Thema: Belege deutschsprachiger Versicherungsunternehmen
Altmerker Am: 04.05.2023 19:51:20 Gelesen: 6136# 82@  
Hallo,

ich konnte da wohl nicht die Tinte halten. Der Text passt hier aber bestens hin, und es handelt sich um ein deutschsprachiges Versicherungsunternehmen, auch wenn es aus der Schweiz kommt.

Gruß
Uwe



Das historische Phänomen der kundendienstartigen Leistungen der Verleger fand zumindest für Deutschland am 28. August 1890 in Leipzig seinen Ursprung. Mit derartigen Abonnentenversicherungen hatte bereits 1882 „Tit Bits“ in Großbritannien seine Auflage durch Kopplung von Abo und Versicherung auf 700000 Exemplare gesteigert. 1883 bot die „Times“ den Hinterbliebenen von Lesern, die mit der neuesten Ausgabe der Zeitung in der Tasche von einem tödlichen Unfall überrascht wurden, eine Summe von 1.000 Pfund an. Der Verleger des „Leipziger Stadt- und Dorfanzeigers“, Paul Kürsten, vermochte trotz starker Konkurrenz bis 1912 seine Auflage zu versechsfachen. Eine beachtliche Leistung, stand er doch in Konkurrenz mit den „Leipziger Neuesten Nachrichten“, der sozialdemokratischen „Leipziger Volkszeitung“ und dem „Generalanzeiger“ des Essener Verlegers Wilhelm Girardet. Das Amtsblatt „Stadt- und Dorfanzeiger“ mit dem Untertitel „Amtsblatt für die Königliche Amtshauptmannschaft Leipzig sowie für die Königlichen Amtsgerichte Leipzig, Taucha und Markranstädt, des Krankenversicherungsamtes zu Leipzig, den Gemeinderat und Gemeindevorstand zu Gohlis, Eutritzsch, Mockau sowie für die Stadträthe zu Taucha und Markranstädt “ galt als Sprachrohr der Dresdner Regierung. Den Status wollte sich Kürsten nicht nehmen lassen, garantierte dieses Privileg doch satte Anzeigenerlöse und eine stramme Beamtenleserschaft. So kurbelte er mittels des Versicherungsangebotes die Auflage an. Er versprach Lesern, also auch Teilnehmern des Freiverkaufes, eine Versicherung bei der Ersten Österreichischen Unfallversicherungsgesellschaft in Wien gegen Vermögensverlust in Folge von Körperverletzung in Beruf und Freizeit im Königreich und der Provinz Sachsen sowie im Herzogtum Sachsen-Altenburg. Die Prämien beliefen sich auf 500 Mark bei Invalidität bzw. Tod.

Wenig später, 1894 versicherte die „Niederschlesische Zeitung in Görlitz“ ihre Abonnenten, 1896 der „Nürnberger Generalanzeiger“, namhafte Zeitungen und Versicherungsgesellschaften zogen europaweit nach. So fanden sich Zürich-Versicherung und Schweizer Wochen-Zeitung zusammen (Abb.) und versicherten neben Tod und Invalidität auch gegen Feuerschaden. Die Karte über die Abonnementsnachnahme galt gleichzeitig als Versicherungsausweis.

„Nach Feierabend“, das Illustrierte Familienblatt, sowie „Volkshort“ und „Fürsorge“ zahlten über die Abonnentenversicherung nach eigener Werbung 20 Millionen aus. Paul Kürsten, der Verleger des „Leipziger Stadt- und Dorfanzeigers“, bezifferte die seine Auszahlsumme bis zum Beginn des 1. Weltkrieges mit 0,5 Millionen Mark. Dabei hatte er natürlich alles juristischen Haken und Ösen des Kleingedruckten genutzt, um diese Summe niedrig zu halten. Eine Statistik aus dem Jahr 1913 besagt, dass 235 Tageszeitungen und politische Wochenblätter, 37 Unterhaltungs- und 43 Fachzeitschriften mit einer Auflage von rund 5,5 Millionen Exemplaren Abonnentenversicherungen anboten. Bekannt ist aus dem heutigen Niedersachsen ein Angebot des Hamelnschen Druck- und Verlagshauses. Diese Art der frühen Leser-Blatt-Bindung sorgte aber auch immer wieder für Streit bis in den Reichstag, wo selbst von der katholischen Zentrumspartei dafür die Worte „skrupellos“, „unlauter“ und „unsauber“ fielen. Letztendlich entpuppte sich diese Versicherungsform als sehr erfolgreiches Instrument nicht nur im Konkurrenzkampf der Verleger, sondern auch in der Auseinandersetzung mit der publizistischen Linke in der Presselandschaft, die dadurch gerade in der Arbeiterschaft eine Abonnentenabwanderung registrierte.

Aus den Versicherungszeitschriften, bei denen der Bezug mit einer Invaliditäts- bzw. Sterbegeldversicherung gekoppelt war, entwickelte sich die Abonnentenversicherung als Vorläufer der heutigen Familienschutz-Versicherungstarife. Schon bald nach der Währungsreform 1948 verschwand die Abonnentenversicherung in Deutschland vom Markt. Und auch heute kommt nach einer Studie für 62 Prozent der deutschen Zeitungsverlage der Vertrieb von Versicherungen nicht in Frage. Hier befürchten vergleichsweise viele Verlage, dass dies den Ruf ihrer Marke gefährden könnte.
 
Quelle: www.philaseiten.de
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