die ersten philatelistischen Zeitschriften mit Erkenntnissen über Neuerscheinungen.

Im November 1864 machte Frau Jeanne Borchard eine märchenhafte Entdeckung. Jeanne war verheiratet mit Kaufmann und Reeder Adolphe Borchard aus Bordeaux, der geschäftliche Verbindungen mit Mauritius hatte. Die damals 37-jährige Ehefrau fand in der Geschäftskorrespondenz ihres Mannes Exemplare der allerersten Ausgabe von Mauritius, die "Post Office"-Marken von 1847.

Nicht nur eine Marke fand die Sammlerin, sondern insgesamt 13 Stück wurden von ihr entdeckt (1864-1869)! Meines Wissens war bis November 1864 die Briefmarke noch nicht bekannt, und folglich noch in keinem Katalog verzeichnet, noch in einem Vordruck-Album berücksichtigt.

Sehen wir uns einmal an, was Frau Borchard da fand, unter anderem:



Uns bleibt der Atem weg. Eine Mauritius Nr. 2+1, zusammen verwendet. Natürlich denken wir sofort an den zweifellos wertvollsten Brief der Welt, den "Bordeaux-Brief" von Mauritius



Frau Jeanne Borchard machte den ersten ganz grossen Fehler als Sammlerin: sie löste die zwei Marken vom Brief ab. Sonst wäre der oben gezeigte Brief kein Unikat, sondern hätte einen Zwilling.

Aber Frau Borchard machte noch einen zweiten Fehler. Sie tauschte nämlich dieses Paar gegen zwei "Montevideo-Suns"! (!!!)

Wir wissen nicht exakt, welche Briefmarke Frau Borchard erhielt.





Ich zeige hier eine Auswahl von möglichen Briefmarken. Hoffen wir, dass Frau Borchard wenigstens eine dieser Marken erhielt:

Wir sehen eine Michel 4b*, den seltensten Wert, Farbe indigo, mit einem Katalogwert von Euro 5000 (Michel 2010), eine Michel 3 (Katalogwert Euro 400 oder 450) und eine Michel 4a (Katalogwert Euro 2600).

Von der 4a gibt es angeblich rund 40 Stück; das hier gezeigte ist ein seltenes Exemplar mit 4 ganzen Rändern, darum wurde diese Marke 2012 als Teil der "Tito"-Sammlung auf US$ 5000 geschätzt.

Wir sehen also: Frau Borchard hat Briefmarken im Wert von höchstens CHF 10'000 erhalten für ihr Mauritius-Paar, das 1881 von "Briefmarkenkönig" Ferrary als Teil der Philbrick-Sammlung gekauft wurde. 1921 kaufte Maurice Burrus dieses lose "Paar" an der 2. Ferrary-Auktion zu einem Preis von FRF 98'000. Wir haben gesehen, dass die GANZE Uruguay-Sammlung (mit 2222 Marken, inkl. der zwei Kehrdruckpaare (!)) wenige Monate zuvor nur FRF 111'000 gekostet hatte.

Also... Frau Borchard hat zwei folgenschwere Fehler gemacht und damit einen sehr wertvollen Schatz (heutiger Wert > CHF 1 Million) hergegeben. Auch das gehört zur schillernden Geschichte der Philatelie.

Heinz
 
Quelle: www.philaseiten.de
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