Thema: Auswanderung aus den deutschen Staaten in die USA im 19. Jahrhundert
bayern klassisch Am: 06.07.2023 12:20:57 Gelesen: 1748# 1@  
Liebe Freunde,

die Rolle der Deutschen als Auswanderer in die USA im 19. Jahrhundert darf nicht unterschätzt werden. Die Gründe für eine solch weitreichende, das komplette Leben verändernde Entscheidung waren vielfältig und oft ganz unterschiedlicher Natur.

Ich habe diesen Thread ins Leben gerufen, um thematisch engagierten Sammlern vlt. eine Idee für den Aufbau einer neuen Sammlung zu geben, wie sie abwechslungsreicher und spannender kaum sein könnte, aber auch für soziologisch und kulturhistorsich angehauchte Sammler, die die wahren Umstände starker Auswanderungswellen aus unserem Land in das riesige Territorium jenseits des großen Teichs mit Hilfe geeigneter Unterlagen wie Briefen, Postkarten oder anderem Material nachvollziehbar machen wollen.

Da auch ein Teil meiner Familie im 19. Jahrhundert nach dorthin ausgewandet war, ich aber nie Quellen dazu aufspüren konnte und leider auch keine Briefe besaß, aus denen die Motivation zu diesem großen Schritt hervorgegangen wäre, hatte ich mich mit dieser Thematik innerlich beschäftigt, ohne ihn zugleich auf eine philatelistische Basis zu reduzieren.

Ich beginne mal mit einem Brief, bei dessen Kauf auch der Text ausschlaggebend war.



Teilfrankobrief aus Quincy (Illinois) vom 23.12.1850 mit Postaufgabe dort am 25.10.1850 mit von der Absenderin bezahlten 20 US-Cents (ca. 30 Kreuzer) "Via Liverpool" mit der Niagara der Cunard Line (4.12. Ausschiffung in New York, 17.12. Anlandung in Liverpool) über London (18.12.), Calais (19.12.) und Forbach bis Würzburg, wo er am 22.12. ankam. Dort wurden die angefallenen Kosten von 1 Gulden und 30 Kreuzern für den Seetransport, Frankreich und Bayern auf den Brief geschrieben und mit dem Auslagestempel überdruckt. Über Possenheim (23.12.) traf er dann per Boten wohl am Weihnachtsabend in Markt Einersheim ein.

"Werthe Frau Gräfin! Geliebte Mitschwester im Geiste Jesu Christi unseres Herrn! Heute vor 8 Tagen sind wir glücklich hir angekommen ...".

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die USA auch als religiös freies Land angesehen wurden, in dem man nach eigenem Glauben und eigener Facon leben konnte, ohne tradierte Rücksichten nehmen zu müssen ("cuius regio, eius religio"). Auch zeigt die Adresse des Briefes: "Ihro Erlaucht der Graefin Luitgarde von Rechteren Limpurg geborne Graefin zu Erbach Fürstenau im Schloß zu Mt. Einersheim ...", dass durch die sehr kostenintensive Übermittlung brieflicher Kommunikation die Schilderung der Zustände in religiösen Dingen wichtig war und die alte Heimat wissen wollte, wie es denn in diesen Dingen in der neuen Heimat aussah. Auch der Adel, den es aus politischen Gründen in den USA nicht geben konnte, weil es dort nie ein Feudalsystem gab, wollte Erkenntnisse über vieles dort drüben haben.

Gefiel es den streng gläubigen Auswanderern dort, konnte das auch den Nachzug ähnlich denkender Europäer nach sich ziehen und für die Vergrößerung von Gemeinden sorgen, die sich damals ja oft erst im Aufbau befanden.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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